Mietpreisbremse:Interessenkonflikte und andere Widrigkeiten

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Warum wird nicht genug Bauland ausgewiesen? Wieso gibt es keine Sanktionen, wenn man sich nicht an die Mietpreisbremse hält? Fragen über Fragen, von Lesern gestellt. Aber sie haben auch Antworten.

"Teuer wohnen" vom 26. Mai und "Mietpreisbremse wirkt nicht" vom 22. Mai:

Ohne Sanktionen geht es nicht

Die Verordnung der Mietpreisbremse war von Anfang an ein tot geborenes Kind. Dieses Gesetz wurde doch nur zusammengeschustert, um den Koalitionsfrieden zu wahren und den Koalitionsvertrag umzusetzen. Die eine Partei wollte etwas für ihre Klientel Mieter machen, was der Koalitionspartner partout nicht wollte. Was macht man also? Ganz einfach, man gestaltet das Gesetz so, dass es nicht funktionieren kann. Jedes Gesetz ohne Konsequenzen bei einem Verstoß und ohne Kontrolle kann nicht funktionieren. Genau das hat man mit der Verordnung gemacht.

Da darf sich die SPD auch nicht wundern, wenn sie für derartige Gesetze, die als große Errungenschaft für die Mieter verkauft wurden, nun beim abzusehenden Misserfolg von ihren Wählern abgestraft wird. Der Koalitionspartner wird dagegen von seiner Klientel belohnt, da er ja etwas verhindert hat, was diese nicht wollte. Günther Gültling, München

Bauland ausweisen

Alle paar Monate schreibt die SZ mit empörtem Unterton darüber, dass die Mietpreisbremse nicht funktioniert - meist in Verbindung mit der Forderung, dass die Regierung eine schärfere Mietpreisbremse beschließen möge. Dabei wird ignoriert, dass die einzig wirklich effektive Maßnahme darin besteht, dass die Gemeinden mehr Land als Baufläche definieren oder städtische Verdichtung zulassen. Möglich wäre das jederzeit, es könnte in wenigen Monaten umgesetzt werden. Investoren gibt es genug! Das Problem liegt darin, dass die Stadträte und Gemeinderäte die erforderlichen Beschlüsse nicht fassen - meist weil es massive Bürgerproteste gegen jedes neue Baurecht gibt.

Es geht also nicht um die Verschärfung ohnehin untauglicher "Mietpreisbremsen", sondern um die Überwindung des Interessenkonflikts zwischen den Alteingesessenen (die meist in einer eigenen Immobilie wohnen und gegen neues Baurecht protestieren) und den Mietern, die unglaublich hohe Mieten zahlen müssen. Dr. Erk Thorsten Heyen, Starnberg

Ein komplexes Gebilde

Man kann es nur wiederholen, auch wenn es ungern zur Kenntnis genommen wird: Die Mieten werden zwangsläufig weitersteigen. Die Misere des Wohnungsmarktes ist hausgemacht und die Folge jahrzehntelanger politischer Fehlentscheidungen. Die seit dem Bundestagswahlkampf 2013 ständig mitschwingende Hintergrundmelodie des geldgierigen Vermieters ist opportunistisch und wohlfeil, denn vielfältige strukturelle Ursachen werden verschwiegen. Die Mietpreisbremse ist das Feigenblatt für dieses Versagen.

1. Die öffentliche Hand beziehungsweise der Staat hat sich aus dem sozialen Wohnungsbau verabschiedet. Nirgends wird greifbarer, wie schlecht die gewählten Politiker(innen) die Interessen insbesondere der unteren Einkommensgruppen - die ja in der Regel Mieter sind - vertreten haben.

2. Seit fast 25 Jahren müssen die Haushalte von Lohnabhängigen Reallohnverluste hinnehmen. Wenn nun Wohnen teurer wird, verschiebt sich das interne Verhältnis des Haushaltsbudgets. Der Teil, der dem unmittelbaren Konsum zur Verfügung steht und der als Wohlstand erlebt wird, schrumpft. Hauptpreistreiber sind beim Wohnen - mit Ausnahme bestimmter Ballungsgebiete - jedoch nicht die reinen Mietkosten. Sie sind rechnerisch seit 2000 eher gering mit durchschnittlich 1,1 Prozent gestiegen. Vielmehr sind es betriebsbezogene Steigerungen, so sind die Energiekosten seit 2000 um etwa 80 Prozent gestiegen.

3. Ungeklärt ist, was unter dem Schlagwort "bezahlbares Wohnen" verstanden werden soll. Der Vorschlag, eine Wohnkostenbelastung von einem Drittel des Haushaltseinkommens als bezahlbar anzusehen, dürfte für die betroffene Zielgruppe ins Leere laufen, da Neubaumieten von acht Euro pro Quadratmeter für ein Drittel der Lohnabhängigen kritisch beziehungsweise zu hoch sind.

4. Völlig ignoriert wird, dass es einen erheblichen Sanierungsbedarf im Gebäudebestand gibt. 65 Prozent der Wohnungen sind älter als 35 Jahre. Die Diskussion wird beherrscht von der Debatte um die Energieeffizienz und die Einsparung. Allein die Energieeinsparverordnung EnEV trägt aber erheblich zu den Kostensteigerungen im Neubau bei. Sie soll seit dem Jahr 2000 zwei Drittel der Preissteigerung im Wohnungsbau verursacht haben. Doch dürfte es gerade im Bestand Dringlicheres geben. Es ist zwar schön, wenn eine Solaranlage auf dem Dach steht und die Fassade isoliert wurde. Die sanitären Installationen und die Elektrik müssen aber auch erneuert werden. Denn die Ansprüche der Mieter steigen.

5. Der Mietmarkt ist geprägt vom Amateurvermieter. Mehr als 50 Prozent der Mietwohnungen werden von Privatpersonen angeboten, die zwischen einer und fünf Einheiten vermieten. Diese Gruppe der Anbieter zeichnet sich durch eine gewisse Altersstruktur, einen Lebenszeithorizont und spezifische finanzielle Möglichkeiten aus. Sanierungen werden häufig kreditfinanziert bei Sanierungskosten von 700 bis 900 Euro pro Quadratmeter. Bei Amortisationszeiten von zehn und mehr Jahren ist das mit sieben Euro nicht zu machen. Thomas Hartmann, Mannheim

© SZ vom 02.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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