Sprachlabor:Halb und halb

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Kann es "zwei unterschiedliche Hälften" geben? Und ist der Ausdruck "aus eigenem Recht" nicht eigentlich falsch? Hermann Unterstöger widmet sich diesen, von Lesern eingereichten Fragen hier in der gewohnt humorvollen Genauigkeit.

Von Hermann Unterstöger

VOR EINEM HALBEN JAHR ging es um die Frage, ob Peter Boch "aus eigenem Recht" oder kraft des Wahlrechts der Bürger Oberbürgermeister von Pforzheim geworden sei. Nun steht ein ähnlicher Fall zur Debatte, nämlich ob die Grünen ihren Anspruch auf einen Sitz im Bundesverfassungsgericht "aus eigenem Recht" geltend machen könnten, und wenn nicht alles täuscht, ist es wieder der Leser B. von damals, der auch jetzt sagt: So geht das nicht, die Grünen haben kein diesbezügliches Recht, und überhaupt ist die Wendung aus eigenem Recht eine falsche und gedankenlose 1:1-Übernahme des englischen Idioms in its own right, das meist mit eigenständig wiederzugeben ist. Aus dem Umstand, dass das Recht allen gehört, es also auch kein eigenes Recht gibt, ist indes kein Verbot der übertragen gebrauchten Floskel "aus eigenem Recht" abzuleiten. Hier ein Beispiel dafür: "Die Pointe des Witzes wie auch das Paradoxale im Ausdruck echten Humors lebt absolut aus eigenem Recht" (Keyserling, Reise durch die Zeit). An die Grenze gelangt man mit einem Satz wie diesem aus der Frankfurter Rundschau: "Köhlmeier erschafft Erzählwelten, die aus eigenem Recht leuchten"; von sich aus hätte völlig genügt. Unser Autor steht übrigens zu seiner Formulierung. Sie bedeute, "dass die Grünen hier - abgeleitet aus den rechtlichen Vorgaben - in der Lage sind, selbst ihren Anspruch durchzusetzen".

"DIE MAUER", hieß es im Streiflicht, "teilte das Land in zwei unterschiedliche Hälften auf." Stellen wie diese ziehen zuverlässig Wortmeldungen zur Gleichheit zweier Hälften nach sich, und so meinte auch Leser W., "in unterschiedlich große Territorien" hätte es besser getroffen. Stimmt und stimmt nicht, weil es in der Sprache auch unscharfe Hälften gibt: "Die Hälfte davon ist gelogen!" Das beste Beispiel bietet Schillers "Kabale und Liebe": "Feierlich wälz' ich dir hier die größte, grässlichste Hälfte zu", sagt Ferdinand zu seinem Vater, und wer aufgepasst hat, weiß, dass es auf 70 bis 80 Prozent hinauslaufen dürfte.

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