Polizei:Bitte mit offenem Visier

Erst kürzlich hat der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, im SZ-Interview beteuert, die Polizei habe nichts zu verbergen. Warum aber weigert sie sich dann, eine Identifikation zu ermöglichen, fragen Leser.

Polizei: SZ-Zeichnung: Jan Rieckhoff

SZ-Zeichnung: Jan Rieckhoff

"Die Polizei hat nichts zu verstecken" vom 5./6./7. Januar:

Ein Mindestmaß an Transparenz

Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, hat recht. Die Polizei hat nicht umsonst ein gutes Ansehen in der Bevölkerung. Erst vergangene Woche durfte ich ein hochprofessionelles Auftreten im Rahmen einer Unfallaufnahme erleben. Vielen Dank dafür. Einige wenige zerstören leider das positive Bild. Auf Demonstrationen musste ich einzelne und wenige Beamte (es waren tatsächlich immer Männer) der Polizei dabei beobachten, wie diese Körperverletzungen begangen haben. Eine Identifikation, ob mit Namen, mit Nummern oder durch das Gesicht, war nie möglich, eine Strafverfolgung dadurch ausgeschlossen, wie auch in anderen Fällen eine Anzeige im Sand verläuft.

Malchow schiebt nun alle Polizistinnen und Polizisten zum Schutz dieser einzelnen Fälle vor: Kritisiert man einen, kritisiert man alle. Ich stelle mir dabei zwei Fragen: Sind alle Polizisten damit einverstanden, dass sie trotz ihres einwandfreien Verhaltens für den Schutz der schwarzen Schafe herhalten müssen? Und warum werde ich, wenn ich einzelne kritisiere, gefühlt in die Ecke gestellt? Für nichts anderes plädiert Malchow. Als Bürger alimentieren wir Polizistinnen und Polizisten in besonderer Weise, ich mache das mit meinen Steuern gern. Aber dafür verlange ich ein Mindestmaß an Transparenz. Straftäter in der Polizei, wie wenige es auch sein mögen, will ich nicht alimentieren. Ulrich Rückmann, Landau

Wovor hat man Angst?

Was für eine bräsige Dickfelligkeit wird hier sichtbar! Wenn man die Ausführungen des rhetorisch gut geschulten Oliver Malchow verinnerlicht hat, ist man fest davon überzeugt, dass der Student Benno Ohnesorg an Altersschwäche gestorben ist und Oury Jalloh aus purer hinterhältiger Verschlagenheit und, um die Polizei in Misskredit zu bringen, sich - gefesselt an Händen und Füßen - zuerst mit Benzin übergossen und dann angezündet haben muss. Engelsgleiche Gestalten in Polizeiuniform können an diesen Vorfällen keine Schuld tragen. Wenn die Polizei sich so gesetzestreu und bürgernah verhält, dass nur "Ausrutscher" passieren - warum wird eine Ahndung um jeden Preis verhindert? Transparenz durch Namensschilder - ist das so gefährlich für den inneren Polizeifrieden? Um was geht es, Schutz der Bürger oder Schutz einer inneren Machtstruktur? Es gibt Bürger, die noch der Polizei vertrauen. Schade, dass die Polizei den Bürgern nicht traut. Gabriella und Dr. Wolf-Dietrich Rehding, Neu Wulmstorf

Stärken und Schwächen

Die Behauptung ist nicht ganz schlüssig, dass die Polizei nichts zu verstecken hat, wenn andererseits das einzige Instrument des Bürgers, gegen übergriffige Beamte vorzugehen, verweigert wird. Ermittlungen gegen "einen Beamten aus irgendeiner Einheit", wenn sie überhaupt konsequent durchgeführt werden, verlaufen in der Regel im Nichts, weil es auch schwierig ist, aus einer anonymen Masse eine konkrete Person herauszufinden. Auch aus diesem Grund hat der Staat das Vermummungsverbot für Demonstrationen eingeführt, um bei Rechtsbrüchen bei einer Demonstration die Ermittlung der Täter zu erleichtern. Wenn aber der Staat davon ausgeht, dass bei einer Demonstration Rechtsbrüche vorkommen können, und wenn anzunehmen ist, dass Polizisten auch nicht dagegen gefeit sind, gegen Gesetze zu verstoßen, muss auch die Möglichkeit geschaffen werden, hierzu Ermittlungen zu erlauben. Da aber die Polizisten bei derartigen Einsätzen im Regelfall "vermummt" sind, ist eine Identifikation nur durch eine Nummer oder durch einen Namen möglich.

Was ein Übergriff ist und was zur im Rahmen des Einsatzes oder aufgrund der Lage "notwendigen Härte" gehört, sollte in einem Rechtsstaat nicht die ausführende Gewalt selbst, sondern die Justiz beurteilen. Und da bei uns nicht "die Polizei", sondern gegebenenfalls einzelne Beamte schuld sind, muss die Identifikation möglich sein. Nur wenn die Polizei mit offenem Visier arbeitet, kann das Vorurteil, dass die Polizei generell zu Gewalt neige, abgebaut werden. Polizisten sind ein Abbild der Gesellschaft mit all den Schwächen und Stärken. Ihr Job ist zum Teil sehr schwer. In bestimmten Stresssituationen neigen Menschen zu Überreaktionen. Aber gerade die, welche diesen Situationen nicht gewachsen sind, und jene, die grundsätzlich zu unberechtigter Gewalt neigen, sollten nicht auf die Bürger losgelassen werden. Es ist sicher eine Minderheit, die zu den letztgenannten Beamten gehört. Auch ein Gewerkschaftsvorsitzender sollte das Bestreben haben, diese Leute herauszufiltern, um einen Imageschaden zu vermeiden. Ein Namensschild bedeutet nicht automatisch die Bestätigung der Schuld, sondern die Möglichkeit, das Verhalten einzelner rechtsstaatlich beurteilen zu können. Thomas Spiewok, Hanau

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