Sprachlabor:Indirekt geredet

Sprachlabor: undefined

Nach der Formel "nach bisherigen Erkenntnissen" folgt kein Konjunktiv. Das lernt man schon in der Journalistenschule. Und trotzdem . . .

Von Hermann Unterstöger

VON DER REDEWIEDERGABE heißt es in Metzlers Lexikon Sprache, sie stehe als besondere kommunikative Handlungsform im Schnittpunkt sprachlich-interaktiver, kognitiver und stilistischer Fragen. Eine von ihnen, eine stilistische, schneidet Leser K. an, und zwar anlässlich dieses Satzes: " Nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei habe es keine Verletzten gegeben." Ob der Konjunktiv habe richtig sei, will er wissen, und wenn Herr K., ein Mann von außerordentlichem sprachlichen Feingefühl, so fragt, ist im Grunde schon entschieden, dass der Konjunktiv falsch ist. Der Konjunktiv ist ein Element der indirekten Rede und wäre an seinem Platz, wenn der Satz so lautete: Polizeisprecher X. ließ wissen, dass es keine Verletzten gegeben habe. Hier aber verhält es sich so, dass dem Berichterstatter die Erkenntnisse der Polizei vorliegen, er also guten Gewissens resümieren kann: Es hat keine Verletzten gegeben. Nach bisherigen Vermutungen des Sprachlabors kommt es zu solchen Hybridbildungen, weil man glaubt, dass auch bei der Redewiedergabe doppelt genäht besser hält.

"NICHT MEHR IN SCHUSS" fühlte sich Leser N., als ihm in einem Text über den Colt "deutsche Expats" über den Weg liefen. Um ihn zu beruhigen, sei kurz erklärt, dass expat ein umgangssprachliches Wort ist, die legere Abkürzung von expatriate (Auswanderer, Ausgebürgerter, ständig im Ausland lebende Person). Fachkräfte, die von ihren Firmen in ausländische Zweigstellen entsandt werden, nennt man so, jedenfalls in Kreisen, in denen man up to date ist, also in Schuss.

ÜBER HARRY ROWOHLT konnte man im Nachruf lesen, er sei in Fritz J. Raddatz' Tagebüchern "von einer Retourkutschen-Armada überrollt" worden. Obwohl mit Armada zunächst jede bewaffnete Macht gemeint ist, wurde das Wort später nur noch für die Streitkräfte zu Wasser verwendet, und so war es denn nicht verwunderlich, dass Leser Sch.-L. "sich fast wie von einem Panzer überflogen" fühlte.

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