Naher Osten:So einfach ist es nicht

In "Flucht in den Krieg" zeichnete Najem Wali zur Erklärung des Konflikts zwischen Saudi-Arabien und Iran um die Vormachtstellung im Nahen Osten ein Schreckgespenst für die ganze Region. Aber warum?

"Flucht in den Krieg", 8. April:

Was verspricht sich Najem Wali davon, für die Erklärung eines überwiegend rein machtpolitisch motivierten Konflikts um die Vormachtstellung im Nahen Osten zwischen Saudi-Arabien und Iran das Bild eines Schreckgespenstes apokalyptischen Ausmaßes für die gesamte Region zu zeichnen und sich dabei Stereotypen zu bedienen, bei denen sich Islamgegner jeglicher Couleur die Hände reiben? Zwischen Marokko und Iran zerbricht man sich also darüber den Kopf, ob Frauen Auto fahren dürfen, ob Tod durch Strang, Auspeitschen, das Abhacken von Füßen und Händen oder Steinigung rechtens sei? Regime schüren Konflikte und Kriege, damit die Menschen von den eigentlichen Problemen abgelenkt werden? Wali beschreibt damit vielmehr Zustände, wie man sie in Saudi-Arabien vorfindet und in Teilen Irans.

Was aber haben diese in der Tat verurteilungswürdigen Zustände mit dem Rest der arabischen Länder zu tun, auf die sich Wali bezieht? In einem hat Wali recht: Das hat nichts mit den Zielen zu tun, für die junge Menschen vor vier Jahren auf die Straße gegangen sind. Das konnte es auch gar nicht, denn sie sind in Tunesien, Ägypten, Syrien auf die Straßen gegangen, wo es diese martialischen Strafen gar nicht gibt. Die jungen Menschen sind für ihre politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheit und gegen Korruption, Vetternwirtschaft und ökonomischen Missstände auf die Straße gegangen. Es ging ihnen - so banal das klingt - um ein besseres Leben nach jahrzehntelanger Misere und Unterdrückung durch korrupte Diktatoren. Dafür kämpfen sie noch immer. Und leider sind in einigen Regionen - allen voran in Syrien, Irak und Jemen - Konflikte aufgebrochen, die sich anhand religiöser Linien definieren. Dabei aber spielen nicht theologische Grundsatzfragen eine Rolle, sondern Machtkonflikte, die man über die religiöse Zugehörigkeit zu legitimieren versucht.

Den Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran als eine Art Racheakt auf die Schlacht von Qadisiyah zurückzuführen ist mehr als abenteuerlich. Es ist offenbar der verzweifelte Versuch, eine Region, in der einige Länder auseinanderbrechen und sich Konflikte zeigen, bei denen es einem in der Tat schwindlig werden kann, wenn man versucht, sie durchschauen, auf eine einfache Erklärung zu reduzieren. Genau so, wie es einige westliche Länder seit Jahrzehnten immer wieder machen und sich dann wundern, wenn diese Erklärungsmuster vor Ort nicht standhalten. So wie die USA glaubten, Demokratie nach westlichem Strickmuster in den Irak hineinbomben zu können. Dabei blendet man aber die Vielschichtigkeit und die Interessen, Wünsche und Bedürfnisse der Menschen in der Region zwischen Marokko und Iran völlig aus. Lutz Jäkel, Berlin

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