Schule:Niedergang der Bildung

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Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, kritisierte jüngst sinkende Anforderungen im Bildungssystem, beschränkte sich allerdings auf das Gymnasium. Leser beklagen den Niedergang auch in anderen Schularten.

"Das Abitur muss wieder schwerer werden" sowie "Raus aus der Sackgasse" und "Geschlossene Gesellschaft" vom 5. März:

An den Kindern versündigt

Seit 37 Jahren bin ich nun Gymnasiallehrer in Rheinland-Pfalz und habe die Veränderung des Gymnasiums und seit einigen Jahren sein schleichendes Sterben aktiv begleitet. Meine Schule liegt im ländlichen Raum. Als ich 1987 dorthin wechselte, gab es in diesem Mittelzentrum eine gute Sonderschule, eine gute Hauptschule und eine gute Realschule neben dem Gymnasium. Die Schüler der fünften und sechsten Klassen besuchten eine gemeinsame Orientierungsstufe, an deren Ende die Laufbahn-empfehlungen in einer Konferenz ausgesprochen wurden. Das System funktionierte sehr gut.

Dann kam die Abschaffung der Verbindlichkeit der Grundschulempfehlungen (Elternwille ausschlaggebend), dann kamen die Inklusion und die Binnendifferenzierung mit dem Resultat, dass die Son- derschule überflüssig gemacht, die Hauptschule dichtgemacht und die Realschule zur "Realschule plus" gemacht wurde, versehen mit dem Schmankerl, dass man dort auch eine Oberstufe einrichten könne.

Aktuell sieht es so aus, dass die "Realschule plus", wie Susanne Klein richtig bemerkt, zur "Restschule" wurde und das Gymnasium die einzige Schule am Ort ist, wo man sozial unauffällige Kinder guten Gewissens anmelden kann. Unser Gymnasium ist heute quasi Gesamtschule, und wir Lehrer sollen das binnendifferenzierend bewerkstelligen. Aber Binnendifferenzierung funktioniert nicht, weil die "Kompetenzschere" sich immer weiter öffnet. Wenn fast alle Abitur machen sollen, dann müssen die Noten "durch die Decke gehen". Wenn alle zum "Gesamtgymnasium" gehen, dann werden die, die es sich leisten können und wollen, ihre Kinder an reale Gymnasien schicken. Ist es zu dieser Entwicklung gekommen, weil unsere Bildungspolitiker Sozialromantiker sind, dann handelt es sich vielleicht noch um eine lässliche Sünde. Geschah es aber primär, um die Kosten für Bildung zu reduzieren, dann hat man sich schwer an unseren Kindern und Jugendlichen versündigt.

Gerd Bottler, Weinsheim

Nichts sehen, hören, sagen

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, kritisiert sinkende Anforderungen im Bildungssystem völlig zu Recht, beschränkt sich allerdings auf das Gymnasium. Als ehemaliger Schulbuchautor einer Mathematikbuch-Reihe einer Hauptschule und Rektor einer Grundschule beklage ich seit über 25 Jahren den sukzessiven Rückgang der Lerninhalte und Anforderungen in allen Schularten, was durch zahlreiche ersatzlose Streichungen von Lehrplaninhalten zu belegen ist. Seit 1980 umfassen die Kürzungen mindestens ein Drittel der damaligen Lernziele! Und niemand ist ernsthaft dagegen: Die Schüler erfreuen sich guter Noten, die Eltern sind zufrieden über erfolgreiche Schulabschlüsse, die Lehrer und deren Vorgesetzte werten gute Schulabschlüsse als Beweis guten Unterrichts - und die Politiker sonnen sich in einer vermeintlich höchst erfolgreichen Bildungspolitik. Etwa nach dem Motto der drei Affen, die nichts sehen, hören und sagen.

Egbert Kuhlmay, Unterföhring

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