Katholische Kirche:Fortschreitender Verfallsprozess

Pfarreien werden zusammengelegt, Priester sind immer mehr Verwalter und weniger Seelsorger, die Gläubigen werden alleingelassen. Leserinnen und Leser beschreiben, was sie in der katholischen Kirche vermissen.

Katholische Kirche: Rituale statt Kommunikation mit den Gläubigen: der Papst bei der Kommunion.

Rituale statt Kommunikation mit den Gläubigen: der Papst bei der Kommunion.

(Foto: Nelson Almeida/AFP)

"Priester der Zukunft" vom 10. März und "Die Begeisterungskrise" vom 1. März:

Man vermisst sie immer weniger

Vielleicht ist die fehlende Trauer in den Kreisen der Kirchenverantwortlichen das deutlichste Anzeichen des fortschreitenden Verfallsprozesses in der katholischen Kirche. Die Zerschlagung vieler Gemeinden wurde von den Verantwortlichen angeordnet, mehr oder weniger verständlich begründet, bestenfalls korrekt verwaltet - aber nicht betrauert. Dort, wo es noch ein Gemeindeleben zu verlieren gab, fand die Trauer der Gemeindemitglieder keinen Widerhall auf den übergeordneten Ebenen. Im Gegenteil, sie lief ins Leere, blieb ungehört und unbeantwortet.

Die wesentlich auf dem Priestertum aufbauende katholische Kirche zieht Männer heran, die darin geübt sind, dem rituellen Vollzug Vorrang zu geben vor einer gelebten Glaubenspraxis. Die auf diese Weise Trainierten haben keinen Zugang zu einer Spiritualität, die sich in erster Linie aus dem wachen Vollzug des Lebens speist, welche die Nähe zum Herzen des Anderen nicht nur sucht, sondern braucht, um sich immer wieder erneuern zu können.

Die in der Kirche tätigen Frauen erfahren täglich, dass die ihnen übergeordneten Priester kein Verständnis haben für eine Spiritualität, die jenseits der eigenen liegt. Sie erfahren die Entwertung und Herabwürdigung dessen, was sie für sich als lebendigen Vollzug des Glaubens erfahren. Nach leidvollen Jahren der Trauer willigen sie ein in den Sterbeprozess einer Kirche, der sie sich weder weiterhin zugehörig fühlen können noch wollen. Ähnlich geht es den engagierten Laien. Sie möchten keine Gläubigen mehr sein in einer Kirche, in der ein Thomas Frings kein Pfarrer mehr sein möchte. Auch für sie ist die Zeit der Trauer vorbei. Diese Kirche wird von immer weniger Menschen traurig vermisst. Maria Zwack, Kempten

Sakramente kontra Zölibat

Bei der Diskussion um die künftigen Regelungen für den Zölibat - und aktuell um die Weihe von im Dienst bewährten, verheirateten Diakonen zum Priester - geht es im Kern um die Grundsatzfrage, was wichtiger ist: Wollen wir den Gläubigen regelmäßig das Sakrament der Eucharistie zugänglich erhalten oder ist es wichtiger, die jetzigen strikten Regelungen mit dem Pflichtzölibat als Voraussetzung für die Priesterweihe zu erhalten?

Bei aller Wertschätzung für die Lebensform des Zölibats als bewusste freiwillige Entscheidung, sehe und höre ich keine Argumente für die Pflichtregelung, die in einer Abwägung für die Beibehaltung der jetzigen Regelung stärker und überzeugender sind, als den entsprechenden Zugang zu den Sakramenten für die Gläubigen weiter zu ermöglichen.

Die gegenwärtige fatale Entwicklung haben wir nicht nur für die regelmäßige Eucharistiefeier, sondern auch für die Sterbesakramente. Immer häufiger erleben wir die Situation, dass in dieser Lebensphase Seelsorgerinnen und Seelsorger - zum Beispiel Gemeinde-und Pastoralreferenten/innen -, die diese Menschen begleitet und deren Vertrauen haben, dieses Sterbesakrament (oft "Letzte Ölung" genannt) als Stärkung für den Weg in das andere Leben nicht geben dürfen - aber ein Priester nicht zur Verfügung steht. Zudem entsteht dann auch eine merkwürdige Situation, wenn wegen dieser innerkirchlichen Regelung jemand gerufen wird, der bislang zu diesem Menschen und seinen Angehörigen keinen Bezug hat. Hier wird kirchliche Praxis schlichtweg unverständlich und fördert die Entfremdung der Menschen von der Kirche.

