Raumfahrt:Geschichten vom Supermann

Astronaut Alexander Gerst ist im All wieder auf Mission. Leser sind sich nicht einig, was sie davon halten sollen. Die einen sprechen von Geldverschwendung, ein anderer dagegen von einer großartigen, zukunftsträchtigen Leistung.

Astronaut Gerst erreicht Raumstation ISS

Nun schwebt er ein: Der deutsche Astronaut Alexander Gerst auf dem Weg in die ISS.

(Foto: European Space Agency/dpa)

"Außerirdisch" und "Die zweite Mission" vom 6. Juni:

"Außerirdisch" ist endlich ein sachlicher, kritischer Beitrag zu diesem ominösen Thema. Bei 100 Milliarden Kostenschätzung liegt Patrick Illinger allerdings viel zu niedrig, das waren nur die offiziellen Baukosten. Hinzu kommen die jährlichen Kosten für den Betrieb. Und: Von wegen "stepping stone to Mars". Der wirkliche Grund für die Existenz dieses weißen Elefanten ist das Eigeninteresse der sogenannten Raumfahrt-"industrie", die sich hiermit einen Dauerbrenner unterhält. Der Steuerzahler wird mit Geschichten vom Supermann gefüttert. Wie steht es mit der Besatzung von U-Booten? Oder wo bleibt der Mann, der sein Leben lang am Fließband arbeitet und Steuern dieses Unsinns bezahlt?

Hannes Ulrich Walter, Paris/Frankreich

Geld, das dem Sozialstaat fehlt

Die Berichterstattung über die aktuelle "Horizons-Mission" macht mich wütend. Ein Deutscher wird zu einer Weltraumstation geschossen. Der Spaß kostet nicht zuletzt Steuergeld, das dem "Sozialstaat" andernorts fehlt.

Dr. Karl Wolfgang Biehusen, Vorwerk-Dipshorn

Gleicher Effekt in Falltürmen

Der Nutzen der bemannten Weltraumfahrt ist umstritten, und vom britischen Astrophysiker Fred Hoyle ist das Bonmot überliefert, dass die Menschheit damit aufhören wird, wenn sie erst einmal verstanden hat, dass sich die Erde bereits im Weltraum befindet. Wenn die Raumfahrt aber überhaupt einen Nutzen hat, dann auch, weil die dort gefundenen Ergebnisse auf der Erde Anwendung finden können. Christian Gschwendtner schreibt aus Anlass der zweiten Mission von Alexander Gerst, es gälten 400 Kilometer von der Erde entfernt auf der ISS "andere physikalische Gesetze, die Erdanziehung spielt hier praktisch keine Rolle".

Natürlich gelten jedoch (nach unserem Verständnis) auch dort wie überall im Universum dieselben physikalischen Gesetze. Wäre dem nicht so, könnte eine Anwendung der Forschungsergebnisse auf unserem Planeten auch schwerlich gelingen. Gleichzeitig lädt die Formulierung zu dem Missverständnis ein, die "Schwerelosigkeit" auf der ISS würde durch ihren Abstand von der Erde verursacht. Die Stärke der Erdanziehung in 400 Kilometer Höhe ist aber lediglich um etwa zehn Prozent herabgesetzt. Die Bewohner der ISS erleben ihre Gewichtslosigkeit tatsächlich nur deshalb, weil sie eine spezielle Bewegung ausführen: Sie "fallen" auf einer Kreisbahn beständig an der Erde vorbei. Experimente in Falltürmen oder der berühmte Parabelflug erzeugen den identischen Effekt. Weit verbreitet ist hingegen die Vorstellung, dort würde die "echte" Schwerelosigkeit bloß simuliert.

Dr. Oliver Passon, Wuppertal

Großartige Leistung

Patrick Illinger hält in seinem Kommentar "Außerirdisch" zum Start von Alexander Gerst zur Internationalen Raumstation ISS ein Plädoyer gegen die bemannte Raumfahrt. Man solle das Geld lieber in unbemannte Missionen stecken, bemannte Flüge zum Beispiel zum Mars seien nicht mehr zeitgemäß, und die Forschung in der Schwerelosigkeit könne fast vollständig auch ohne Menschen durchgeführt werden. Diese Einschätzung halte ich für zu kurz gedacht. Auch bei Experimenten, in denen es nicht darum geht, dass die bemannte Raumfahrt "sich selbst erforscht", ist die Kreativität und der Einsatz der Astronautinnen und Astronauten gefragt. Der Beitrag eines engagierten und interessierten Experimentators sollte nicht unterschätzt werden.

Aber ganz von der Wissenschaft abgesehen - die internationale Raumstation ISS ist eine der großartigsten Leistungen, die die Menschheit erbracht hat. Eine Technologie, die ursprünglich für Vernichtung und Krieg entwickelt wurde, wird gemeinsam von vielen Ländern eingesetzt, um einen friedlichen Außenposten im All zu unterhalten. Trotz aller politischer Differenzen wird hier tagein, tagaus an einem gemeinsamen Projekt der Menschheit gearbeitet. Sicherlich gibt es noch mehr solche Gemeinschaftsarbeiten, wie beispielsweise das Cern. Aber die ISS ist im wahrsten Sinne des Worts ein herausstehender Leuchtturm, den die Menschen auf der ganzen Welt als hellsten "Stern" am Nachthimmel fliegen sehen können.

Außerdem: Die bemannte Raumfahrt auch über die Raumstation hinaus gibt der Menschheit ein gemeinsames Ziel, das mehr als alle Robotermissionen verbinden und begeistern kann, und an dem wir wachsen werden. Wenn eines Tages eine internationale Crew auf dem Mars stehen wird, wird diese Menschen auf der ganzen Welt repräsentieren und inspirieren, gemeinsam die Zukunft der Menschheit zu gestalten - eine Zukunft, die langfristig nur durch die Besiedlung anderer Planeten gesichert werden kann.

Dr. Mierk Schwabe, München

Friede im All

Eigentlich ist es nicht zu verstehen: Da umkreist der deutsche Astronaut Alexander Gerst nach langwierigem Training im Moskauer Juri-Gagarin-Trainingszentrum gemeinsam mit dem Russen Sergej Prokopjew und der Amerikanerin Serena Aunon-Chancellor in der Internationalen Raumstation ISS die Erde, um auf engstem Raum friedliche Forschungsaufträge zu erfüllen, während sich auf der Erde im Syrienkrieg Russen, Amerikaner und die westliche Welt feindlich gegenüberstehen. Ich wünschte mir, es wäre möglich, Putin, Trump und Co. verbrächten einmal eine gewisse Zeit dort oben in der ISS, um über ihre Probleme auf der Erde diskutieren. Vielleicht kämen sie geläutert zurück und würden nach dem Beispiel der Sojus-Mission eine friedliche Lösung mit auf die Erde zurückbringen.

Henno Heintz, Ismaning

Hinweis

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

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