Klima:Der Gipfel der Ignoranz

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Die Teilnehmer der Weltklimakonferenz in Bonn wissen, worum es geht. Aber wissen das auch die Politiker und Wirtschaftsbosse, fragen Leser? Zum Beispiel all jene, die weiter der Kohlekraft und großen, spritfressenden Limousinen das Wort reden?

Wer Treibhausgase einsparen will, muss Kohlekraftwerke schließen und umweltfreundlichere Autos bauen. (Foto: getty)

"Erfolg für Autokonzerne" vom 8. November, "Immun gegen alle Tatsachen" und "Einmal alles" vom 7. November sowie "Mehr als warme Worte" vom 6. November sowie Artikel im SZ-Spezial "Weltklimakonferenz" vom 2. November:

Freie Fahrt an die Wand

Ohnmächtige Wut befällt mich, wenn ich lesen muss, wie Industrie und Politik die Zukunft meiner Enkelkinder opfern, weil es so einfach ist, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Wenn der Wasserstand der Meere steigt, wie es dem derzeitigen CO₂-Gehalt der Atmosphäre entspricht, so steht dabei das Leben von Milliarden Menschen auf dem Spiel - aber die Verantwortlichen sind, wenn die Katastrophe eintritt, längst unter der Erde.

Die Verbrauchsangaben der Autohersteller werden bis dahin auf die Hälfte der momentanen Angaben gesunken sein und die tatsächlichen noch gestiegen. Nicht einmal zu einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen wird sich unsere Regierung durchringen. Freie Fahrt an die Wand!

Erich Friedl, Deggendorf

Kaufverhalten ändern

Kaum hatte die EU- Kommission ihren Entwurf einer Abgas-Richtlinie veröffentlicht, ertönten die Alarmsirenen der Autolobbyisten des Matthias Wissmann, des Vertrauten der Kanzlerin. Die deutsche Autoindustrie dürfe gegenüber der europäischen Konkurrenz nicht durch zu strenge Normen benachteiligt werden (als seien "Normen" je handlungsrelevant gewesen; der Dieselskandal lässt grüßen). Ach so: Europa ja, als Absatzmarkt großer SUV-Dreckschleudern, aber bitte nicht als Europa der Bürger und Verbraucher, die ohne schädliche Umweltgase leben möchten.

Sieht so die gesellschaftliche Verantwortung der Herren Müller, Zetsche und Krüger aus? Oder ist da etwa das Profitmaximierungsziel dominanter? Fast hätte ich vergessen zu erwähnen, dass diese Herren (wie auch Angela Merkel) sich auch um die Arbeitsplätze von etwa 200 000 Automobilarbeitern sorgen, die beim Bau von Elektro- statt Verbrennungsmotoren "überflüssig" werden könnten. Aber deshalb den Umbau der Autoindustrie hinauszögern, was wohl noch mehr Arbeitsplätze vernichtete? Nein!

Daher rege ich an, dass wir Konsumenten/Autokäufer die Autoindustrie durch unser Kaufverhalten nachdrücklich auffordern umzurüsten. Mails, Twitter, Facebook bieten uns Möglichkeiten, um unsere legitimen Erwartungen an die Konzerne zu artikulieren. Und von den "Jamaikanern" erwarten wir, schnellstmöglich die Rahmenbedingungen für Elektromobilität zu schaffen (ohne den Verkehrs-Chaos-Minister Alexander Dobrindt könnte das gelingen) und die viel zitierte Bildungsoffensive zu konkretisieren. Junge Menschen müssen für den beruflichen Umgang mit neuen Technologien qualifiziert werden, und den Motorbauern der Autoindustrie müssen rechtzeitig berufliche Alternativen und Bildungsangebote unterbreitet werden, dann kann diesen Menschen die Zukunftsangst genommen werden. Nun schrillen wahrscheinlich bei FDP-Chef Christian Lindner die Alarmglocken, weil es nach Plan klingt, den dieser Marktapologet so scheut wie der Teufel das Weihwasser. Sei's drum!

Klaus Carlin, Wilstedt

Ausgerechnet Volkswagen

Die Artikel "Immun gegen alle Tatsachen" und "Einmal alles" müssten Pflichtlektüre sein für die Teilnehmer der Jamaika-Verhandlungen, des Klimagipfels in Bonn, für die höheren Klassen der Schulen und, und, und. Und dann liest man einen Tag später auf der ersten Seite der SZ fassungslos "Erfolg für Autokonzerne". Die Dummheit der Machthabenden - auch weltweit - in Wirtschaft und Politik, deren bis ins Verbrecherische reichende Gier, Machtsucht und - die Gesundheit und das Leben von Menschen ignorierende - Rücksichtslosigkeit nehmen offensichtlich Ausmaße an, die die Menschheit wahrscheinlich als Irrtum der Evolution irgendwann in den Abgrund reißen werden. Der Gipfel verbrecherischer Ignoranz ist, dass ausgerechnet Oberbetrüger Volkswagen seine dreckigen Finger im Spiel mit der Politik hat.

