Mobbing:Verantwortung der Eltern

Wie kommt Mobbing zustande? Das wurde nach dem Amoklauf in München in der Zeitung diskutiert. Auch Leserinnen und Leser befassten sich ausführlich mit diesem Thema. Eine Psychotherapeutin antwortet nun auf deren Thesen.

"Veraltete Thesen" vom 31. August:

Wolfgang Schmidbauers Thesen zu den Ursachen von Mobbing wurden von manchen Lesern als veraltet kritisiert - in deren Antworten kann man aber wiederum sehr vereinfachende Tendenzen entdecken: Für Mobbing ausschließlich die "negative Gruppendynamik" verantwortlich zu machen, widerspricht jeder Lebenserfahrung - auch wenn es im Einzelfall tatsächlich einmal vorkommen kann, dass jemand zufällig zum Opfer wird. In der Regel ist es aber ein komplexes Zusammenspiel von Faktoren, zu denen selbstverständlich auch die Erfahrungen mit den primären Bezugspersonen, sprich der Familie, gehören - diese Mechanismen sind seit Jahrzehnten bekannt und durch Studien belegt. Werden diese übersehen aus der Furcht, die damit verbundene Tragik zu erkennen und womöglich "Schuldige" benennen zu müssen, engt dies die Beurteilung ein und unter Umständen auch die therapeutischen Möglichkeiten.

Besonderen Widerspruch erntete Schmidbauers Äußerung, der Glaube, "Gutes" per Gesetz verordnen zu können, sei "eine typische Schwäche der Moderne" - womit er sich hier speziell auf die Abschaffung des elterlichen Züchtigungsrechts im Jahr 2000 bezog. Die Folge sei unter ungünstigen Umständen der Rückzug vom Kind und die vermiedene Auseinandersetzung zwischen Eltern und Kind. Der Kriminologe Christian Pfeiffer kontert mit Statistiken, die zeigen, dass seither alles viel besser geworden ist - dass sich nämlich ein zunehmender Anteil der Kinder zu Hause liebevoll behandelt fühlt und dass die Jugendgewalt deutlich zurückgegangen ist.

Keiner wird bestreiten, dass diese Gesetzesänderung gesellschaftspolitisch überfällig war und wegweisend für einen humaneren Umgang unter den Generationen. Nur funktioniert so etwas nicht immer reibungslos: Pfeiffer räumt selbst ein, dass Eltern, die auf Schläge verzichten, mehr "kommunikativen Aufwand" brauchen, um die Regeln des Zusammenlebens zu vermitteln. Es ist die Frage, was Eltern tun, wenn sie dies nicht leisten können - weil sie es selbst nie gelernt haben, krank oder anderweitig belastet sind. Ein "Rückzug vom Kind" kann hier durchaus beobachtet werden - jedenfalls, was fällige Auseinandersetzungen angeht - und die sich selbst überlassenen Kinder lernen es nicht, auf reifere Weise miteinander zu kommunizieren. Dr. Eva Wichmann, München

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

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