Jan Böhmermann:Grundgesetz gilt für alle

Jan Böhmermanns stand mit seinem Schmähgedicht zum türkischen Präsidenten Erdoğan kürzlich in Hamburg erneut vor Gericht. Ein Leser erinnert in diesem Zusammenhang an die Menschenwürde, die auch für muslimische Staatschefs gilt.

Zu "Satanische Verse" vom 3. November über den Prozess Erdoğan gegen Böhmermann vor dem Landgericht Hamburg:

Es ist Annette Ramelsberger, der Autorin des oben genannten Artikels zu danken, dass sie erwähnt, wie in der Vergangenheit mit Schmähungen gegen prominente Deutsche, nämlich Franz Josef Strauß und Papst Benedikt XVI. umgegangen wurde - nämlich mit Verbreitungsverboten.

Nach eigenen Aussagen wollte Böhmermann mit seinem Schmähgedicht den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan beleidigen und gleichzeitig die Grenzen der Meinungsfreiheit ausloten. Die Würde des Menschen ist in Deutschland das erste, durch die Verfassung geschützte Recht. Gemäß Artikel 1 des Grundgesetzes ist sie unantastbar und vom Staat zu schützen. Für Angriffe durch Meinungsäußerungen gilt der Paragraf 185 StGB (Beleidigung), dessen Kriterien für eine Bestrafung Böhmermanns meines Erachtens erfüllt sind. Die Ausstrahlung des Gedichts im Fernsehen erfolgte noch vor dem Putsch in der Türkei. Schon damals gab es in Deutschland viel Kritik an Erdoğan, die inzwischen stark angewachsen ist. Es wäre aber gefährlich, wenn die deutsche Rechtsprechung bei Angriffen gegen die Menschenwürde unterscheiden würde, ob es sich um eine in Deutschland geachtete oder um ein missliebige Person handelt.

Heribert Prantl hat nach den Pöbeleien gegen Kanzlerin Angela Merkel und andere Teilnehmer der Feier zum Tag der Deutschen Einheit Anfang Oktober geschrieben: "Nein, Schmähungen gehören nicht zur Meinungsfreiheit." Dem ist zuzustimmen, denn die Meinungsfreiheit findet nach Absatz 2 des Artikels 5 des Grundgesetzes "ihre Schranken ... in dem Recht der persönlichen Ehre". Soll es erlaubt sein, mit Verweis auf Meinungsfreiheit und Freiheit der Kunst einen muslimischen Staatspräsidenten in einer unsäglichen Form zu beleidigen? Selbst viele Türken, die Erdoğan ablehnend gegenüberstehen, haben sich durch das Gedicht beleidigt gefühlt. Mit welchem Recht will man von den vielen muslimischen Migranten die Akzeptanz des Grundgesetzes als Voraussetzung für ihre Integration verlangen, wenn die deutsche Rechtsprechung Muslime im Hinblick auf ihre Menschenwürde diskriminiert? Man weiß inzwischen, dass aus gefühlter Diskriminierung eine gefährliche Radikalisierung entstehen kann. Georg Schumacher, Kelkheim

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch hier in der Digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung und bei Süddeutsche.de zu veröffentlichen.

forum@sueddeutsche.de

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: