SPD:Die Qual der Wahl

SPD: SZ-Zeichnung: Michael Holtschulte

SZ-Zeichnung: Michael Holtschulte

Welche Aussagekraft hat eine Landtagswahl wie die im Saarland wirklich für die Bundestagswahl? Und welche Machtoptionen stehen der SPD eigentlich in realiter zur Verfügung? Leserinnen und Leser diskutieren.

"Schulzens Machtoptionen" und "Alternativlos" vom 28. März, "Bremse für den Schulz-Zug" vom 27. März, "Theo Waigel macht Wahlkampf" vom 23. März sowie "Jenseits von Würselen" vom 18./19. März:

Keine Angst vor Roten Socken

Nach der Landtagswahl im Saarland scheint für manchen Beobachter der Höhenflug der SPD gebremst zu sein. Trotzdem bleibt der Anspruch von Martin Schulz auf das Kanzleramt nach wie vor im Raum. Und wenn man nach der nächsten Bundestagswahl nicht wieder auf eine große Koalition angewiesen sein will, muss man in der Tat nach politischen Alternativen suchen und mögliche Machtoptionen der Parteien ausloten. Unbestreitbar ist die Bevölkerung heute politisierter und zu höherer Wahlbeteiligung bereit, nachdem erkennbar wurde, dass das politische Schicksal nicht allein vom Kartell der großen Parteien abhängen muss. Zudem ist ein Bedürfnis nach einem Politikwechsel spürbar, weil eine lebendige Demokratie das Wechselspiel der politischen Kräfte braucht und ein ausgewogenes Verhältnis von Regierung und Opposition lange vermisst worden ist.

Die Frage nach den Machtoptionen der SPD selbst lässt sich relativ leicht beantworten. Will sie sich als klare Alternative zur CDU/CSU profilieren und will Martin Schulz mit dem Anspruch auf politische Führerschaft auftreten, dann darf ein sogenannter Lagerwahlkampf nicht gescheut werden. Zwar gilt ein rot-rotes Bündnis (mit Grün) immer noch als Schreckgespenst, das sich zur Mobilisierung der bürgerlichen Klientel leicht an die Wand malen lässt, aber die Angst davor ist unbegründet.

Heute dürfte eine Rote-Socken-Kampagne keine nachhaltige Wirkung mehr haben. Zwar hatte sie nach der letzten Bundestagswahl 2013 noch den Erfolg, dass sich die SPD furchtsam in die Umklammerung mit der Merkel-Fraktion begeben hatte. Schon damals wurde nämlich das Märchen erzählt, die große Koalition sei "alternativlos", ein Begriff, der zum politischen Schlagwort geriet. Leider wird diese sogenannte Alternativlosigkeit auch heute noch kolportiert und für wahr gehalten, obwohl das damalige Wahlergebnis andere Optionen zugelassen hatte. Hier könnte die Presse zur allgemeinen politischen Bildung noch mit beitragen. Der SPD sei zugerufen: Ohne Mut und Vertrauen in die Kraft der eigenen Überzeugung wird wie im allgemeinen so auch im politischen Leben kein Blumentopf zu gewinnen sein, geschweige denn eine Bundestagswahl. Dr. Hermann Beck, Hof/Saale

Die Mehrheit hätte man gehabt

Dass die SPD nie eine Machtoption hatte, ist falsch. Rot-Rot-Grün hätte im Bundestag eine komfortable Mehrheit für eine Regierungsbildung gehabt. Und für ein konstruktives Misstrauensvotum würde es immer noch reichen. Nein, die SPD will einfach nicht. Denn es ist zum Beispiel durchaus bequem, einen CDU-Finanzminister die "Drecksarbeit" machen zu lassen, wie bei der Griechenland-Krise, und dann in Athen den solidarischen Schulterschluss zu demonstrieren, wie Außenminister Sigmar Gabriel.

Eine starke Kanzlerin in der ersten Reihe enthebt die SPD der vollen Verantwortung und macht es ihr leicht, aus der zweiten Reihe alles besser zu wissen. Solange die SPD mit Kanzlerin Angela Merkel das Bett teilen kann und die warme Decke über die Füße reicht, muss sie sich nicht mit Katrin Göring-Eckardt und Sahra Wagenknecht um die Decke streiten. Manfred Bühring, Flensburg

Saarland - nicht aussagekräftig

Im Saarland sind 540 091 Menschen zur Wahl gegangen. 6561 von ihnen haben eine ungültige Stimme abgegeben, 533 530 Stimmen wurden als gültig gezählt. Das sagt die Landeswahlleiterin. Bremen, Hannover, Essen, Dortmund, Stuttgart, Nürnberg, Dresden und Leipzig haben - jeweils - um die 500 000 Einwohner. Das sagt der Zensus von 2011. Der saarländische Landtag ist ungefähr so groß wie der Kreistag meines Landkreises, der Grafschaft Bentheim. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man ihm, Nürnberg, Leipzig oder Bremen oder einer der anderen Städte bei entsprechendem Wahlausgang eine vergleichbare Strahlkraft zumessen würde.

Was der neue SPD-Vorsitzende Martin Schulz zu Nutz und Frommen oder zum Schaden der Republik beitragen kann, ist jedenfalls mit der Wahl im Saarland längst noch nicht ausgemacht. Lübbertus Rehwinkel, Nordhorn

Fantasien sind zu wenig

Was bleibt netto politisch von der SPD, wenn man Würselen/Schulz abzieht? Nichts weiter als ein geistig-politisches Gebilde, mit einem Sockel der 80er-Jahre. Blaupausen für die Zukunft der Gesellschaft sind nicht vorhanden. Vielen Mandatsträgern/Funktionären der Sozialdemokraten haftet das Etikett des Sprücheklopfers an. Wo ist die gesellschaftlich-politische Handschrift der SPD für die Zukunft? Zum Beispiel generationengerechte sichere Rente, Investitionen in die Infrastruktur, Bildung, der Faktor Nato und die Kosten im Haushalt sowie die Kosten für die Integration von Flüchtlingen. Diesen Korb von Problemen kann auch die Erscheinung von Würselen mit einer Bergpredigt nicht lösen. Hartz IV, der Kniefall vor dem Kapital, soll abgemildert werden - mehr nicht. Der Komet Schulz wird dann verglühen, wenn er die Fantasien nicht mehr erwärmen kann. Susanne Brethauer, Dortmund

In der Minderheit

Was wir gerade anlässlich der Regierungsbildung im Saarland erleben, ist nicht "alternativlos", sondern ideenlos. Schwarz-Rot ist eben nicht die einzig mögliche Konstellation im Saarbrücker Landtag. Wie wär's, wenn auch mal bei uns - wie in anderen Ländern - über die Bildung einer Minderheitsregierung nachgedacht würde? Annegret Kramp-Karrenbauer müsste sich dann als Regierungschefin in einer von der SPD tolerierten Regierung bei jeder Abstimmung um entsprechende Mehrheiten bemühen. Das ist zwar mühsam, aber sicher nicht die am wenigsten demokratische Regierungskonstellation! Und die SPD käme dann endlich aus der Gro-Ko-Falle raus, bei der sie als Juniorpartner in der Regierung erleben muss, wie die CDU ihre Ideen als die ihren verkauft, und bei den nächsten Wahlen dafür immer den Kürzeren zieht. Wolfgang Schief, Herrsching

Guter Tipp

Im Artikel "Theo Waigel macht Wahlkampf" zitieren Sie den ehemaligen Bundesfinanzminister und CSU-Chef Waigel so: "Wer AfD wählt, bekommt das Gegenteil von dem, was er will, nämlich Rot-Rot-Grün." Wenn dem so ist, kann ich nur sagen: Das wäre wunderbar. Danke an Waigel für den Tipp. Da heiligt die falsche Wahl (AfD) die Mittel. Peter Kühn, München

Anderer Effekt

Es ist doch durchaus wahrscheinlich, dass das unerwartet gute Abschneiden der CDU im Saarland auch der dort nicht bestehenden Gefahr einer Koalition mit der CSU zu verdanken ist. Also nicht das Ausbleiben des Schulz-Effekts, sondern das Ausbleiben des Seehofer-Effekts. Michael Schnell, Krefeld

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