Freihandelsabkommen:Und wieder durch die Hintertür

Jefta, das geplante Freihandelsabkommen der EU mit Japan, ist auf dem besten Wege - so sehen es jedenfalls die Verhandler. SZ-Leser sind da ganz anderer Meinung.

"Einladung zum Eierwerfen" vom 24./25. Juni:

Das gehört vor den Bundestag

Alexander Hagelüken hat recht. Die fragwürdigste Regelung in dem geplanten Handelsabkommen zwischen Japan und der EU (wie schon vorher bei TTIP) sind die investorfreundlichen Regelungen im Rahmen des Investitionsschutzes. Ob hierzu später private oder öffentliche Schiedsgerichte entscheiden werden, ist eher sekundär, entscheidend ist, wie weitgehend die vertraglichen Regelungen des Investorenschutzes gehen werden.

Bei der Aushandlung des Investitionsschutzabkommens sitzen meiner Ansicht nach die falschen Vertragspartner am Tisch. Zwischen dem japanischen und dem europäischen Investor besteht gar kein Interessenwiderspruch hinsichtlich des Investitionsschutzes: Beide sind an einem möglichst weitreichenden Investitionsschutz interessiert. Der Investitionsschutz ist aber ein Interessengegensatz zwischen Investor und Bürger (der Bürger möchte wahrscheinlich Investitionen, muss aber als Steuerzahler andererseits bürgen). Daher muss der Ausgleich zwischen diesen Interessen parlamentarisch gesucht werden. Ich denke, die Bürger fangen langsam an, dies zu verstehen und sind verärgert, weil weder die CDU noch die Regierung uns ausreichend und richtig über den geplanten Investitionsschutz und seine Folgen informiert.

Ich halte Abkommen zum Freihandel für prinzipiell sinnvoll, aber ein Investitionsschutzabkommen gehört nicht in solche Abkommen, und wenn dies sein muss, kann nur vor dem Bundestag verhandelt werden, welchen Umfang der Investorenschutz haben soll, warum dies nötig ist und wer davon profitiert. Wir werden aufpassen müssen, dass das Japan/EU-Abkommen nicht versucht, im Anti-Trump Schatten ungestört ins Ziel zu segeln.

Prof. Matthias Bräutigam, Berlin

Falsches Dogma

Es ist sehr verdienstvoll, dass die SZ bisher geheim gehaltene Dokumente zum geplanten Handelsabkommen zwischen der EU und Japan veröffentlicht und auf die Schwachpunkte (unter anderem fehlende Transparenz, private Schiedsgerichte) hinweist. Eine Frage vermisse ich jedoch: Welchen Sinn, welchen Nutzen haben solche Handelsabkommen überhaupt? Die EU möchte auf dem G-20-Gipfel ein "Bekenntnis zum Freihandel und eine Botschaft gegen Trump" präsentieren. Die Sprache ist verräterisch. Bekenntnisse zu ihren Dogmen erwarten Religionsgemeinschaften von ihren Gläubigen. Und um ein Dogma geht es hier in der Tat, das da lautet: "Freihandel ist gut, Protektionismus ist böse."

Freihandelsabkommen: Im März kam Japans Premier Shinzo Abe (vorne) nach Brüssel, um das Jefta-Abkommen perfekt zu machen. Mit ihm freuten sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk (von links).

Im März kam Japans Premier Shinzo Abe (vorne) nach Brüssel, um das Jefta-Abkommen perfekt zu machen. Mit ihm freuten sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk (von links).

(Foto: Reuters)

Ich vermisse Argumente. Oder soll Alexander Hagelükens Hinweis auf die Zollhäuschen vor den Städten und die hohe Sterberate im Mittelalter wirklich ein ernsthaftes Argument sein?

Was bringt es also, wenn zwischen gleich entwickelten Industrieregionen wie Europa und Japan immer mehr Waren hin und her gekarrt werden? Auf alle Fälle mehr Verkehr zu Lande, zu Wasser und in der Luft, also mehr CO₂-Emissionen. Dabei wird doch immer beklagt, dass bei den Bemühungen um Klimaschutz der Verkehrssektor das große Sorgenkind sei.

Aber eines könne man doch nicht bestreiten, so die Freihandelsgläubigen: Wenn die Zollschranken fallen, wird es für die Verbraucher billiger. Gewiss. Aber dem Staat entgehen auch die Zolleinnahmen. Und die fehlenden Einnahmen holt er sich dann vorzugsweise über höhere Mehrwertsteuern zurück.

Wilfried Rahe, Mühldorf

Anschlag auf uns alle

Leider muss man zum wiederholten Male die Perfektionierung der Beschwichtigung bewundern, hier angesichts der erneuten Ungeheuerlichkeit des "Jefta"-Skandals. Zum einen verschwand 2015 das dramatische Statement der Bürger bei der Riesendemo gegen TTIP in Berlin auch bei der SZ noch auf den hinteren Seiten, das ist noch allzugut in Erinnerung. Jetzt wird zwar breit berichtet - jedoch wird unterschwellig durch die Wortwahl die Position der Kritiker diffamiert: hemmungsloses Aufbauschen, in die Welt des Mittelalters beamen, arm leben und früh sterben, Allianz mit Donald Trump.

Das aggressive Verhalten der Verhandlerseite dagegen wird durch Worte subtil heruntergespielt: Nerd-Welt, Zeichen gegen Trump setzen, Fehler gemacht, eine gewisse Verrücktheit. Aber es geht hier nicht um ein zufälliges Schlendrian-Problem irgendwelcher Nerds - es geht um bewusstes Täuschen und Verheimlichen eines Anschlags (das Wort ist bewusst gewählt!) der Politik auf unser aller persönliche und demokratische Zukunft - gegen die breiteste Öffentlichkeitsmeinung!

Gute Investition

Wessen Interessen vertritt diese EU eigentlich? Die ihrer Bürger oder die der Konzerne? Ich investiere schon mal in Eier (selbstredend Bio) und bin, obwohl mittlerweile 75 Jahre alt, immer noch zornig und fit genug zum Eierwerfen. Hermann Engster, Göttingen

Bernhard Eckert, Stephanskirchen

Für die Großunternehmen

Man ist fassungslos angesichts der Dreistigkeit der EU-Verhandlungsführer. Und täglich grüßt das Murmeltier! Gestern TTIP und Ceta, heute Japan. Fairer Handel ohne private Schiedsgerichte? Gerne und bald. Ein Freihandel nach Brüsseler Hinterzimmer-Art aber ist demokratisch nicht legitimiert. Die EU-Bürokratie als Vertreterin der mächtigsten Wirtschaftszone der Welt und von 500 Millionen Bürgern sollte sich schämen und abtreten, wenn sie sich von einer wackeligen japanischen Regierung erpressen lässt. Weder der einfache Bürger noch mittelständische Unternehmen brauchen geheime Schiedsgerichte, sondern wenige Großunternehmen und einige Hundert Juristen, die sich darauf spezialisiert haben, am normalen Rechtssystem vorbei demokratische Entscheidungen zu torpedieren und den Steuerzahler für Absonderlichkeiten bluten zu lassen. Und wie reagieren die Kanadier?

Dr. Alexander Konstantinow, München

Eklatanter Vertrauensbruch

Es ist zum Verzweifeln! Die EU ist in einer ihre Existenz bedrohenden Krise, zu Recht werden große Anstrengungen unternommen, Vertrauen für sie und in sie neu aufzubauen. Und dann das: Millionen EU-Bürger haben gegen TTIP und Ceta protestiert, weil im Geheimen Verträge zugunsten der Großkonzerne und gegen Bürgerinteressen (so der meines Erachtens begründete Verdacht) abgeschlossen wurden bzw. werden sollten. Großkonzerne, von denen einige in kriminelle Machenschaften (Abgasmanipulationen, Betrügereien der Deutschen Bank u. ä.) verwickelt sind oder ohne Rücksicht auf das Gemeinwohl Steuern "minimieren".

Nun kommt ans Licht, dass - wieder im Geheimen - ein ähnlicher Vertrag mit Japan verhandelt wird. Für mich stellt sich die Frage, wie ich einer EU vertrauen kann, die wieder versucht, hinter dem Rücken der Öffentlichkeit, einen zutiefst umstrittenen Vertrag auszuhandeln. Das dringend notwendige Vertrauen entsteht nur, wenn öffentlich alle Argumente für und gegen ein solches Abkommen fair diskutiert werden.

Erich Kamm, Grassau

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