Handschrift:Training für Herz und Hirn

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Auch das Tippen auf der Computertastatur ist Handschrift. Aber wer per Hand auf Papier schreibt, ist klar im Vorteil: Er stärkt sein Sprachbewusstsein, hält den Geist beweglich und bleibt unabhängig.

"Das Ende der Tinte" vom 10./11. März:

Auch Tippen ist Handschrift

Ein wunderbarer Artikel von Kathrin Blawat, der die körperliche und geistige Bedeutung der Handschrift beleuchtet. Wann haben Sie das letzte Mal etwas von Hand geschrieben? - Das tun wir jeden Tag. Auch das Tippen auf die Tastatur ist "Handschrift". Als Kalligraf beleuchte ich auch diese körperliche Bewegung und sehe sie immer eingeschränkter - von Zehn-Finger-Tippen auf Tastatur hin zum Daumendrücken. Wenn jetzt mit Stiften auf Displays "Handschrift" produziert wird, fehlt die Haptik des Papiers als Untergrund. Schreiben mit dem Stift ist wie Schlittern auf dem Eis. Unkontrolliert. Bisher. Apple steuert dagegen und simuliert die Möglichkeiten des Drucks. Das ist ein Weg. Aber warum nicht gleich das "Original" nehmen: So wie der Leiter der Neumarkter Lammsbrauerei sagte, als er auf einem handgeschöpften Papier unterschrieb: "Das ist wie ein Morgenspaziergang auf einer taubenetzten Wiese." Ob das die Schulkinder in Schloss Neubeuern auch sagen, wenn sie mit ihren Digitalisierstiften arbeiten? Sehr informativ und gut zusammengestellt ist auch die Übersichtsseite zu den in Deutschland gelehrten Schriften der letzten Jahrhunderte mit einem Blick über den Ozean zur Spencerian- und Palmermethode. Die Entwicklung ist ersichtlich hin zu einer Bewegungsverarmung, die im Schulunterricht den Kinder angeboten wird. Vielleicht boomen deshalb die "richtigen" Kalligrafiekurse. Johann Maierhofer, Regensburg

Sogenannter Fortschritt

Ich bin gute 70 Jahre alt und hatte in meinem Berufsleben ausschließlich mit der Wartung von Großrechnern sowie in der PC-Schulung zu tun. Ich zähle mich jedoch nicht zu den Opas, die mit der sogenannten neuen Technik nicht zurande kommen, da ihnen ja nur eine handgeschriebene Postkarte zugemutet werden kann. Jedoch scheint die Politik wieder mit den Wölfen zu heulen, wenn sie vorschlagen, dass zukünftig in der ersten Klasse (nur) noch mit Tablet gearbeitet werden soll(t)e. Ein dämlicheres Argument für den sogenannten Fortschritt in den Schulen kann ich mir schon bald nicht mehr vorstellen. Uwe Marx, München

Unabhängig sein

Isaac Asimov hat in der Kurzgeschichte "Someday" eine Gesellschaft beschrieben, in welcher Schreiben und das Lesen von Schreibschrift vergessen wurde, und es zu einem Vorteil wird, als einer von wenigen beides zu beherrschen. In der Kurzgeschichte "The Feelings of Power" beschäftigt er sich mit einer Gesellschaft, welche das Rechnen verlernt hat, und es einer Revolution gleichkommt, als ein einfacher Arbeiter das Multiplizieren wieder entdeckt. Am Ende der Geschichte steht das Gefühl der Macht eines der Protagonisten, nicht von einem Computer beim Rechnen abhängig zu sein. Beide Geschichten zeigen meines Erachtens, dass Schreiben zumindest von bestimmten Personenkreisen weiterbetrieben werden wird, und sei es nur, um Informationen an Computern vorbei transportieren zu können. Wenn ich nur digital schreiben kann, ist alles, was ich schreibe, gespeichert und kann nachverfolgt werden. Wer dann auf Papier Informationen nicht in den digitalen Kreislauf einpflegen muss, ist klar im Vorteil. Ulrich Welcker, Kleinblittersdorf

Mangel an Sprachbewusstsein

Gewisse Folgen der Entwicklung als Defizite in Wortwahl und Grammatik beklagen nicht nur zunehmend Hochschullehrer bei ihren Studenten. Auch der sprachsensible Zeitgenosse registriert längst den Mangel an Sprachbewusstsein und Sprachpflege, im allgemeinen Sprachgebrauch als auch in der Mehrzahl der Printmedien und im Fernsehen, von hingeschluderten Mails und Texten auf Twitter ganz zu schweigen. Dabei spielt auch die Hektik, von der heute die Arbeitswelt und das Privatleben der meisten Menschen bestimmt wird, eine Rolle. Sie ist ein Feind der konzentrierten Übung des klaren und korrekten Formulierens. Der komplexe Akt des Denkens und Formulierens in Kombination mit der feinmotorisch von Hand synchron geleisteten Niederschrift fördert nachweislich nicht nur die Intelligenz von Schülern über ihre Schulzeit hinweg, sondern ist auch ein probates Gehirntraining und wichtiger Beitrag für die geistige Beweglichkeit eines Menschen bis ins hohe Alter. Karin Motz-Glasow, Schongau

Schreiben als Kunst

Das Ende der Tinte? Hoffentlich nicht! Nach 34 Jahren an bayerischen Haupt-/Mittelschulen habe ich festgestellt, dass schlampige Schrift einhergeht mit ungenügender Rechtschreibung und Defiziten im Ausdruck und Satzbau. Wenn in der normalen Unterrichtszeit an Grundschulen nicht genügend Zeit für die Übung der Schreibschrift ist, warum verlagert man dies nicht in den Kunstunterricht? Kunst sollte sich ja wohl auch von Können ableiten und gerade mit Varianten der Kalligrafie könnte man Schüler sachte überzeugen, sich eine gute Handschrift zuzulegen und die Feinmotorik zu üben. Burkhard Colditz, Sindelsdorf

© SZ vom 17.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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