Landwirtschaft:Es war einmal ... Natur

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Stefan Klein hat jüngst im Buch Zwei über sein verlorenes Idyll in der Uckermark geschrieben. Leser pflichten ihm bei und erzählen in Briefen von ihren Erlebnissen. Eine Leserin mahnt, nicht nur die Bauern für die Missstände verantwortlich zu machen.

Zeichnung: Denis Metz (Foto: Denis Metz)

"Wider die Natur" vom 11./12. November:

Nicht nur unwirtliche Städte

Autor Stefan Klein trifft den Nagel auf den Kopf: Uckermark ist überall, wo industrialisierte Landwirtschaft regiert. Zumal wo aus Landwirten auch noch Energiewirte geworden sind. Alexander Mitscherlich würde heute wohl nicht mehr nur die Unwirtlichkeit der Städte beklagen. Noch tragischer ist, dass nun auch die agrarisch genutzten Landschaften drumherum nicht nur die Kleinlebewelt, sondern jeglichen Charme, auch jeglichen Erholungswert verlieren. Das Landschaftsbild, die Landschaftsästhetik: Sie gelten halt nur mehr als "weiche Kriterien", leicht auszuhebeln bei jeder Ausweisung von Flächen für Windenergieanlagen, Fotovoltaikfelder und für die Biogasanlage. Es rächt sich jetzt, dass Heimat-, Landschafts- und Artenschutz selbst nach Ansicht der Umweltverbände gegenüber dem (Totschlag-)Argument des Klimaschutzes zurückzutreten haben. All dies, ohne dass sich unsere CO₂-Bilanz spürbar hätte verbessern lassen. Mit Heimatministerien allein wird sich die fortschreitende Landschaftszerstörung nicht ausbremsen lassen. Wolf Hockenjos, Donaueschingen

Verunreinigte Quelle

Auch wir wohnen auf dem Land, etwa einen Kilometer vom nächsten Dorf entfernt auf einer Waldlichtung im Ostalbkreis, in einem alten Bauernhaus mit eigener Quelle. Die Beobachtungen von Stefan Klein kann ich nur bestätigen. Zum Rückgang der Vogelwelt gehören auch die Nachtvögel, die Eulen und Käuzchen, die wir früher rufen hörten. Und das Unhörbare und Unsichtbare: das Wasser. Unsere Quelle hat seit drei Jahren einen so hohen Nitratgehalt, dass wir viel Geld dafür ausgeben müssen, die Verunreinigung von einer speziellen Firma beheben zu lassen. Das bedeutet doch, dass wir mit unseren Steuergeldern wenigstens doppelt für eine völlig falsche Agrarpolitik bezahlen.

Unverständlich bleibt ob der Dringlichkeit des Themas, dass es in öffentlichen Medien nicht mehr Raum einnimmt und beim Bundestagswahlkampf so gut wie keine Rolle spielte. Es gehört in die Schulbücher und in die Ausbildung von Landwirten. Oder in die Talkshows in allen Sendern. Trotzdem freue ich mich über die Vögel, die seit gestern wieder unser Futterhäuschen besuchen, auch wenn die Artenvielfalt bei meiner alljährlichen Zählung um 50 Prozent zurückgegangen ist. Annegret Schatz, Täferrot

An Biogas ist nichts bio

Hätten die Verhandler der "Jamaika"-Runde den Artikel "Wider die Natur" von Stefan Klein gelesen, müssten sie bei klarem Verstand eine einschneidende Agrarwende in ihre Verträge hineinschreiben. In der Uckermark und anderswo grassiert die Vergewaltigung von Grund und Boden zugunsten der maximalen Renditemaximierung. Besonders perfide ist der massenhafte Anbau von Mais, Zuckerrüben und anderen Gewächsen ausschließlich für den Betrieb von Biogasanlagen. Dabei ist der Strom aus Biogas (was ist daran "Bio"?) von allen "erneuerbaren" Energiearten der teuerste. Mais etc. muss angebaut, transportiert - oft aus einer ganzen Region mit Monstertrucks angekarrt - und in riesigen Fahrsilos gelagert werden. Sonne und Wind sind dagegen kostenlos.

Zur Agrarwende gehört im gesamten Bundesgebiet das Zurückfahren der Massentierhaltung. Eine Überproduktion an Gülle vergiftet Gewässer und Böden. Dazu pumpen noch holländische Gülletanker ihren Dreck in Norddeutschland ab. Fleisch- und Eier-Skandale wechseln sich in den Schlagzeilen ab. Das beliebte Argument von den so wichtigen Arbeitsplätzen macht die politischen Entscheider über die Standortgenehmigungen blind für die nachfolgenden Umweltschäden. Statt qualifizierter Arbeitsplätze entstehen billige Leiharbeiter-Stellen, die dann von Sub- und Sub-Sub-Unternehmern mit vorzugsweise armen Osteuropäern belegt werden. Ach ja, das Tierwohl ist ja auch ein Thema. Methangas von den vielen Rindern ebenfalls, eine der Ursachen des Klimawandels.