Johann Wendelin Heiß, Taufkirchen

Fangt endlich an!

"Ab in die Zukunft, aber ohne Verbrenner" vom 2. November: Politik, Wirtschaft und Medien träumen in überraschender Einmütigkeit vom "emissionsfreien Fahren" mit Elektroautos. Damit - und nur damit - sagen die Träumer und auch der Autor des Artikels, können die vereinbarten Klimaziele noch erreicht werden. Leider lösen Träume keine Probleme. Sehen wir uns also die Realität an: Elektroautos sind derzeit viel zu teuer, sie haben eine zu geringe Reichweite und zu lange Ladezeiten. Sie sind, um es kurz zu sagen, noch lange nicht alltagstauglich. Konsequenterweise werden sie kaum gekauft. Müssen wir also verzweifeln? Ich glaube nicht! Abseits des Elektro-Hypes in Medien und Politik gibt es vieles, was wir tun könnten. Ein paar triviale Vorschläge, die - politischen Willen vorausgesetzt - sofort umsetzbar wären:

- Förderung von Erdgas-Fahrzeugen: Erdgas-Autos sind in der Ökobilanz Benzinern und Dieseln weit voraus, kaum teurer als Benziner, seit vielen Jahren erprobt und haben eine akzeptable Reichweite.

- Abschaffung der Kfz-Steuer, dafür Erhöhung der Mineralölsteuer: Damit wird der wirkliche Verbrauch und nicht die bloße Existenz eines Autos besteuert, sodass Anreize zu sparsamem Fahren oder auch mal Verzicht aufs Auto entstehen.

- allgemeine Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Autobahn.

Und auch die Städte könnten ihren Beitrag leisten. München zum Beispiel hat in den vergangenen Jahren viele Millionen in den Tunnels des Mittleren Rings vergraben und damit noch mehr Autos in die Stadt gelockt. Für dieses Geld hätte man auch die horrenden MVV-Ticketpreise reduzieren, das Radwegenetz verbessern, ein modernes digitales Parkplatzmanagement implementieren und weitere P&R-Plätze am Stadtrand ausweisen können.

Den Jamaika-Verhandlern und anderen Entscheidern möchte man zurufen: Hört auf, von der Zukunft zu träumen! Wacht auf! Ergreift realistische Maßnahmen, mit denen ihr schon 2018 beginnen könnt!

Konrad J. Steinkohl, Weyarn

Man kann die Richtigen wählen

Immer vor und während einer großen Klimakonferenz häufen sich die Interviews mit Klimaforschern. Die Botschaften sind in der Regel düster: Wenn nicht rasch das Ruder herumgerissen wird, droht das Desaster! Nahezu rituell gibt es zum Ende des Interviews dann die Frage: "Und was kann jeder Einzelne tun?" Die Antworten sind dann immer die gleichen. Auch der amerikanischen Journalistin Elizabeth Kolbert fällt auf Alex Rühles Frage nach unser aller Handlungsmöglichkeiten offenbar nichts anderes ein als: "... weniger fliegen, weniger Auto fahren, weniger konsumieren". Ignoriert wird dabei, dass jeder Einzelne in der Demokratie auch für die Auswahl der Entscheider in den Parlamenten und Regierungen verantwortlich ist. Wie lange muss ich noch warten, bis ein Klimaforscher oder eine Fachjournalistin einmal die Frage nach dem "Was kann jeder Einzelne tun?" so beantwortet: "Künftig bei Wahlen aller Art keine Stimme für die AfD-Leugner des Klimaproblems! Keine Stimme für die Kohle-Fans von Union und SPD! Keine Stimme für die Verharmloser von der FDP!"

Bernhard G. Suttner, Windberg

Geringer Wirkungsgrad

In "Hier regiert noch die SPD" vom 13. November werden eine Reihe von Argumenten pro und kontra Kohlekraftwerke angeführt. Leider bleibt ein gravierendes Argument gegen Kohle unerwähnt, nämlich der Wirkungsgrad insbesondere der alten "Dreckschleudern". Deren Wirkungsgrad liegt nach wie vor irgendwo zwischen 20 und 30 Prozent. Das bedeutet, dass für zwei der stillzulegenden alten Kohlekraftwerke ein modernes Gaskraftwerk als Ersatz ausreicht. Derartige Kraftwerke sind als Übergangslösung für die nächsten 20 Jahre sicher bestens geeignet, danach könnten sie, falls dann noch notwendig, als Notfallreserve dienen.

Manfred Walter, Unterwössen

© SZ vom 15.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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