ANLÄSSLICH einer Opernaufführung in Frankfurt wurde Karen Vuong vom Kritiker als "chinesisch-stämmige Sopranistin" bezeichnet, was diesem die launige Kritik eintrug, dass der Bindestrich die Assoziation einer im körperlichen Sinn stämmigen Sängerin habe heraufbeschwören können. Hätte der Kritiker chinesischstämmig geschrieben, wäre ihm die Rüge erspart geblieben. Dafür hätte er möglicherweise zu hören bekommen, dass er Frau Vuong leichtfertig als Chinesin einstufe, wo sie doch, bei der in China herrschenden Völkervielfalt, leicht tibetisch-, mongolisch- oder uigurischstämmig sein könne. Leserin M. hat sich mit diesem Thema zu Wort gemeldet, besonders zu dem Teilthema, dass man Menschen, deren Vorfahren aus der Türkei stammen, statt türkisch- besser türkeistämmig nennen solle, weil sie in Wahrheit vielleicht kurdisch- oder armenischstämmig seien. Ein Vergleich ähnlich gebildeter Komposita erbringt nichts Sicheres darüber, ob mit -stämmig die Abstammung von einem Volk gemeint ist, die Herkunft aus einem Land oder die Zugehörigkeit zu einem unter Umständen ungeliebten Staatsvolk. Eine weitere Herausforderung also fürs politisch sensible Denken und Schreiben.
DA HAT AXEL HACKE wieder was angerichtet! Er schrieb von Hosen, aus denen riesige Löcher geschnitten wurden, und brachte damit Leser E. zu der Frage, ob man Löcher aus oder in Hosen schneidet beziehungsweise ob man überhaupt Löcher aus etwas heraus- oder in etwas hineinschneiden kann. Eine Frage wie diese führt ohne Umwege zu Kurt Tucholskys "Soziologischer Psychologie der Löcher", die mit dem paukenschlagartigen Axiom "Ein Loch ist da, wo etwas nicht ist" beginnt und freundlicherweise auch der Ränder gedenkt, die das Loch begrenzen: Diese gehören zur Materie, also zur Hose, haben aber aufgrund ihrer exponierten Lage eine Ahnung vom ewigen Geheimnis des Lochs. In Ermangelung anderer Autoritäten sei die Frage an sie weitergegeben.