Rente:Die anderen kriegen's hin, wir nicht

Die Rentenpläne der Koalition wurden jüngst von Experten als unbezahlbar verworfen. Nun soll eine Kommission neue Vorschläge erarbeiten. Leser und Leserinnen werfen der Regierung Untätigkeit vor. Einzige Lösung sei die Verbreiterung der Beitragszahler-Basis.

Altersarmutsrisiko in Nordrhein-Westfalen besonders hoch

Reicht die Rente? Und entspricht sie der Leistung, die man in seinem Leben erbracht hat?

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

"Eine Kommission für die Rente" vom 4. Mai, "Länger leben, später in Rente" vom 28./29. April sowie "Rentenpläne der Koalition 'unbezahlbar'" und "Das größte Problem" vom 24. April:

Unverschämte Mandatsträger

Aus meiner Sicht müssten zunächst versicherungsfremde Leistungen aus der Rentenversicherung entfernt werden; es ist ein Skandal, dass alle Reha-Leistungen durch die Rentenversicherung finanziert werden (allein eine Sucht-Reha kostet leicht einen sechsstelligen Betrag). Erziehungszeiten - heute "Mütterrente" - sollten steuerfinanziert werden, ebenso die "Ostrenten," weil vereinigungsbedingte Lasten.

Geradezu skandalös ist es, wie Amts- und Mandatsträger sowohl im Bundestag als auch im Europa- und den Landesparlamenten sich unverschämte Altersbezüge genehmigen, ohne je einen einzigen Cent einzuzahlen. Zudem ist diese Gruppe - ebenso wie Beamte - vom demografischen Wandel ausgenommen. Ich frage mich, warum der Beitragssatz nicht ab sofort auf 20 Prozent erhöht wird (ist ja wohl die rote Linie für die Konzernverbände) und die Überschüsse zum Beispiel in Wohnungsbau investiert werden, dann hätte die Rentenversicherung künftig eine kapitalgestützte Basis; stattdessen wird der Beitragssatz um mickrige 0,3 Prozent gesenkt, was der Einzelne keinesfalls im Portemonnaie merkt, wohl aber die Konzerne an ihren Profiten für wenige.

Außerdem frage ich mich, warum die Rentenversicherung den Versicherungskonzernen zum Fraß vorgeworfen wurde und unsere Kinder Zusatzversicherungen abschließen mussten. Damit liegen sie schon heute bei einem Beitragssatz weit über 20 Prozent. Übrigens wurden die ersten vier Jahresprämien nur für Provisionen eingezogen.

Daraus ergibt sich die spannende Frage: Wie kriegen das Schweizer und Österreicher hin, wo Renten bei gleichen Einzahlungsleistungen fast doppelt so hoch sind, wohingegen in Deutschland ein himmelschreiendes Ungleichgewicht herrscht?

Dieter Gabriel, Riederau/Ammersee

Alle winden sich

Man kann es nicht mehr hören oder lesen: Die Beitragszahler werden immer weniger, und als "großer Wurf" wird empfohlen, das Rentenniveau unter 48 Prozent zu senken, den Beitragssatz zu erhöhen und auch noch länger zu arbeiten. Dabei ist schon auf den ersten Blick erkennbar, dass die extreme Verbreiterung der Beitragszahler-Basis der Schlüssel ist. Und gerade darum winden sich bei uns alle herum, die nicht in die Rentenkasse einzahlen müssen, also Beamte, Rechtsanwälte, Ärzte, Architekten, Notare, Unternehmer und alle, die über der Beitragsbemessungsgrenze liegen. Kein Wunder also, dass die Abgeordneten mit ihren Pensionsansprüchen um dieses heikle Thema herumfantasieren.

Es ist der Gipfel der Verantwortungslosigkeit, hier nicht umgehend dem Beispiel Österreichs oder der Schweiz zu folgen, da die Politiker ja nicht einmal bereit sind, ein angespartes, kleines Vermögen, zum Beispiel mittels eines Aktienfonds bis zu einer Freigrenze von vielleicht 10 000 Euro steuerfrei zu stellen. Also auch die Eigenvorsorge wird nach einem Ablauf von zehn oder 20 Jahren per Steuer massiv minimiert. Stattdessen wird der Provisionsturbo Riester-Rente beworben, der dem Einzahler bestenfalls das eingezahlte Geld erstattet.

Stellen Sie sich einmal vor, wie Sie bei Ihrer Verrentung schlagartig 52 Prozent Ihres Gehaltes verlieren. Viel Spaß in Ihrem Lebensabend wünscht Ihnen ein getreuer Leser.

