Sprachkurse:Kommunikation vor Grammatik

Warum scheitern so viele Flüchtlinge bei den Integrationskursen? Eine Leserin hat eine plausible Erklärung dafür.

Mit großem Interesse las ich Ihren Artikel "Nicht bestanden" vom 18. September über die hohen Abbruch- und geringen Abschlussquoten bei Deutschkursen für Flüchtlinge. Diese hohen Quoten hängen zunächst einmal damit zusammen, dass die Lernenden selber merken, dass sie die Abschlussprüfung nicht schaffen können, wenn sie im Unterricht nicht mitkommen. Dann erst gar nicht hinzugehen, vermeidet den drohenden Gesichtsverlust.

Warum aber können so viele der Lernenden in den Integrationskursen dem Unterricht nicht oder nur schwer folgen? Wie ihr Name schon sagt, zielen die Integrationskurse auf die Integration der Lernenden in unsere Gesellschaft. Diese Tatsache bleibt aber in den Integrationskursen solange ungenügend berücksichtigt, wie der Unterricht von deutscher Grammatik den Löwenanteil der Unterrichtszeit bekommt und Kommunikationsübungen den Grammatikunterricht nur begleiten. Es müsste genau umgekehrt sein! Doch hier liegt ein Trugschluss vor, nämlich dass Kommunikation über die deutsche Sprache (also deren Grammatikregeln) automatisch zur Kommunikation in der deutschen Sprache befähigt. Richtig ist, dass vor allem Kommunizieren in konkreten Zusammenhängen zur angestrebten kommunikativen Kompetenz führt.

Es gibt durchaus Lern- und Lehransätze für den Zweitspracherwerb, bei denen die Kommunikationsübungen, also das Verstehen und das Verstandenwerden in Alltagssituationen, im Mittelpunkt stehen, während die Grammatik, und auch Lesen und Schreiben, erst später im Lernprogramm ihren Platz bekommen. Ich habe als Sprachwissenschaftlerin beim eigenen Sprachelernen nach einem solchen Ansatz erlebt, wie schnell sich der Lernerfolg einstellt und wie motivierend das ist. Er ist international bekannt unter dem Namen GPA (von Englisch Growing Participator Approach). Vor allem im Ausland gibt es Sprachschulen, die mit Erfolg nach diesem Ansatz unterrichten, während er bei uns nur im ehrenamtlichen Bereich und "auf einfachem Niveau" zum Einsatz kommt. Es ist nur zu begrüßen, wenn jetzt von "Experten ein Umdenken" gefordert wird, wie es im Untertitel des Artikels heißt. Nur ein Paradigmenwechsel birgt die Chance, dass Integrationskurse erfolgreich werden können. Langfristig geht es ja um nichts weniger als die Stabilität unserer demokratischen Gesellschaft. Dr. Inge Egner, Möckmühl

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