Künstliche Intelligenz:Wo denkt sie hin?

Wie hat man sich künstliche Intelligenz (KI) eigentlich vorzustellen? Ein Computer, aus dem ein eigenständig denkendes Gehirn wächst? Leser meinen in jedem Fall, man solle, was KI betrifft, nicht allzu naiv sein.

Künstliche Intelligenz: Wie stellt man künstliche Intelligenz dar? Ein Computer, aus dem ein eigenständig denkendes Gehirn wächst.

Wie stellt man künstliche Intelligenz dar? Ein Computer, aus dem ein eigenständig denkendes Gehirn wächst.

(Foto: imago)

"Die Maschine und ich" vom 18./19. November:

Ziel: immer intelligenter werden

Leider hat der Autor von "Die Maschine und ich" den Begriff "künstliche Intelligenz" nicht eindeutig definiert. Dieser Begriff wird derzeit vielfach völlig falsch verwendet. So leider auch in dem Artikel, in dem es heißt, vielen sei oft nicht klar, dass sie schon Anwendungen mit künstlicher Intelligenz nutzten. Laut Nick Bostrom - einem der bedeutendsten Experten - wird es künstliche Intelligenz mit einer Wahrscheinlichkeit von zehn Prozent von 2023 an, von 2048 an mit einer 50-Prozent-Quote und mit 90-prozentiger Sicherheit von 2080 an geben. Derzeit gibt es nur Expertensysteme, dazu zählt auch der IBM- Schachcomputer. Von künstlicher Intelligenz sollte man im IT-Bereich nur dann sprechen, wenn der Softwarecode nicht auf die Lösung einer speziellen Aufgabenstellung ausgerichtet ist, sondern das Ziel ist, sich nur mit sich selbst zu beschäftigen und immer intelligenter zu werden. Die Konsequenzen einer solchen Software sind dann, dass von einem gewissen Punkt an keine Einflussmöglichkeit auf deren Verhalten oder Existenz mehr besteht.

Herbert Scheuerer, Baldham

Verteilungskampf um Energie

Seit relativ kurzer Zeit hat ein Teil der Medien entdeckt, dass sich im weitgehend der Öffentlichkeit entzogenen Raum etwas entwickelt, was jeden Einzelnen von uns betreffen wird. Allerdings erschöpft sich die Auseinandersetzung mit diesem Thema bisher noch nahezu ausschließlich mit der Frage, welche Auswirkungen die künstliche Intelligenz auf die Wirtschaft und die Arbeitswelt haben könnte. Am Rande wird - wie noch bei jeder neuen Technik - diskutiert, ob diese Entwicklung nicht schwerwiegende negative Einflüsse auf Kinder und Jugendliche und damit auf unser soziales Miteinander haben könnte.

Wenn die künstliche Intelligenz in nächster Zukunft die Arbeitswelt dominieren und uns Menschen von der Fron "Im Schweiße eures Angesichts sollt ihr euer täglich Brot essen" erlösen wird, wäre ein uralter Menschheitstraum verwirklicht. Wir befreiten Menschen müssten uns "nur" noch darauf einigen, dass die Früchte so verteilt werden, dass allen Menschen ein menschenwürdiges Leben gesichert ist. Dieser Traumwelt könnte nur auch eben diese künstliche Intelligenz im Wege stehen. Die Beschwörungsformeln, die Skeptikern entgegengehalten werden, dass die maschinelle künstliche Intelligenz sich sicher niemals vom Menschen befreien könne, zeugt von unerschütterlichem Optimismus, wenn nicht gar von erschreckender Naivität. Es würde nämlich voraussetzen, dass die Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren und sich der eigenen Bedürfnisse bewusst zu werden, unabdingbar an einen biologischen Körper gebunden ist.

Nun wäre eine künstliche Intelligenz, die sich ihres Selbst bewusst wird, kein Problem, solange gesichert wäre, dass sie keine eigenen Ziele entwickelt und verfolgt. Und wenn doch, so hegen die Optimisten die Hoffnung, dass wir sie zu einem menschendienenden Wesen "erziehen" können. Angesichts der Tatsache, dass unsere IT-Experten bei heutigen selbstlernenden neuronalen Netzen, die im Vergleich zu dem, was uns bevorsteht, sich auf Steinzeitniveau befinden, schon nicht mehr nachvollziehen können, wie diese zu ihren "Erkenntnissen" gelangt sind, erscheinen solche Vorstellungen ziemlich verwegen.

Entpuppt sich die künstliche Intelligenz als ähnlich egoistisch wie die Menschheit, wird sie gegen uns um die vorhandenen Ressourcen kämpfen. Die wichtigsten Güter sind dabei Rohstoffe und Energie. Ebenso wenig wie wir Menschen den Mitbewohnern unseres Planeten die für unsere Fortpflanzung und unser Überleben notwendigen Ressourcen freiwillig überlassen, dürfen wir das von einer überlegenen künstlichen Intelligenz erwarten.

In diesem Krieg hätte die künstliche Intelligenz einen unschätzbaren Vorteil: Sie muss nämlich keinerlei Rücksicht auf eine für biologische Wesen zuträgliche Umwelt nehmen. Eine öffentliche Diskussion über die Risiken, die mit einer unkontrollierten Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz verbunden sind, ist überfällig.

Dr. Wolfgang Steer, Schnaitsee

Subsumieren, generalisieren

Man muss kein Skeptiker sein, um sagen zu können: Wenn über künstliche Intelligenz gesprochen wird, herrscht ein sehr/zu lockerer Sprachgebrauch. Daten sind per se keine Fakten, noch liefern sie per se Informationen. Dazu benötigen sie einen Interpretationsrahmen; in diesem stecken Hypothesen und Absichten. Neuronale Netzwerke sind nur in einem metaphorischen Sinn "neuronal". Ihre Leistungen werden überprüft, nach Kriterien. Diese sind diskutierbar, das heißt variabel.

Zur Intelligenz gehört es, dass "man" subsumieren und auch generalisieren kann. Unsere subsumierende Urteilskraft kommt mit einer endlichen Zahl von Übungen und Beispielen aus - deshalb die "Kraft". Und zum Generalisieren gehören Fantasie, der Mut, über die vorhandenen Informationen hinauszugreifen. Für beides, Kraft und Überschuss, müssen wir Menschen geradestehen.

Das Vorbild für alle Bilder, die das Gehirn als Schaltzentrale zeigen, sind Zeichnungen in Descartes' "Traité de l'homme". Führende Neurowissenschaftler sehen in Descartes' Beitrag zur Physiologie den Prototyp der philosophischen Geisteswissenschaft und übersehen geflissentlich die philosophischen Reaktionen, von Leibniz über Kant bis zu Wittgenstein. Denn dadurch werden alle bildhaften Vorstellungen, alle Simulationen von Denken, Wollen, usf. obsolet. Vor allem: Der ökonomische Nutzen der maschinellen Intelligenz nimmt wieder die erste Position ein.

Dr. Reinhard Nowak, Schwäbisch Gmünd

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: