Sprachlabor:Sprachpapst Goehte

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Der einzige, der die Würde und Schönheit des guten, alten "dijenige, die", anstelle des umgangssprachlichen, neuen "jene, die" beherzigt, scheint Werther alias Goehte zu sein.

Von Hermann Unterstöger

VOR 100 JAHREN lehrte Maria die Kinder von Fatima ein Gebet, das weltweit nachgebetet wird und das diese Bitte an Jesus enthält: "Levai todas as almas ao Céu, especialmente as mais necessitadas da Tua misericórdia." Die deutsche Fassung lautet: "Führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen." In den Augen unserer Leserin H. hätte sich Maria, wäre sie deutschsprachig gewesen, mit der Formulierung jene, die gewaltig vertan. Ihr geht es "um den konsequent(en) falschen Gebrauch von jener, der respektive jene, die oder jenes, das anstelle von die(jenige), die oder der(jenige), der beziehungsweise das(jenige), das, wie es in den ,hinweisend' gemeinten Fällen heißen müsste." Sie habe, fährt sie fort, in der SZ "gefühlt" noch nie die korrekte Verwendung von diejenige, die gelesen. Gefühl ist zwar alles, wie es im "Faust" heißt, aber in diesem Fall geht es in die Irre: Mühelos lassen sich dem Archiv ein paar Hundert Gegenbeispiele entnehmen.

Zur Untermauerung ihrer These zieht Frau H. den Duden-Band "Richtiges und gutes Deutsch" heran, wo der Gebrauch von jener, der anstelle von derjenige, der als falsch angeprangert wird. Das soll weder bestritten, noch ins Reich der Kleinigkeiten abgeschoben werden. Zu bedenken wäre aber, dass schon in der uralten Duden-Grammatik von 1959 diese Fügung für schwerfällig angesehen und dazu geraten wird, sie durch einfaches wer zu ersetzen: statt Derjenige, der Krawall macht, wird angezeigt also besser Wer Krach macht, wird angezeigt. So bedauerlich es sein mag: Unsere Umgangssprache, auch die anspruchsvollere, hat für die umständliche, amtsdeutsch klingende Wendung so wenig übrig, dass diese fast nur in der parodistischen Floskel derjenige, welcher (für: genau der) weiterlebt.

An der Würde und Schönheit der von Frau H. favorisierten Schreibweise kann indes kein Zweifel bestehen. "Ich gestehe dir gern", schreibt Werther alias Goethe, "dass diejenigen die Glücklichsten sind, die gleich den Kindern in den Tag hinein leben ..."

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