Syrien:Der Krieg muss endlich beendet werden

US-Präsident Trumps Reaktion auf den Giftgaseinsatz in Syrien hat so manchen Leser beeindruckt. Nicht wenige Leser bezweifeln allerdings, dass man genau weiß, wer den Giftgaseinsatz zu verantworten hat.

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Donald Trump sendet eine Botschaft an Assad. Illustration: Chappatte

"Noch nicht zu spät" vom 8./9. April, "Einsatz chemischer Waffen ist Barbarei" und "Jetzt ist es Trumps Krieg" vom 6. April sowie weitere Artikel zum Thema Syrien:

Die wahre Barbarei

Was ist anders, wenn Hunderte Frauen, Männer und Kinder bei der Explosion einer Fassbombe über einem Wohngebiet verschüttet, erstickt, zerquetscht, nach Tagen erst gefunden werden? Wir sehen ihre Qualen nicht direkt, können zur Tagesordnung übergehen mit dem Spruch: "Zum Krieg gehören eben Bomben dazu." Wir tätigen einen innerlichen, emotionalen Ablasshandel. Ein Giftgaseinsatz dagegen bringt uns die Unmenschlichkeit eines Krieges unübersehbar in unseren Alltag - deshalb die große Empörung.

Es braucht eine große, mutige und starke Macht in dieser Welt, die bei solchen Konflikten dazwischengeht, notfalls mit Gewalt und neutral gegenüber Freund und Feind. Wenn es die UN zwar wollten, aber nicht können, die EU zwar könnte, aber nicht will - dann sollen es von mir aus die Chinesen sein, oder die Russen, oder die Amerikaner. In unserem bürgerlichen Alltag kommt bei Streit zwischen Zivilisten nach fünf Minuten die Polizei und trennt die Kontrahenten.

Das ist die wahre Barbarei: dass wir es global nicht fertigbringen, jeden Krieg so umfassend zu ächten, dass die Aufstellung einer gemeinsam organisierten "Polizei" jedem denkenden und fühlenden Menschen nur folgerichtig scheint. Dr. Klaus Neumann, München

Was es zum Frieden braucht

Kurt Kister bringt in seinem Leitartikel "Noch nicht zu spät" die Beunruhigung und die Vorschläge zur Befriedung der üblen Lage in Syrien auf den Punkt, wenn er folgert: "Demonstrative Militärschläge (...) bleiben aber ohne die Einbettung in eine konfliktmindernde Strategie sinnlos." Da aber die Flugzeuge und Soldaten Amerikas, Russlands, Saudi-Arabiens, Irans und der Türkei ursprünglich eingesetzt wurden, um den IS zu bekämpfen, der sich als archaisch-aggressive Bewegung aus der sunnitischen Religion herausentwickelt hatte, müssen - als wesentliche Ergänzung zu den von Kister genannten politischen Vertretern der in Syrien mit und gegen den Präsidenten Assad und seinem staatlichen Militär kämpfenden Parteien - zusätzlich die aus dem Hintergrund stets mitagierenden Führer der großen islamischen Konfessionen, also Schiiten und Sunniten sowie deren Unterkonfessionen, mit an den Verhandlungstisch. Die für die heutige Zeit anachronistische Feindschaft von Glaubensrichtungen innerhalb einer Weltreligion, die Frieden behauptet, ist im Zuge der schwierigen Befriedung unbedingt einzubeziehen. Dies nicht nur, weil sich der Hass unter den Konfessionen dann auf die fortdauernden Fluchtbewegungen auswirkt, sondern auch in Europa mörderischen Fanatismus gegen einen liberalen modernen Islam und im Gefolge gegen die westliche Welt überhaupt gebiert und aufrechterhält.

Sowohl Russlands Präsident Wladimir Putin als auch US-Präsident Donald Trump wollen und müssen wohl zunächst militärisch Frieden schaffen, aber die unterschiedliche politische Denkweise droht sich in grotesker Weise zum brandgefährlichen Konflikt der Großmächte gegeneinander auszuwachsen. Man hat schlicht zu bedenken, dass Putin, genauso wie er seinen eigenen Staat zusammenhält, machtpolitisch denkt und daher Präsident Assad stützt. Die Amerikaner glauben an die Regelkraft der Demokratie ohne Assad, übersehen aber vermutlich, dass in Syrien Fähigkeit zu nötiger Toleranz und Rücknahme erbitterter Gegnerschaft der Gesinnungen strenge Führung und Zeit braucht zum überwachten Frieden, wahrscheinlich sogar eine Militärregierung wie in Ägypten. Dr. Fritz Wambsganz, Uffing

Eskalation ging von Moskau aus

Putins Russland hat in den vergangenen Jahren den Westen herausgefordert, nicht umgekehrt. Mit dem Militärschlag hat der Kremlchef nach dem überraschenden Widerstand der Ukrainer gegen seinen Eroberungskrieg und den immerhin spürbaren Sanktionen durch die EU die dritte und deutlichste Reaktion erfahren. Für ihn ist das gefährlich, denn der starke Mann in Moskau läuft nun Gefahr, als Schwächling dazustehen. Die Eskalation, die den Amerikanern vorgeworfen wird, ging von Moskau aus und könnte durch den Luftschlag und die drohenden weiteren Maßnahmen, möglicherweise abgewendet werden. Bislang hat der Kremlchef zu wenig Widerstand gespürt, um seiner Aggression ein Ende zu setzen. Das könnte sich nun ändern. Alexander Preuße, Göttingen

Eine Propagandaschlacht

Für die EU und die USA scheint klar zu sein, wer der Schuldige für den Giftgasangriff in Syrien ist: Syriens Präsident Assad oder Russland. Nun haben die Russen ihre Version präsentiert und geben den terroristischen Gruppierungen die Schuld. Unabhängig von diesem tragischen Angriff ist deutlich, dass auch Terroristen Giftgas einsetzen und in Kellern Giftgas gelagert haben zur Herstellung von Granaten mit Giftgas. Dann ist zu bedenken, dass die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London keine unabhängige Nachrichtenquelle ist, sondern eindeutig aufseiten der Rebellen steht.

Ich finde es unverantwortlich, wenn in der Presse vorschnell Schuldige genannt werden, ohne auf die Schwierigkeiten des Propagandakriegs mit Nachrichten von allen Kriegsbeteiligten hinzuweisen. Das dient sehr wahrscheinlich nicht zur Wahrheitsfindung. In einem sehr guten Vortrag eines Historikers, der in Damaskus Geschichte und Arabisch studiert hat, wurde uns gesagt: Die Alawiten wissen genau, wenn sie die Macht verlieren, werden sie bestenfalls des Landes verwiesen - oder massakriert. Nach allem, was passiert ist, gibt es kein Pardon. Hass wird das Handeln regieren. Jetzt frage ich Sie, was wird eine Assad-Regierung tun, wenn sie das weiß? An ihrem Stuhl kleben oder freiwillig das Feld räumen? Vielleicht sollten das unsere lieben EU-Politiker, die auf sicheren Stühlen sitzen, auch bedenken. Wir im Westen sind natürlich die moralisch Überlegenen. Aber wir liefern Waffen an Saudi-Arabien, dessen Regierung einen Krieg gegen den Jemen führt. Mit welchen Waffen? Da sind wir natürlich ganz unschuldig. Dieter Loest, Rot am See

Alles möglich

In Syrien kann leider alles möglich/wahr sein, eben auch, dass nicht Assad, sondern Terroristen für den Giftgasanschlag verantwortlich sind. Auf der Suche nach der Wahrheit sollte man es sich nie zu einfach machen, was nicht bedeutet, dass ich Assad nicht für verantwortlich halte, mutmaßlich ist er dafür verantwortlich. Aber eben nur mutmaßlich, genau wie der mutmaßliche Täter, der seine Taten auf Video gefilmt hat. Marion Kniprath, Solingen

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