Sprachlabor:Poetische Würde

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Könnte man das "Es" aus "Es steht ein Baum im Odenwald" weglassen? Diese und weitere Fragen werden hier geklärt.

Von Hermann Unterstöger

MIT "ES, ES, ES UND ES" beginnt ein altes Wanderburschenlied, das folgendermaßen weitergeht: "... es ist ein harter Schluss." Für unseren Leser St. ist es schon schwer erträglich, wenn Sätze mit nur einem es beginnen, etwa so: "Es lernen sich auch spätere Ehepartner kennen." Herr St. findet das gesucht, holprig und unbeholfen; er rät zu dieser Fassung: "Auch spätere Eheleute lernen sich kennen." Dagegen ist wenig zu sagen, doch hat dieses Wenige das Gewicht der künstlerischen Freiheit. Um ein abseitiges Beispiel zu bemühen, so kann der Satz "Es steht ein Baum im Odenwald" auch nicht einfach durch "Ein Baum steht im Odenwald" ersetzt werden, es sei denn um den Preis seiner poetischen Würde. Natürlich sind marottenhafte Anfänge mit Es zu vermeiden, aber aus stilistischer Sicht ist nichts dagegen einzuwenden, dass dem eigentlichen Subjekt aus sozusagen dramaturgischen Gründen ein Es als Platzhalter vorausgeschickt wird.

"GELD ODER LEBEN!", sagt der Räuber und beweist damit, dass ihm der Unterschied zwischen anreihenden (kopulativen) und ausschließenden (disjunktiven) Konjunktionen bewusst ist. Die Alternative "Geld und Leben!" wäre sachlich und sprachlich so unprofessionell, wie sie oft auch in Zeitungstexten ist. Leser Dr. S. hält uns ein Beispiel vor: Vom Haus Unilever wurde gesagt, es führe "Marken wie Rama, Magnum oder Knorr", und wenn man's nicht besser wüsste, könnte man vermuten, dass Unilever zwischen Knorr und Magnum hin- und hertaumle. Tut es aber nicht, sondern hat beides.

IHR JURISTISCHES DASEIN verdanken die Aussiedler dem Bundesvertriebenengesetz von 1953. Da er dies weiß, stutzte Leser M., als er bei uns erfuhr, deutsche Aussiedler hätten schon im 17. Jahrhundert in Nordamerika das für seine Milchleistung gerühmte Holstein-Rind gezüchtet. Es waren dies aber Auswanderer, wie schon in Grimms Wörterbuch zu lesen ist: "Amerika ist erfüllt von Auswanderern."Hermann Unterstöger

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