Ich halte den Weg, bewährte Diakone zu Priestern zu weihen, auch unter innerkirchlichen Aspekten für einen klugen Weg. Und ich bin sicher: Die überwältigende Mehrheit der Katholiken geht diesen Weg gerne mit. Es gibt dafür im Übrigen auch einen gewissen Bezug zu der Regelung, dass verheiratete evangelische Pfarrer nach einer entsprechenden Entscheidung und Vorbereitung als katholische Priester tätig sein dürfen. Alois Glück, Traunwalchen

Wie eine Theateraufführung

Wenn Matthias Drobinski schreibt, dass es "zu wenig junge Menschen gibt, die sich anstecken lassen von dem, was in den Kirchen geglaubt und gelebt wird, von dem, was an intellektuellen Impulsen von der Theologie kommt", so möchte ich ergänzen, dass es offensichtlich vor allem die erschreckend geringe oder gar nicht vorhandene Kommunikation ist, die auch gutwillige und gläubige Menschen aus der Kirche treibt. Wenn man in den hinteren Kirchenbänken sitzt, kommt einem das Geschehen vorne wie eine Theateraufführung ohne jegliche Beteiligung der Gläubigen vor. Und wenn man seine Mitchristen nur von hinten sieht und der Höhepunkt der Kommunikation nur ein kurzer Händedruck als Friedensgruß ist, frage ich mich schon, ob Jesus dies so gewollt hat.

Meines Erachtens wird der Wandlung und Kommunion viel zu viel Bedeutung eingeräumt. Wenn Jesus sagt: "Tut dies zu meinem Gedächtnis", sollten sich die Christen doch am Original orientieren und Abendmahlsfeiern mit etwa zehn bis 15 Gläubigen durchführen. Wenn diese dann das Abendmahl so gemeinsam feierten, wie es Jesus mit seinen Aposteln getan hat, und wenn auch noch Zeit und Gelegenheit bliebe, sich miteinander bekannt zu machen und über seinen Glauben, aber auch über seine Schwierigkeiten mit dem Glauben zu sprechen, wäre das wie ein frischer Wind des Heiligen Geistes und würde viel Freude bereiten.

Jesus selbst hat gesagt: "Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen." Diesen wichtigen Aspekt des Gottesdienstes habe ich fast noch nie erlebt. Alexander Gröbmayr, München

Protestanten stehen besser da

Matthias Drobinski versucht in "Die Begeisterungskrise" zwar, Probleme zu benennen. Er verschleiert sie aber gleichzeitig dadurch, dass er feststellt: "Auch die evangelische Kirche in Deutschland hat Nachwuchssorgen." Es ist mehr als peinlich, wenn er dafür als Beleg anführt: "Die Kirche in Kurhessen-Waldeck zum Beispiel zahlt angehenden Pfarrern ein Stipendium, um das Studium attraktiv zu machen." Ich vermute, Drobinski weiß, dass jeder katholische Priesteramtsstudent in einem Seminar wohnen muss, also gar nicht darum herumkommt, von seiner Kirche bereits im Studium alimentiert (und geführt) zu werden.

Doch zurück zu den evangelischen Kirchen. Dort gilt immer noch der Schlüssel: ein Pfarrer auf 1500 Gemeindeglieder. In den katholischen Diözesen kommt ein Pfarrer meist auf 15 000 Gemeindeglieder.

Ich bin der Überzeugung: "Begeisterung" hat etwas mit dem göttlichen Geist zu tun. Umso wichtiger ist die Frage: Wie lange noch will die katholische Kirche diesen Geist ausbremsen durch rigorose menschliche Regelungen? Dr. Gerhart Herold, Holzkirchen

Jesus lebte auch nicht im Palast

Es ist mehr als ärgerlich - und zeigt die Verlogenheit der Kirche und damit den tiefsten Grund, warum ihr die Gläubigen den Rücken kehren - wenn der Passauer Bischof Stefan Oster am Zölibat und am Männerpriestertum festhält mit der Begründung: "Es ist kein bloßer Zufall, dass Christus als Mann geboren wurde und nur Männer berufen hat." Sollte Bischof Oster noch nie etwas gehört haben von der historisch-kritischen Exegese? Und wenn er schon so argumentiert, sollte er wenigstens konsequent sein. Im Neuen Testament findet sich nirgendwo ein Hinweis, dass Jesus in einem Palais residiert hat. Er sollte einmal nachlesen, was bei Mt 8,20 geschrieben steht und sich danach richten! Johannes Netter, München

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