Tierfutter stammt in erheblichem Maß nicht aus dem Umland der Mastbetriebe, weil schon das Biogas bedient werden muss, sondern wird zum Beispiel aus Brasilien importiert. Wenn ich in der Gruppe der "Jamaika"-Verhandler den noch amtierenden Landwirtschaftsminister Christian Schmidt sehe, habe ich wenig Hoffnung, dass auch nur ein Hauch von Agrarwende kommt. Denn unsichtbar stehen hinter ihm die mächtigen Lobbyisten der Bauernverbände und der Agrarindustrie. Albert Kerler, Eresing

Wir brauchen zu viel Energie

Mit großem Interesse habe ich den Artikel gelesen, da ich selbst seit einigen Jahren auf dem Land lebe. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass es nicht sinnvoll ist, Landwirte und Stadtmenschen zu Gegnern zu stilisieren. Meiner Ansicht nach könnte es sogar umgekehrt sein: der Landwirt ist der Gute und der Autor der Böse. Kauft er denn bereits teurere, regional erzeugte Lebensmittel, um den Landwirten eine Perspektive jenseits von Verpachtung und Energiepflanzenanbau zu bieten? Die meisten Landwirte wählen den Verkauf oder die Verpachtung an Großbauern, die Energieerzeugung betreiben, weil sie sonst im Land der billigen Nahrungsmittel nicht überleben können.

Der einzelne Landwirt kann wegen der Vergütungssituation nicht anders handeln und ist deshalb wohl kaum der Schuldige. Hinzu kommt die politisch gewollte Flächennutzung. Mit Luftbildern werden landwirtschaftliche Flächen bewertet. Wenn eine feuchte Senke oder ein Baum oder Büsche zu erkennen sind, wird diese Fläche aus der Ausgleichszahlung herausgerechnet. Dabei sind genau solche Flächen für die Wildtiere sehr wichtig.

Wir alle verbrauchen viel zu viel Energie. Das meiste davon müssen wir bei "Schurkenstaaten" teuer kaufen, weshalb die Politik vernünftigerweise nach Alternativen sucht. Wind und Sonne sind zu wenig verlässlich. Energiepflanzen bieten einen guten Lückenfüller und ein Auskommen für Betriebe im ländlichen Raum. Wegen unseres maßlosen Verbrauchs an Energie wird dafür jeder Quadratmeter gebraucht. Dass eine Tierart ausstirbt, scheint uns Menschen weniger wichtig zu sein als billiger Strom und Treibstoff. Wir sind also gefordert, viel weniger Energie zu verbrauchen und neue Erfindungen in diesem Bereich nicht dauernd zu verhindern. Ja, Windräder stören den Alpenblick. Ja, ein Stausee ist nicht so hübsch wie ein Gebirgsbach, aber wir sind eben nicht nur Touristen, sondern unsere Lebensweise hat Auswirkungen auf die ganze Landschaft. Ilona Mennerich, Glonn

Schluss mit dieser Förderpolitik

Der Artikel "Wider die Natur" zeigt anschaulich die Folgen einer völlig verfehlten "grünen" Förderpolitik. Es wird sogenannte saubere Energie gewonnen durch Zerstörung unserer Natur und Umwelt. Durch die überintensive Nutzung sind die Böden, nach mehrmaligem Anbau von Mais etc. jedes Jahr, ausgelaugt und zum Anbau von Lebensmitteln unbrauchbar geworden. Diese Nutzung wird auch nur ermöglicht durch Spritzen von Unmengen chemischer Düngemittel und mithilfe künstlicher Bewässerung. Dafür wurden 90 Meter tiefe Brunnen gebohrt, in der Gegend "Wildschweindusche" genannt, die zur Folge haben, dass der Grundwasserspiegel extrem gesunken ist. Ein Biobauer, dessen Hof und seine Felder inmitten der Biogasfelder liegen, musste schon zwei Brunnen schließen, wegen zu hoher chemischer Rückstände.

Außerdem wird die gewonnene Wärmeenergie teilweise zum Fenster raus geheizt, denn im Sommer muss die Abwärme der Biogasanlage auch abgenommen werden, sonst gibt es Strafzahlungen - die Folge: Fenster auf und heizen. Daher: Schluss mit der Förderung von Biogasanlagen, an denen einige wenige doppelt verdienen, stattdessen Belohnung für alle, die Energie sparen und Förderung der Forschung für die Verbesserung der Energiespeicherung. Sabine Gräfin von Arnim, München

Untergang des großen Ganzen

Stefan Kleins eindringliche, fast poetische Bestandsaufnahme einer ehemals naturnahen Kulturlandschaft hat mich sehr erschüttert. Was er über die Uckermark schreibt, trifft auch für große Teile meiner Heimat, des Oldenburger Landes, zu. Für Menschen, die sich um den Erhalt der Natur bemühen, bleibt fast nur noch der kleinräumige Naturschutz, der mit Nistkästen, Blühstreifen, Wildhecken oder Streuobstwiesen versucht, Artenvielfalt zu erhalten. Es ist vielleicht das Apfelbäumchen, das wir pflanzen - mit dem Wissen um den Untergang des großen Ganzen. Das tut weh. Volker Kropik, Ganderkesee

© SZ vom 18.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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