Frankreich:Bonne chance!

Wie und warum sollte Deutschland nun dem neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei seinen Reformbemühungen unter die Arme greifen? Die Leserbriefe zeigen, dass die Skepsis hier die Begeisterung überwiegt.

Beim Einkaufen; Frankreich Comic

SZ-Zeichnung: Karin Mihm

(Foto: Karin Mihm; Karin Mihm)

"Gabriel stellt sich gegen Schäuble" vom 22. Mai, "Eine Chance für Macron" vom 12. Mai und "Hilfe für Macron" vom 10. Mai:

Zeit für neue Ideen

"Macrons Programm ist ein neuer Ansatz. Er hat eine Chance verdient." Diesen Worten von Leo Klimm, dem Autor des Artikels "Eine Chance für Macron", kann ich nur beipflichten. Es ist wirklich unerträglich, wie Deutschland auf eine so große Aufbruchstimmung im Nachbarland reagiert. So viele Hoffnungen auch für Europa sind mit Macron verknüpft, da kann man nicht als "Schulmeister" auftreten, sich verstörend bedeckt halten und sagen: "Schaun mer mal, ob er überhaupt etwas zuwege bringt." Das ist so typisch deutsch desillusionierend, dass es wehtut. Wir haben die Verpflichtung, den jungen Leuten, die politikverdrossen sind, zu zeigen: Ja, wir wollen Veränderung. Der Frust, wie wenig reformiert wurde, trieb ja nicht nur Macron in die Politik, sondern hält bei uns die jungen Leute ab, überhaupt zur Wahl zu gehen. Wir müssen uns selbst verjüngen, das Kleben von Horst Seehofer und Wolfgang Schäuble an ihren Sitzen bringt die Gesellschaft nicht mehr weiter. Die Zeit der Vaterfiguren ist vorbei, es ist Zeit für junge Ideen, junge Leute, Cross-over-Denken. Vive la France und bonne chance, M.

Macron!Ursula Lauterbach, Kulmbach Die SPD will, dass wir Emmanuel Macron bei seinen schwierigen Reformen in Frankreich unterstützen, unter anderem indem durch mehr öffentliche Investitionen in das deutsche Straßen-, Schienen- und Kommunikationsnetz das Wirtschaftswachstum in Deutschland stimuliert wird und dadurch die deutschen Importe zunehmen. Konservative wie Neoliberale wollen auch Frankreich helfen, sträuben sich aber gegen mehr öffentliche Investitionen, weil dies die schwarze Null im Bundeshaushalt gefährden würde. Sie plädieren für Maßnahmen zur Senkung der Risiken im Euro-Raum und wollen darüber mehr private Investitionen im Euro-Raum anregen.

Gegen mehr öffentliche Investitionen in die Infrastruktur wird zum einen eingewandt, dass die deutsche Bauwirtschaft bereits an der Kapazitätsgrenze produziere. Aber haben wir nicht einen europäischen Binnenmarkt und können damit auf die Baukapazität aller EU-Länder zurückgreifen? Zum anderen wird darauf hingewiesen, dass mehr Geld gar nicht ausgegeben werden kann, weil neue Baumaßnahmen wegen der langwierigen Genehmigungsprozesse gar nicht in Angriff genommen werden können. Dieses Argument ignoriert, dass wir marode Schulhäuser und Straßen in großer Zahl haben und die Instandsetzung keines aufwendigen Genehmigungsverfahrens bedarf, sondern nur mehr Geldes für die Träger.

Vor diesem Hintergrund fragt man sich, warum wir nicht beides tun, nämlich das Investitionsklima im Euro-Raum durch die Verminderung von Risiken verbessern und über mehr öffentliche Investitionen das deutsche Wirtschaftswachstum erhöhen. Dies würde die Importe Deutschlands und des Euro-Raums steigern. Als Nebenwirkung würde es dem Protektionisten Donald Trump Wind aus den Segeln nehmen. Auf keinen Fall darf wegen des Popanzes "schwarze Null" riskiert werden, dass in fünf Jahren Frankreich vom Front National regiert wird. Wolfgang Gerstenberger, Kirchheim

Ein neuer Bonaparte?

Mein Problem mit Emmanuel Macron, aber auch mit Matteo Renzi in Italien ist, dass sie so tun, als wäre noch nie jemand auf ihre Ideen gekommen. Mit ihrer undemokratischen Vorgehensweise und "Effizienz"-Obsession, die bei der Lethargie ihrer jeweiligen politischen Systeme vielleicht verständlich sind, untergraben sie jeglichen langfristigen Erfolg, den sie eventuell haben werden. Demokratische Prozesse wurden ja nicht eingeführt, weil sie so einen Spaß bringen, sondern weil sie langfristig am stabilsten sind und dennoch Ergebnisse erzielen können. Macron muss mit seiner "Wir-haben-keine-Zeit- mehr"-Rhetorik aufpassen, nicht in den Bonapartismus früherer Jahrzehnte abzurutschen - ironischerweise wurde jetzt schon mehrfach darauf hingewiesen, dass er der jüngste französische Staatschef seit Napoléon sei. Johannes Clasen, Berlin

Die Mehrheit will das nicht

Wie verzweifelt muss die SPD sein? Kaum ist das Debakel der Schleswig-Holstein-Wahl bekannt geworden und in Frankreich die letzte Stimme ausgezählt, fühlen sich Parteivorsitzender und Außenminister bemüßigt, schnellstmöglich vom entgleisten Schulz- auf den dynamischen Macron-Zug aufzuspringen. Ein bisschen Rückenwind durch Anbiederung an den smarten designierten französischen Präsidenten kommt da gerade recht. Gabriel verkündet via Fernsehen, er habe das Wirtschaftskonzept mit Marcron erarbeitet, Schulz twittert, nun werde man "gemeinsam Europa verbessern". Dafür solle Deutschland bereits einen Tag nach der Wahl den Franzosen mit einem Euro-Bonds-Versprechen unter die Arme greifen, denn sonst drohe in fünf Jahren doch noch Madame Le Pen. Dies ist deutsche Sozialdemokratie pur: Mache Schulden und lasse möglichst andere dafür aufkommen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat ganz nüchtern analysiert, dass die Franzosen derzeit zu viel Geld ausgeben. Erst einmal also heißt es für den neuen Präsidenten, im eigenen Land Reformen auf den Weg zu bringen. Ein Signal aus Deutschland, in vorauseilendem Gehorsam schon mal vergemeinschaftete Schulden zu übernehmen, ist zum jetzigen Zeitpunkt weder geboten noch opportun. Genau dies hat die Kanzlerin ganz gelassen festgestellt. Es ist schon bemerkenswert, dass der Bundesaußenminister und ein ehemaliger EU-Parlamentspräsident, der Kanzler werden will, ihre oberste Aufgabe darin sehen, dem europäischen Nachbarn die Folgen seiner verfehlten Wirtschaftspolitik auf Kosten des eigenen Landes abzunehmen, um ihn vor einem Rechtsruck zu bewahren - und damit einem solchen im eigenen Land Vorschub leisten. Die große Mehrheit der Deutschen befürwortet nämlich keine Vergemeinschaftung der Schulden in der EU! Ute Nicolaisen-März, Pöcking

Genug eigene Probleme

Seit der Wahl von Emmanuel Macron wird, weniger von Frankreich als vielmehr von der SPD, ein europäischer Finanzminister mit eigenem Budget gefordert. Die SPD sollte sich im Hinblick auf die Bundestagswahl eigentlich um ihre eigenen Probleme kümmern, nicht um Frankreich. Und die Probleme der Franzosen müssen erst mal in Frankreich gelöst werden. Da hilft auch kein zusätzliches Budget. Was Deutschland machen könnte, wäre zum Beispiel eine Lockerung der Euro-Kriterien, also zusätzliche Investitionen erlauben, ob nun die Drei-Prozent-Grenze für die Verschuldung überschritten wird oder nicht. Ohne zusätzliche Investitionen gibt es auch in Frankreich keine neuen Jobs, keine Verbesserung der Wirtschaft. Ohne eine Modernisierung der Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in Frankreich gibt es keine Erholung. Da bliebe nur die Rückkehr zum Francs, dann kann Frankreich selbst Geld drucken, durch Inflation die Schulden abbauen und mehr. Axel Bock, München

Sparsamkeit als Ideologie

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble scheint am Ruin der EU zu arbeiten: Gefragt ist offensichtlich Solidarität in der EU, Schäuble verweigert sie. Die Sparsamkeit wird hier zur Ideologie. Ich denke an die hohe Arbeitslosigkeit, gerade unter der Jugend. Ist von hier nicht eine direkte Linie zur EU-Verweigerung in den südeuropäischen Ländern zu ziehen? Die Griechen haben sich "Reformen" gefallen lassen müssen, die tief in ihr Leben eingegriffen haben. Aber den "Lohn" dafür sollen sie nicht kriegen? Was wäre das für eine "Europäische Union"? Jedenfalls keine mit Solidarität. Unbeschadet der nötigen Reformen im griechischen Steuerwesen: Das deutsche Nein, wenn die Mehrzahl der Beteiligten zu Schuldenerleichterungen bereit ist, wäre eine verheerende Botschaft an alle EU-Mitglieder. Hermann Kuntz, Kaiserslautern

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