Glyphosat:Ein Minister als Vergifter

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Entsetzt, fassungslos und tobend vor Wut sei sie über die Entscheidung von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) zu Glyphosat, meint eine Leserin. Und viele andere pflichten ihr bei.

"Glyphosat - Minister Schmidt darf bleiben" vom 29. November sowie "Nahles wirft CSU Vertrauensbruch vor" und "Gift für das Vertrauen" vom 28. November und weitere Artikel zur Zulassungsverlängerung für Glyphosat:

Allen Anstand abgegeben

Entsetzt, fassungslos und innerlich tobend vor Wut blicke ich in die Fratze, die mir die Politik gerade zeigt. Ob des an Integrität armen Verhaltens, das CSU-Minister Christian Schmidt soeben demonstrierte, sollten selbst die Befürworter einer Verlängerung der EU-weiten Genehmigung von Glyphosphat den Blick beschämt abwenden. Immerhin geht es hier ganz entscheidend darum, dass die Politik ethischen Grundsätzen verpflichtet bleiben muss, wenn sie glaubwürdig sein und das Vertrauen der Wähler wahren will. Ein Minister, der jedoch in einer so entscheidenden Frage die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin missachtet und das Veto seiner Kabinettskollegin ignorant übergeht, hat allen Anstand längst abgegeben.

Die Gegner und Kritiker des Herbizids jedoch, denen die nachweislichen Gesundheitsrisiken mindestens unheimlich sind, denen raubt eine solch unerträgliche Schamlosigkeit jegliches Vertrauen mindestens in diesen Minister, wenn nicht gar ganz generell in die gesamte Politik. Dass er seine "Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden" wird, hat der CSUler geschworen. Den Lobbyisten der Pharmakonzerne, die in Bonn und Brüssel bestrebt sind, ihre Macht zu maximieren, ist keiner unserer Politiker verpflichtet. Auch nicht der deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, der aber nichtsdestotrotz seit Monaten einen Putsch gegen die Regierung vorbereitete, der er selbst angehört. Wer sein Land so regiert, wie Schmidt jetzt agierte, der wird das Volk, das er vertritt, nicht zusammenführen, sondern den Keil noch tiefer hineintreiben. Ob sich die SPD damit gemeinmachen möchte, sollte sie sehr wohl überlegen.

Christine Harttmann, München

Verrat an der Kanzlerin

Der Vorgang ist eindeutig. Es geht nicht um Pflanzengift, es geht um Angela Merkel. Irgendwie muss die Kanzlerin weg, notfalls durch Verrat aus den eigenen Reihen. Wie tief sitzt der Hass auf Merkel in Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, dass er seinen Minister zum Vergifter macht? Kann die SPD mit solchen Leuten gemeinsam regieren? Sie muss sogar. Wer solchen Leuten das Regieren überlässt, macht sich mitschuldig an allem, was diese Leute anrichten.

Jürgen Grimming, Berlin

Despot statt Gärtner

Christian Schmidts Befürwortung der Lizenzverlängerung des Umweltgiftes Glyphosat war nicht nur politisch fraglich und dumm, sondern ist auch menschen-, tier- und umweltverachtend. Als Angehöriger einer christlichen Partei interpretiert Schmidt den Satz aus der Bibel "macht euch die Erde untertan" (Genesis 1,26-28) wohl für sich als maßgebend, ohne dabei den "Gärtnerauftrag" (Genesis 2,15) zu berücksichtigen, der für die Erhaltung der Schöpfung und deren pfleglichen Umgang steht. Das Letztere müsste für ein Mitglied der "christlichen" Partei CSU eine existenzielle Verpflichtung sein.

Prof. Winfried Ahne, München

Entlassung als Gesichtswahrung

In der Bundesregierung bestand keine Einigkeit über die Zulassung von Glyphosat. Der Schutz der Bevölkerung vor krebserzeugenden Chemikalien muss Vorrang haben. Deshalb hätte sich Landwirtschaftsminister Schmidt in Brüssel der Stimme enthalten müssen, wie in der Geschäftsordnung der Bundesregierung vorgesehen. Die Zustimmung Schmidts ist ein schwerwiegender Vertrauensbruch. Gemäß der Verfassung hat die Bundeskanzlerin die Richtlinienkompetenz. Es ist eigentlich unvorstellbar, dass sie diese Provokation und die Unterminierung ihrer Führungsrolle und Autorität hinnimmt, vielleicht, um den Burgfrieden mit der CSU nicht zu stören oder um die mächtige Industrie- und Landwirtschaftslobby in der EU zu bedienen. Wenn sie jetzt nicht allen Respekt verlieren will, muss sie diesen Landwirtschaftsminister, der glaubt, ihr auf der Nase herumtanzen zu können, entlassen.

Dr. Karl-H. Ebel, Schwerin

SZ-Zeichnung: Denis Metz (Foto: SZ-Zeichnung: Denis Metz)

Was erwarten wir denn?