Eilhard Mitscherlich, München

Sockelbetrag plus Erhöhung

Die Koalition der großen Versprechungen hatte sich schnell darauf geeinigt, jeder Klientel etwas zu geben, den Rentnern ein dauerhaft hohes Rentenniveau von 48 Prozent und den Beitragszahlern Beiträge, die nicht über 20 Prozent ansteigen sollen. Nach der Plünderung der Rentenkassen, zur Absicherung der Wahlgeschenke, wird der Staatshaushalt in Geiselhaft genommen. Kommende Regierungen werden die Suppe auslöffeln müssen und als unsozial kritisiert werden. Unsozial ist diese Regierung, die mit dem Versprechen angetreten ist, gerechter zu sein und für sozialen Ausgleich zu sorgen.

Die Notwendigkeit, das Rentenniveau nicht absenken zu können, wurde mit dem Hinweis auf Rentner mit niedrigen Einkommen gemacht, deren Renten nicht absinken dürften, um Altersarmut zu bekämpfen. In den Diskussionen um die Rente wurde immer der Eindruck vermittelt, dass Altersarmut ein flächendeckendes Phänomen sei, das bei einer Absenkung nur größer werde. Tatsache ist allerdings, dass das durchschnittliche Renteneinkommen pro Kopf einen auskömmlichen Lebensstandard ermöglicht, insbesondere verglichen mit dem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen der Arbeitnehmer.

Wenn man, was die Noch-Volksparteien tun, nicht auf die eifrigsten Wähler schaut, die finanziell gut abgesicherten Rentner, wie ich einer bin, dann wäre eine Lösung einfach zu finden: Eine Absenkung des Rentenniveaus ist sozial verträglich zu machen, wenn eine Kombination aus Sockelbetrag und - sofern noch Verteilungsmasse da ist - prozentualer Steigerung gewählt wird, aus Tarifverträgen ist das weidlich bekannt.

Damit ließe sich nicht nur Altersarmut in der Breite verhindern, sondern auch Generationengerechtigkeit durch eine Stabilisierung der Beitragssätze fördern. Der SPD gäbe ein solcher Lösungsansatz die Möglichkeit, glaubwürdig Sozialpolitik zu betreiben, und die CDU/CSU könnte bei den Arbeitgebern mit der Stabilisierung der Abgabenlast punkten.

Dr. Hans-Günther Vieweg, Garching

Das zerrüttet den Zusammenhalt

Wenn in der Zukunft die Wertschöpfung verstärkt über Maschinen und künstliche Intelligenz geschaffen wird, müssen die Gewinne abgeschöpft werden und in das Renten- und weitere Systeme umverteilt werden, aus denen die Menschen versorgt werden, die ansonsten nicht an diesen Gewinnen teilhaben. Auch ist über eine Spekulationssteuer nachzudenken, die entsprechend umverteilt werden sollte. Das mag den Ideologen und Vertretern von Wirtschaft und Kapital nicht gefallen, ist aber notwendig, wenn langfristig der Zusammenhalt der Gesellschaft nicht zerstört werden soll. In Frankreich reichte einst die Einführung der Salzsteuer als Auslöser der Revolution. Wächst der Abstand zwischen Arm und Reich weiterhin, wird dies eines Tages unsere Gesellschaft und mit ihr die Demokratie und am Ende auch die Wirtschaft zerstören. Angesichts solcher Perspektiven sollten auch kurzfristig denkende Neoliberale der Umverteilung des gesellschaftlichen Wohlstandes den Vorzug geben.

Udo Ehrich, Bielefeld

Privat vorsorgen überfordert

Es ist eine politische Frage, die hinter der Problematik steht: Wollen wir Wohlstand für alle, oder nur für wenige? Der Kuchen kann auch gerecht verteilt werden, das ist die politische Frage, die dahintersteckt. Erwiesen ist auch, dass eine private Vorsorge von versteuertem Einkommen gerade jene überfordert, die ohnehin wenig zur Verfügung haben. Gängige Rechner, im Internet zu finden, ergeben, dass auch eine Durchschnittsverdienerin je nach Beginn der Vorsorge zwischen 25 Prozent und 50 Prozent des Nettoeinkommens zurücklegen müsste, um im Alter 80 Prozent des letzten Nettolohnes zur Verfügung zu haben. Wie soll das gehen und warum ist es quasi gesetzt, dass die Arbeitnehmer selbst für ihr Alter aufkommen sollen und nicht Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen solidarisch gemeinsam?

Eine Gesellschaft, die die wachsende Zahl der Älteren auch als Konsumenten braucht, muss im eigenen Interesse den Rentenbeitrag auf 25 Prozent steigen lassen und dadurch auch die Arbeitgeber, als Nutznießer der dadurch erhaltenen Konsumkraft, an der Finanzierung beteiligen. Dem stimme ich als Arbeitgeberin vollumfänglich zu.

Katrin Bietz, Lübeck

Hinweis

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch hier in der Digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung und bei Süddeutsche.de zu veröffentlichen.

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