Rente:Gigantische Schummelei

Fast ein jeder Meinungsartikel zum Thema Rente in der SZ erfreut sich einer regen Leserreaktion. So war es auch beim Samstagsessay "Eine Regel für die Rente" von Axel Börsch-Supan.

Rente: SZ-Zeichnung: Karin Mihm

SZ-Zeichnung: Karin Mihm

"Eine Regel für die Rente" vom 1./2. Juli und "Die Rente ist sicher, noch" vom 27. Juni:

Verdeckte Besteuerung

Axel Börsch-Supans Artikel hat in vielen Punkten für zusätzliche Klarheit gesorgt. Zwei wichtige Punkt fehlen meines Erachtens aber in der Darstellung: Die Renten in Deutschland sind im Durchschnitt nur halb so hoch wie in Österreich (bei in etwa gleichen Einzahlungen), und zwar weil der deutsche Staat die Rentenkassen wie überhaupt alle sozialen Sicherungssysteme zur verdeckten Besteuerung verwendet. Und das unter Mitwirkung von Politikern, Richtern und sonstigen Beamten, die durch ein "Zweiklassensystem" privilegiert sind und von Rentenkürzungen nicht betroffen sind.

Dieses Modell - "Die gesetzliche Rentenversicherung streckt vor, und der Bund zahlt teilweise später als sogenannten Zuschuss zurück" - ist eine seit vielen Jahren geübte Praxis. Es wurde bei den Renten für die DDR-Rentner, bei den Renten der Russlanddeutschen (um nur zwei dicke Brocken zu nennen), aber auch bei vielen anderen Themen so praktiziert.

Seriöse Berechnungen kommen kumuliert auf ein Defizit von 750 Milliarden Euro bei der gesetzlichen Rentenversicherung. Richtig und ohne Schummelei müsste man sagen: Der Bund hat sich von der gesetzlichen Rentenversicherung Geld geliehen, und es handelt sich um eine Rückzahlung. Ich habe bei der Deutschen Rentenversicherung nachgefragt, wie hoch nach deren Statistiken die hieraus resultierende Unterdeckung (kumuliert) ist und ob der Schuldensaldo - wie es angemessen wäre - verzinst werden würde (der Fiskus kassiert für Steuerschulden bekanntlich sechs Prozent jährlich).

Die Antwort: Es gibt keine Berechnungen hierzu. Das soll man glauben, wo es sonst von der Deutschen Rentenversicherung Statistiken "für alles" gibt? Und angemessene Zinsen zahlt der Schuldner auch nicht. Es handelt sich hier um einen Zig-Milliarden hohen Transfer zu Lasten des Kollektivs der Beitragszahler in der gesetzlichen Rentenversicherung und zu Gunsten von Parlamentariern, Beamten und freiberuflich Tätigen.

Ohne diese Schummelei ständen die Rentner ganz anders da!

Ähnlich ist es übrigens bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Zum Beispiel die Kosten für Flüchtlinge werden von den Kassen (= Beiträge der Versicherten) bezahlt, die Bundesregierung ersetzt rund 50 Prozent. Parlamentarier, Beamte und freiberuflich Tätige beteiligen sich nur zur Hälfte.

Heiner Schütz, Germering

Teil der Lohnnebenkosten

In "Die Rente ist sicher, noch" weist Marc Beise auf einige, wie er es nennt, Irrtümer hin, die in der Diskussion zum Thema Rente im Umlauf sind, und erklärt dankenswerterweise Zusammenhänge des "Renten-Einmaleins". Dabei verfällt er selbst einem Irrtum, der - wahrscheinlich in voller Absicht - mit dem Begriff Arbeitgeberbeitrag suggeriert wird.

Der Arbeitgeberbeitrag ist Teil der Lohnnebenkosten wie alle anderen sogenannten Arbeitgeberbeiträge auch. Wenn der Versicherte nicht wenigstens die Summe seiner Lohn- und Lohnnebenkosten erarbeitete, würde er mit Sicherheit nicht angestellt. Ein Beitrag zu diesem Sachverhalt könnte der Aufklärung eines seit vielen Jahrzehnten gepflegten Irrtums dienen.

Gerhart Baumeister, Hohenbrunn

Politische Kampfzone

Wann begreifen wir, dass Rente nicht vorrangig Rechenwerk, sondern politische Kampfzone ist? Am besten bringt es frei übersetzt der bekannte Spruch aus den USA auf den Punkt: "Es sind immer die Interessen der Wirtschaft - Dummkopf". Als Erstes war die Teilprivatisierung der gesetzlichen Renten ein Riesengeschäft für die Maschmeiers der Finanzindustrie; und zweitens mit der Senkung der Lohnnebenkosten durch beidseitig niedrige Rentenbeiträge von 9,35 Prozent ein Geschenk an die Wirtschaft. Um Altersarmut zu vermeiden, war der Arbeitnehmer aufgefordert, weitere vier Prozent seines Einkommens, alleine also insgesamt 13,3 Prozent, aufzuwenden und in Riester oder ähnlichen Flops zu verbrennen. Damals wurde der Druck auf die Lohnkosten mit der Volksverdummung vom "Kranken Mann Europas" begründet. Das sieht heute mit unseren Exportüberschüssen nochmals ganz anders aus. Zum Nachdenken: Warum gibt es in dem in Wirtschaft und Demokratie absolut vergleichbaren Österreich eine Mindestrente von fast 1000 Euro und eine Durchschnittsrente von 1820 Euro, und damit doppelt so hoch wie in Deutschland?

Rudolf Lukes, Ismaning

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