SZ-Werkstatt:Auffanglager Moria

Tomas Avenarius

Tomas Avenarius, 56, war 15 Jahre lang Auslandskorrespondent für die SZ, zuerst in Moskau, dann in Kairo. Seit 2016 leitet er in München das Team im Buch Zwei. Unterwegs ist er immer noch gern, besonders in Afghanistan.

(Foto: privat)

Tomas Avenarius traf für das Buch Zwei im Flüchtlingslager auf Lesbos abgeschobene Afghanen, die wieder zurück nach Deutschland wollen.

Wer als Reporter durch den Mittleren Osten reist, sieht ein Flüchtlingslager nach dem anderen. Camps, in denen Hunderte, oft Tausende Menschen zusammenleben müssen, unter unbeschreiblichen Bedingungen. Im Irak, in Jemen, in Syrien, in Afghanistan, im Gazastreifen: Menschen, die durch Krieg fast alles verloren haben. Aber solches Lagerelend im EU-Land Griechenland, auf Lesbos?

Wer das Auffanglager Moria aufsucht, wie ich es gemeinsam mit dem SZ-Fotografen Jakob Berr für das Buch Zwei über die erneute Flucht zweier 2017 nach Afghanistan abgeschobenen Männer getan habe, der sieht das Leid der circa 5000 Menschen, die hier festhängen. Wer allerdings in das Lager hineinschlüpft, ohne zu wissen, dass es dazu einer Genehmigung der griechischen Regierung bedarf, der findet sich nach einer guten halben Stunde im Büro des Lagerchefs wieder, der einen dann von der Polizei halbwegs höflich hinauskomplimentieren lässt. Allerdings nicht, ohne einem die E-Mail-Adresse der Zuständigen in Athen zu nennen; und die schicken die Bewilligung schon nach wenigen Stunden. Auch wenn Kritik an den Zuständen im Lager nötig ist - verbergen wollen die Griechen nichts, sie gehen mit den Medien fair um.

Außerdem gibt es, trotz all des Elends, schöne Momente. So wie mit dem Iraker, der in Bagdad Friseur war und in einem Bretterverschlag in Moria seinen "Salon" eingerichtet hat. Aus dem Laden dröhnt der zuckrige Arabo-Pop, den man sonst in den Straßen von Kairo oder Tunis hört. Improvisation, Lebensfreude und Leichtigkeit, trotz verfahrener Lage. So sieht man in Moria alle Seiten des Flüchtlingsproblems: das Schicksal von Migranten, die auf ein besseres Leben gehofft und sehr viel riskiert haben, nun aber ziemlich hilflos feststecken. Aber bei all dem vor allem eines bleiben: Menschen.

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