Leipzig:Streit ums Bild

An der Universität Leipzig tobt ein Streit über die Hängung zweier Wandgemälde von Werner Tübke und Reinhard Minkewitz. Ein früherer Rektor der Uni und der Kustos der Uni-Kunstsammlung schildern ihre Sicht der Dinge.

Der Artikel "Auf der Bühne der Zeiten" vom 30. März von Jens Bisky über die Auseinandersetzung an der Universität Leipzig um die Hängung der Wandgemälde von Werner Tübke ("Arbeiterklasse und Intelligenz") und Reinhard Minkewitz ("Aufrecht stehen ...") belegt, dass die Komplexität der Verhältnisse in der DDR der späten 1950er-Jahre die Differenzierungsmöglichkeiten des Autors übersteigt. Man kann nämlich im Hinblick auf das Minkewitz-Bild sehr wohl fragen, ob Vertreter des studentischen Widerstands wie Belter oder Ihmels mit damals arrivierten Professoren wie Bloch und Mayer als SED-Opfer auf eine Stufe gestellt werden sollten, ohne gleich der "Verblödung" bezichtigt zu werden: Diese Studenten gingen existenzielle Risiken ein und bezahlten ihre kritische Haltung mit dem Leben, die Professoren wirkten, Bloch als Nationalpreisträger, bei aller späteren Kritik zunächst systemstabilisierend und blieben in der Bundesrepublik, als ihnen die Verhältnisse in der DDR nach dem Mauerbau nicht mehr passten. Ob die Kunst für diese Debatte die richtige Projektionsfläche darstellt, darf bezweifelt werden. Immerhin: Während die Studenten in der Tat, dem Bildtitel entsprechend, "aufrecht stehen", sind Bloch, Mayer und Loest sitzend dargestellt; Loest ohne jeden Bezug zur Universität.

Minkewitz schildert die 1950er-Jahre aus der Perspektive des späten Loest, der in den 1950ern strenger Parteigenosse war. Demgegenüber ist das Tübke-Bild "Arbeiterklasse und Intelligenz" ein problematisches, aber authentisches Produkt seiner Entstehungszeit der 1970er. Seine ideologische Belastung liegt auftragsgemäß auf der Hand. Seine Wiederaufstellung im Neubau der Universität ist im Kontext eines campusübergreifenden Kunstkonzepts der Universität zu sehen, das mit den noch vorhandenen Kunstwerken die Geschichte der Universität Leipzig vom Mittelalter bis heute erzählt. Warum sollte die DDR-Zeit ausgeblendet werden? Bei entsprechenden zeitgeschichtlichen Kenntnissen müsste ein aufgeklärter Mensch in der Lage sein, das Bild kritisch zu reflektieren. Es kommt hinzu: Das Tübke-Bild ist ein anerkanntes Hauptwerk der Leipziger Schule, das Minkewitz-Bild muss seine kunsthistorische Bedeutung vor der Fachwelt erst noch erweisen. Prof. Franz Häuser, ehemaliger Rektor der Universität Leipzig, Prof. Rudolf Hiller von Gaertringen, Kustos der Kunstsammlung der Universität Leipzig

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