Unabhängig davon, welcher Teufel den CSU-Landwirtschaftsminister Schmidt geritten hat, die sich anbahnenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD zu torpedieren, stellt sich doch die Frage, ob der Kampf um dieses Mittel nicht mittlerweile Maß und Ziel verloren hat. Was erwarten wir denn, sollte der Einsatz dieses Herbizids verboten werden? Glauben wir, dann verschwänden die unendlichen Maisfelder mitsamt den zugehörigen Biogasanlagen - an denen die Bauern übrigens gut verdienen? Glauben wir, ohne Round-up (der Markenname für Glyphosat) werden alle Landwirte zu Biobauern, oder werden sie nicht einfach wieder tiefer pflügen und auf andere Gifte ausweichen, die im Zweifelsfall noch schädlicher für Mensch und Tier sind? Notwendig wäre eine umfassende Neuausrichtung der Landwirtschaftspolitik, aber eine Koalition, die das stemmen wollte und könnte, ist nicht in Sicht.

Raimund Poppinga, Hannover

Hendricks - zu leichtgläubig

Der Alleingang eines Bundesministers aus Bayern garantiert Monsanto weitere fünf Jahre Riesengewinne mit Glyphosat, auch wenn dabei unsere Umwelt vor die Hunde geht. Von eventuellen Krebserkrankungen ganz zu schweigen. Ganz heimlich hat der Bundesagrarminister Schmidt das deutsche "Ja" nach Brüssel weitergeleitet. Natürlich hat er seine Chefin im Kanzleramt nicht gefragt, ob es ihr recht ist. Er wusste ja, dass sie auch zustimmen wollte, und er selbst war sich sicher, dass er ruhigen Gewissens selbst entscheiden konnte. Auch wenn vier Millionen Europäer für ein Verbot des Unkrautvernichtungsmittel waren. Wieso aber hat denn die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks von der SPD, die sich jetzt furchtbar aufregt, und das völlig zu Recht, nicht selber dafür gesorgt, dass der Kollege aus Bayern ja keinen Unsinn macht? Wieso war Hendricks nicht selbst zur Abstimmung in Brüssel?

Spätestens nach dem unrechtmäßigen Streichen das Alpenplan-Schutzgebietes am Riedberger Horn zugunsten einer gewinnträchtigen Skischaukel sollte die Umweltministerin wissen, wie das in Bayern von den christlichen Politikern seit FJS gehandhabt wird, wenn es ums Geschäft geht. Kann es sein, dass die SPD-Ministerin einfach verschlafen hat?

Und wieso hat bei diesem EU-Abstimmungstermin die Grünen-Partei nicht auf die Gefahr eines CSU-Alleingangs aufmerksam gemacht? Auch wenn die Grünen selbst nichts mehr zu diesem Thema beitragen können, sollte man doch annehmen, dass ihnen das Glyphosat-Verbot auch weiterhin am Herzen liegt. Es wäre eine Chance gewesen, die ersten Erfolgspunkte als Opposition einzufahren.

Haben die Grünen, erschöpft durch die langen Jamaika-Verhandlungen, ebenfalls eine Mütze Schlaf zu viel genommen? Oder kann es sein, dass die Bevölkerung von allen ganz groß verarscht wurde?

Heinz Schmidbauer, Neufinsing

Dann eben CDU/SPD/Grüne

Die Haltung der CSU und ihres Ministers Schmidt bei der Glyphosat-Abstimmung ist für mich nur so erklärbar: Laut Medienberichten handelte Minister Schmidt mit Rückendeckung aus München. Ist dies so, will die CSU mögliche Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD offensichtlich hintertreiben, wenn nicht sogar torpedieren, sprich: Die CSU will offensichtlich solche Koalitionsverhandlungen nicht. Wollen Kanzlerin Merkel und die CDU das Heft des Handelns in der Hand behalten, bleiben ihnen nur zwei Möglichkeiten: eine Koalition mit der SPD und den Grünen, aber ohne die CSU, oder aber Neuwahlen. Diese dann aber vernünftigerweise mit einer CDU auch in Bayern. Die Querulatoren können dann ja allein und für sich entscheiden, ob sie sich trauen, auf Bundesebene anzutreten.

Erhard Brinkschulte, Buch

Anders einkaufen

Man könnte sich jetzt mächtig darüber aufregen, dass sich der Bundeslandwirtschaftsminister, verschiedene Bauernführer und die sogenannten christlichen Volksparteien zu Sklaven eines großen Chemiekonzerns machen lassen.

Man kann aber auch Landbewirtschaftung ohne das Präparat betreiben, das jegliches pflanzliche Leben vernichtet.

Wir alle können bei unserer täglichen Lebensmittelversorgung darauf achten, dass nur solche Speisen auf den Tisch kommen,

die nicht mit fragwürdiger Chemie in Berührung kamen. In fast allen Lebensmittelmärkten werden jetzt schon Waren angeboten, die nachweislich nach ökologischen Richtlinien erzeugt wurden. Wer ganz sichergehen will, geht direkt zum Erzeuger oder zum Regionalvermarkter. Das Milchwerk Berchtesgaden und die Solidargemeinschaft "Unser Land" sind gute Beispiele, wie man auch ohne das umstrittene Produkt des Chemieriesen überleben kann.

Ja, und was die Politik angeht, da zeigen es eigentlich schon jetzt viele Mitbürger, dass man auch Parteien wählen kann, die sich nicht vom Gängelband der Lobbyisten führen lassen.

Max Keil, Biolandwirt, Puchheim

© SZ vom 30.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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