DER BEGRIFF "BEGRIFFLICHKEIT" ist unserem Leser B. ein Dorn im Auge, und wenn man in Texten dieses und anderer Blätter sieht, wie leichtfertig der Begriff manchmal durch die preziöse Begrifflichkeit ersetzt wird, muss man ihm zustimmen. Wenn Herr B. allerdings meint, es gebe zwischen Begriff und Begrifflichkeit "keine Bedeutungsschattierung", so ist dem mit der zugegebenermaßen vagen Definition zu widersprechen, dass unter Begrifflichkeit die Summe fachsprachlicher Begriffe verstanden wird. Auch ist die Karriere des Wortes nicht so "bizarr", wie Herr B. unterstellt. In Maurer/Rupps "Deutscher Wortgeschichte" werden die Mystiker des Spätmittelalters ins Feld geführt, die mit Bildungen wie begriffenheit oder unbegrîfelicheit "das Reden von Gott und Seele auf eine freie, geistige Höhe" heben wollten. Beim Reden vom Körper war der Terminus übrigens auch schon früh dienlich. Hans von Gersdorff schildert in seinem renommierten "Feldbuch der Wundarznei" von 1517 ff. die menschliche Hirnschale so: "Die grössze des hafens des hyrnschedels / ist grösszerer begrifflicheit an dem menschen dann an eim anderen thyer."
DER "UMKEHRSCHLUSS", zweiter Dorn in Herrn B.s Auge, ist insofern mit dem Quantensprung zu vergleichen, als auch er umgangssprachlich mit einer Lockerheit verwendet wird, die Wissenschaftler schmerzt. Im Main-Echo war kürzlich zu lesen, dass in Bayern 98,9 Prozent der Notarztdienste besetzt seien, was "im Umkehrschluss" bedeute, dass 1,1 Prozent unbesetzt blieben. Von einem echten Umkehrschluss kann da natürlich keine Rede sein; das Ergebnis ist, wie in den meisten dieser Fälle, die Folgerung aus dem Vorgegebenen. Wenn wir das, was bei Wikipedia zum Thema zu lesen ist, recht verstehen, gilt das Metzger-Schild "Hunde haben keinen Zutritt" analog auch für Leoparden. Steht darauf jedoch "Hunde ohne Maulkorb haben keinen Zutritt", können Hunde mit Maulkorb im Umkehrschluss sehr wohl auf Zutritt pochen.