Rente:Zu viele Tabus

Auch in diesem Wahlkampf wurden Debatten über Rente und Armut geführt. Aber warum tut sich dennoch nichts? Leser meinen, dass man endlich die "heißen Eisen" anpacken müsse. Zum Beispiel das Rentenprivileg der Beamten.

Karikatur Forum

SZ-Zeichnung: Jan Rieckhoff

"Für ein Alter in Würde" vom 18. September, "Länger arbeiten? Ja" vom 7. September und "Merkels Nein" vom 6. September:

Überkommenes Beamtenprivileg

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Annelie Buntenbach fordert in ihrem Gastbeitrag für die SZ zu Recht einen Kurswechsel und ein Rentenniveau von 50 Prozent des durchschnittlichen Einkommens. Bemerkenswert bei den vorgeschlagenen Maßnahmen ist allerdings das, was fehlt: Eine Aussage zur Einbeziehung von Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung, obwohl die Selbständigen ausdrücklich erwähnt werden.

Die Pensionen der Beamten - 71 Prozent des letzten Einkommens - sind ein überkommenes Privileg, ungerecht und nicht mehr finanzierbar. Österreich und die Schweiz haben es ohne Verlust ihrer Funktionsfähigkeit bereits abgeschafft. Auch Deutschland wird ohne Angleichung nicht auskommen. Der DGB sollte deshalb den Mut zu einer klaren Positionierung finden. Torsten Ermel, Lübbecke

Sockelbetrag bei Erhöhung

Armuts-und Rentendebatten gibt es schon seit Bestehen der Bundesrepublik und sie werden noch die nächsten 50 Jahre für Wahlen missbraucht werden. Ob Mindestlohn, Betriebsrenten, Rentenniveau, Rente mit 63 für wenige und alles andere Geschwätz heute, alle gehen an der Ursache vorbei. Die einzigen Ursachen sind äußerst simpel. Sie liegen einzig und allein in den seit 65 Jahren progressiven Einkommenserhöhungen ausschließlich in Prozent.

Nach jeder Renten- und Lohnrunde werden die Armen ärmer und die Reichen reicher. Die Armen haben noch nie einen Inflationsausgleich bekommen. Null Inflation ist ein Durchschnittswert. Je nach Einkommen unter null bis über zehn Prozent. Die Preise steigen nicht in Prozent, sondern in Euro und Cent. Notwendig wäre bei jeder Erhöhung ein Sockelbetrag für Inflationsausgleich plus eine kleinere prozentuale Erhöhung. Und das seit 60 Jahren. Dann gäbe es die heutigen Probleme nicht, und die "Reichen" würden dabei nicht verhungern. Helmut Kaufmann, Pforzheim

Früher einsteigen

Es ist richtig, wie Alexander Hagelüken schreibt, dass die Renten nur über längere Lebensarbeitszeit finanzierbar sind. Doch meine ich, dass man auch darüber nachdenken sollte, dass eine Verlängerung nicht nur nach hinten - also Richtung 70 - gehen muss. Es sollte vielmehr auch über "nach vorne" nachgedacht werden. Aber da vermisse ich schon seit langem eine ganz simple Rechnung: Wie soll denn ein junger Mensch, der nach abgeschlossenem Studium frühestens mit 26 Jahren ernsthaft ins Berufsleben eintreten und damit in die Rentenkasse einzahlen kann, sonst auf 45 Versicherungsjahre kommen, für die nicht nur Beitragszeiten angerechnet, sondern auch Beiträge geleistet werden? Häufig gehen heute viele junge Leute nach dem Abi erst mal ins Ausland, machen zur Berufsfindung schlecht oder gar nicht entlohnte Praktika, studieren Fächer, die dann doch nicht zum Berufswunsch oder Angebot auf dem Arbeitsmarkt passen und fangen dadurch eben entsprechend später an, in die Rentenkasse einzuzahlen - manche vielleicht erst mit 30. Möglicherweise werden dann daraus zwar die "Manager, Anwälte oder Ingenieure die häufig länger tätig sein möchten". Aber die Rentenkasse retten diese damit nicht. Man kommt sich zwar heute ohne Abitur schon fast zweitklassig vor. Allerdings muss doch nicht jeder Handwerker seine Schullaufbahn mit Abitur beenden, um dann mit bestenfalls 18 Jahren in die Lehrzeit zu starten. Das Abitur macht bestimmt keinen besseren Schreiner oder Installateur aus ihm - Hauptsache er kann was und will lernen und arbeiten! Mein Mann und ich haben mit 16 Jahren - damals galt man mit Mittlerer Reife noch nicht als Schulversager - unsere Lehre (kaufmännisch) begonnen, haben bis zum Rentenbeginn gerne und gut gearbeitet, dabei ordentlich verdient und sind heute (beide 70) mit unserer Rente ziemlich zufrieden. Und des Lebenssinns fühlen wir uns auch nicht beraubt, denn das kommt vielfach davon, dass man sich im Beruf zu unentbehrlich fühlte - und keine Pläne und Wünsche für die Zeit nach dem Berufsleben hat. Traudl Kehrmann, München

Und der Produktivitätszuwachs?

Sowohl im Artikel "Rente - Merkels Nein", als auch in der Videokolumne von Marc Beise gibt es keinen Hinweis auf den Produktivitätszuwachs. Das ist eine absolut unzulässige Unterlassung. Marc Beise sagt: Heute ernähren drei Arbeitnehmer einen Rentner, in 2050 sollen das 1,5 Arbeitnehmer schaffen - das kann offensichtlich nicht gehen. Dem muss ich klar widersprechen. Bei unserer heutigen Innovationskraft ist eine Verdoppelung der Produktivität in 33 Jahren ja wohl eher sehr konservativ prognostiziert. Es geht durchaus. Arno Karl, Darmstadt

Maschinensteuer würde helfen

Alexander Hagelüken wirbt für die Rente bis zum Alter von 70 Jahren und begründet dies mit der demografischen Situation in Deutschland. Er sieht es als zwingend an, dass es zu anderen Belastungen der Arbeitnehmer kommt, wenn die Deutschen nicht länger arbeiten. Warum aber sollen hier wieder einmal nur die Arbeitnehmer gerade stehen? Wie wäre es beispielsweise mit der Einführung einer Maschinensteuer und der Finanztransaktionssteuer, deren Erträge für die Stabilisierung der Renten allemal ausreichen würden und so den Rentnern heute schon eine angemessene Altersabsicherung gewährleistet wäre, ohne diesen Personenkreis auf Grundsicherung/Sozialhilfe zu verweisen? Reinhard Reisinger, Tettenweis

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