Flüchtlinge:Heilige Inquisition!

Wenn Flüchtlinge in Deutschland zum christlichen Glauben konvertieren, schaut das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ganz genau hin. Darüber hatte Bernd Kastner berichtet. Eine Leserin, selbst Pfarrerin, regt den Bau eines Glaubensthermometers an.

"Ungläubige Behörde" vom 13. März:

Ein Glaubensthermometer, das wäre eine feine Sache! Man könnte es den Flüchtlingen, die getauft werden wollen, unter die Zunge schieben und diejenigen ablehnen, die keinen heißen Eifer haben, sondern nur laue Worte. Die so ermittelten Glaubensgrade könnten dann auch in die Taufbescheinigung eingepflegt werden und in das pfarramtliche Zeugnis, welches das Engagement eines Christen in seiner Gemeinde dokumentiert. Ein Glaubensthermometer wäre nicht nur für die Überprüfung des Glaubens von Flüchtlingen eine feine Sache. Wie wünschte ich mir manchmal so ein Gerät in manchen anderen Taufgesprächen. "Sie versprechen, Ihr Kind im christlichen Glauben zu erziehen? Dann wollen wir mal schauen, ob aus tiefer innerer Überzeugung oder wegen der vermeintlich größeren Chance auf den Kindergartenplatz." Eine grandiose Vorstellung, doch sollte jemand behaupten, ein Glaubensthermometer erfunden zu haben, darf man ihn unbesehen als religiösen Quacksalber zum Schämen in die Ecke schicken.

Das Bamf meint jetzt, ganz ohne Geräte ermessen zu können, wie tief jemandes Glaube ist. Staunend liest man, ein getaufter Iraner habe nicht dargelegt, "den christlichen Glauben aus tiefer innerer Überzeugung angenommen zu haben". Er wirke "eher intellektuell informiert als persönlich berührt". Ein amtliches Urteil über den persönlichen Glauben eines Menschen hat sich in unseligen Zeiten die heilige Inquisition angemaßt. Solche Glaubensbeurteilung ist keine kleinere Sünde, wenn sie durch säkulare Staatsbedienstete erfolgt.

Es geht hier nicht allein um die Frage, wer die Hoheit über den Beurteilungsgegenstand "Glauben" hat, Staat oder Kirche. Es geht um den Gegenstand und das Beurteilen selbst. Es gibt nämlich keinen Glauben, den man "hat", als eine Art messbares emotional-spirituelles Seelenreservoir. Es gibt aber sehr wohl eine christliche Praxis, die man zum Beispiel daran ablesen kann, ob jemand sich im Gottesdienst blicken lässt oder nicht, ob er bei Gemeindeveranstaltungen mithilft oder nicht, ob er in der Bibel liest oder nicht, ob er Nachteile und Risiken für seine Taufe in Kauf nimmt oder nicht. Wenn alle so regelmäßig zum Gottesdienst kämen und sich am Gemeindeleben beteiligten wie die Flüchtlinge, die ich getauft habe, würde unsere Gemeinde aus allen Nähten platze. Silke Niemeyer, Pfarrerin, Lüdinghausen

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: