Steuern:Huch, plötzlich zu viel Geld!

Deutschland habe mehr Steuereinnahmen als je zuvor, hieß es jüngst aus dem Bundesfinanzministerium. Was aber soll mit diesen Steuermilliarden geschehen? Leser - und unser Karikaturist - hätten da ein paar Vorschläge.

Steuermilliarden

SZ-Zeichnung: Denis Metz

"Merkels Obergrenze" vom 13./14. Mai, "Mehr Steuereinnahmen als je zuvor" und "Runter - bloß wie?" vom 12. Mai sowie der "Nimmersatte Staat" vom 9. Mai:

Armutsbekämpfung angehen

Es ist schön, dass Kanzlerin Angela Merkel jetzt also doch das Wort "Obergrenze" zu kennen scheint, wenn auch in einem rein pekuniären Zusammenhang. Ich halte eine Obergrenze im Asylrecht für groben Unsinn, weil das Recht auf Asyl im Grundgesetz fest verankert ist. Es geht Hand in Hand mit Artikel 1 des geweihten Textes, auf dem unsere Werte in Deutschland fußen. Aber eine Obergrenze für Armut kennt Merkel immer noch nicht. Sonst würde sie endlich systematisch in die Bekämpfung derselben investieren.

Schwarze Null ja, keine exzessiven Steuersenkungen von mir aus auch, aber Investitionen, klar konturierte Investitionen, die braucht es jetzt dringender denn je. Das Geld ist da, es ist da für den Arbeitslosen, der eine Brille braucht oder eine aufwendige Zahnbehandlung; es ist da für bessere Fahrradwege an der Peripherie großer Städte; es ist da für alle möglichen Dinge, die Gutmenschen wie Merkel eigentlich tun müssten. Allein, sie tut nichts davon.Sebastian Dégardin, Hamburg

Bezahlbaren Wohnraum schaffen

Steuersenkungen sind für viele Menschen eher sinnlos, da sie keine Steuern bezahlen oder eine nur geringe Ersparnis haben. Profitieren werden von niedrigeren Steuersätzen die hohen Einkommen. Wichtiger sind daher Investitionen in Einrichtungen, die Kosten senken oder Zukunftsperspektiven für die Menschen eröffnen. Hierbei geht es um die Reduzierung der Sozialkosten, die Stabilität einer gerechten Rente, kostenlose Bildungsangebote und vor allem um die Schaffung bezahlbaren Wohnraums.

Der Staat soll sein Geld investieren in die Menschen und natürlich auch in die Infrastruktur, was zu guter Letzt der gesamten Volkswirtschaft zugutekommt. Ach ja, sind da nicht auch Schulden von nicht unerheblichem Ausmaß, die man jetzt verringern könnte, um in schlechteren Zeiten sich eventuell wieder zu verschulden, bzw. viel Geld zu sparen, wenn das Zinsniveau wieder ansteigt.

Dies alles bedeutet mehr Wohlstand für alle. Die Ersparnis von 200 bis 500 Euro jährlich ist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein und führt zu keiner größeren Gerechtigkeit. Burckhard Schirmer, Petershausen

Negativsteuer einführen

Steuersenkungen bei guten Steuereinnahmen - ein verlockender Gedanke. Cerstin Gammelin übersieht in ihrem Kommentar "Runter - bloß wie?" aus meiner Sicht aber drei Fakten:

1. Die Bundesregierung hat eigentlich keine "Schwarze Null" in ihrem Haushalt. Sie hat Schulden bei den Rentnern, sprich der Rentenkasse. Im Jahr 2015 war der Bundeszuschuss für die "Versicherungsfremden Leistungen" um 18,9 Milliarden Euro zu niedrig.

2. Sozialabgaben sind keine Gebühren und keine Steuern. Es sind Beiträge in die Versicherungen, die einen totalen sozialen und finanziellen Absturz bei Krankheit, Arbeitslosigkeit usw. versichern sollen. Es ist ein nicht auszurottender Fehlgedanke, Steuern und Sozialbeiträge in einen Topf zu werfen.

3. Es gäbe schon Möglichkeiten, im Steuersystem die Benachteiligten an einer Entlastung zu beteiligen. Erstens eine "Negativsteuer". Da erhalten die Bürger, deren Einkommen so gering ist, dass sie von der bisherigen Steuertabelle erfasst werden, eine Steuererstattung, wie wenn sie zu viel Steuern bezahlt hätten. Zweitens das "bedingungslose Grundeinkommen". Da erhält jeder einen Betrag, der dann bei höherem Einkommen gegen die Steuerschuld gegengerechnet wird. Über die Höhe der Negativsteuer oder des bedingungslosen Grundeinkommens und deren Finanzierung muss gesellschaftspolitisch gestritten werden. Auch beim Mindestlohn war das so. Nur musste beim Mindestlohn der Staat nicht seinen Säckel aufmachen. Das mussten die Arbeitgeber tragen, was ja bisher auch funktioniert hat. Bedingungslos bedeutet nur, dass ich nicht nachweisen muss, was ich alles besitze. Das reduziert die Neid-Diskussion. Diethard Linck, München

Steuergeschenke verbieten sich

Populisten outen sich, indem sie in Wahlkampfzeiten trotz hoher Schuldenberge Steuersenkungen versprechen. Die Schulden der deutschen öffentlichen Hände betragen jetzt 2200 Milliarden Euro, bei Angela Merkels Regierungsantritt 2005 waren es "nur" 1500. Wenn jetzt die vorhergesagten jährlich überschüssigen elf Milliarden Euro zur Schuldentilgung verwendet werden sollten, so ist dieses nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Dass überhaupt dieser kleine Überschuss anfällt, hat die jetzige Regierung der Schröderschen Agenda 2010, der Münteferingschen Rentenreform und der Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank zu verdanken, sowie dem durch die kriselnden Mittelmeerländer stark geschwächten Euro. Die jetzige Regierung kann nicht davon ausgehen, dass alle diese vier außerhalb ihres Einwirkungsbereiches geschaffenen Faktoren unverändert bleiben; dieses verbietet dauerhaft wirkende Steuergeschenke. Wolfgang Maucksch, Herrieden

Vor großen Herausforderungen

Marc Beise hat in seinem Kommentar "Der nimmersatte Staat" hoffentlich recht damit, dass der Staat, nämlich Bund, Länder und Gemeinden, in Zukunft wahrscheinlich mehr Geld zur Verfügung haben werden. Zur Entfernung des Mittelstandsbauchs bedarf es aber keiner allgemeinen Steuersenkung, sondern nur einer Steuersenkung bei den niedrigen und mittleren Einkommen. Die dadurch entstehenden Mindereinnahmen des Fiskus müssen dann durch eine Erhöhung der Steuern bei den hohen Einkommen ausgeglichen werden. Ich kann Beises Forderung, "der Spitzensteuersatz müsste viel später als heute einsetzen", nicht zustimmen.

Der Staat - und das sind wir alle - braucht nämlich das zusätzliche Geld, das die Steuerschätzer prognostizieren, und zwar unter anderem für eine deutliche Verbesserung der Infrastruktur. Gerade hier wurde in den vergangenen Jahrzehnten nicht investiert, wie es der Zustand vieler öffentlichen Gebäude, aber auch der Autobahnen illustriert. Auch die Integration der vielen Menschen, die jüngst zu uns gekommen sind, bzw. die Versuche, diese wieder heimzuschicken - beim Heimschicken sind sich Merkel und Seehofer ja einig - werden einiges kosten. Die internationalen Gemeinschaften zugesagte Erhöhung der Verteidigungsausgaben sowie der Entwicklungshilfe oder die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft werden weitere Belastungen für die Finanzen des Staates bedeuten.

Trotz dieser sicher auf uns zukommenden zusätzlichen Ausgaben fordert Beise, einerseits die Steuern zu senken und andererseits "auf die Selbstfinanzierungskraft einer ... umfassenden Reform (mit Streichung gewisser Privilegien) zu vertrauen, die Wirtschaftskraft freisetzt und dadurch mehr Steuereinnahmen generiert". Diese Forderung ist verwunderlich, weil meines Erachtens "Selbstfinanzierungskraft" nur eine geschönte Übersetzung für "trickle down effect" ist.

Acht Jahre Ronald Reagan und acht Jahre George W. Bush, die diese These auch vertreten haben, haben keine "Steuereinnahmen generiert", sondern die Schulden der USA vermehrt. Dietram Hoffmann, Überlingen

Staatsquote zurückfahren

Keine der Parteien ist willens, die Staatsquote zurückzufahren, alle bauen ihre Komfortzone weiter aus. Wenn sie wenigstens mit unserem Geld Schulen sanieren würden, den Unterricht zeitgemäß gestalten würden, auch Musik und Sport wieder wirklich anbieten würden, armen alten Menschen einen würdigen Lebensabend ermöglichen würden, hätte ich Verständnis dafür. Das Gegenteil geschieht aber gerade in diesen Bereichen. Die CSU kann ja konsequent sein, wenn sie es wirklich will. Kein Koalitionsvertrag mehr ohne massive Veränderung, die FDP hätte endlich wieder ein Thema. Oder wartet man wieder, bis es zu spät ist und eine andere neue Kraft es vormacht. Dann rennt man hinterher. Jürgen Dorn, Pullach

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: