Sprachlabor:Vage und raspelkurz

Wie kommt man als Zeitung eigentlich in den "Hohlspiegel"? Und was ist eine Enallage? Alles Fragen, die sich aus Beschwerden von Lesern über sprachliche Ungeschicklichkeiten ergeben. Hermann Unterstöger klärt auf.

Von Hermann Unterstöger

IM "HOHLSPIEGEL" des Spiegels ausgestellt zu werden ist eine Auszeichnung, die allenfalls mit der "Goldenen Zitrone" oder dem "Bad Sex in Fiction Award" zu vergleichen ist. Einer Kollegin gelang es nun mit dem Satz: "Auch über den mutmaßlichen Täter wissen die Behörden einiges - vieles aber bleibt im Wagen." Die Eheleute M. hätten liebend gern einen Blick in das Behördenauto geworfen, und Leser G. bedauert es sehr, dass im Vagen bleibt, was im Wagen bleibt.

WIE LEUTE zu "raspelkurzen" Haaren kommen, will Leser Th. wissen. Wikipedia zufolge sind Raspeln Werkzeuge "zur spanabhebenden Bearbeitung von relativ weichen Materialien wie Holz, Kunststoff, Horn oder Weichgestein", woraus zu schließen wäre, dass Friseure, die raspelkurze Schnitte anbieten, das weiche Haar spanabhebend bearbeiten. Ein Fehlschluss. Fotos in der Cosmopolitan vom September 2016 lassen vermuten, dass nicht mit Raspeln gearbeitet wurde, sondern mit Scheren. Zur Raspelkürze selbst sagt das Fachblatt: "Wow, das ist eine Ansage!" Dem ist nichts hinzuzufügen.

ENALLAGE? Man denkt dabei vielleicht an eine Hautkrankheit oder eine Position beim Ballett, doch so schlimm kommt es nicht. Die Enallage ist eine rhetorische Figur, bei der die logischen Wortbeziehungen verschoben sind. Daraus ist schon allerlei Lustiges entstanden, etwa der vierstöckige Hausbesitzer, doch gehört auch das Bürgerliche Gesetzbuch hierher, weil schließlich nur die Gesetze bürgerlich sind, nicht aber das Buch. Bei uns wurde Jutta Speidel mit der Aussage zitiert, dass sie jetzt viele "ältere Frauen-Rollen" angeboten bekomme, eine Schreibweise, die Leser Dr. W.-G. als Verhunzung der von Speidel gemeinten "Ältere-Frauen-Rollen" identifiziert. Wer sich bei Enallagen auf klassische Vorbilder hinausreden will, muss vorsichtig sein, denn zu einer Eleganz wie Robert Musil - "die gut sitzende Ruhe seiner Handlungen und seines Anzugs" - wird er es nur selten bringen.

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