Deutsch in den USA:Alles Legende

Wäre Deutsch beinahe Amtsprache in den USA geworden? Das wird zwar immer wieder behauptet, wie erst jüngst in einem SZ-Artikel. Doch es ist falsch. Ein aufmerksamer SZ-Leser erklärt die historischen Zusammenhänge.

Eine historische Legende wird durch Wiederholung nicht wahrer, auch wenn sie von dem auf Form, Stil und Inhalt so bedachten renommierten Schriftsteller Martin Mosebach ("Und ich?", 5./6. Januar) verbreitet wird: "Mit einer knappen Mehrheit von einer deutschen Stimme wurde Deutsch als Landessprache der Vereinigten Staaten von Amerika verworfen."

Fast wortgleich findet sich diese Aussage übrigens bereits in einem Schulgeschichtsbuch von 1943. Was wollten die Nazis damit wohl beweisen? Sicher nicht dasselbe wie unser geschätzter Autor. Auch in meiner 35-jährigen Zeit als Gymnasiallehrer ist mir diese Legende im Geschichtsunterricht immer wieder begegnet und konnte zumindest bei meinen Schülern auf der Grundlage eines Artikels aus der New York Times von 1968 und eines Zeit-Artikels von 1971, also lange vor Wikipedia, widerlegt und - hoffentlich - "ausgerottet" werden.

Was sagen die historischen Fakten? An dieser sich hartnäckig haltenden Behauptung stimmt historisch so gut wie nichts: Nach dem Ergebnis der Volkszählung von 1790 sprachen von den vier Millionen US-Einwohnern nur 250 000 Deutsch. Selbst im Staate Pennsylvania mit der stärksten deutschen Minderheit von etwa einem Drittel wurde eine solche Parlamentsabstimmung nie durchgeführt. Doch jede Legende hat bekanntlich einen wahren Kern. Und so ist es auch hier: 1794 reichte eine Gruppe deutscher Einwanderer aus Virginia beim US-Repräsentantenhaus eine Petition ein, in der sie die Veröffentlichung von Gesetzestexten in deutscher Übersetzung forderten. Dies sollte den Einwanderern helfen, sich schneller mit den Gesetzen in der neuen Heimat zurechtzufinden. Doch der Antrag wurde vom Hauptausschuss des Repräsentantenhauses mit 42 zu 41 Stimmen abgelehnt. Dass es unter Deutschamerikanern über diese "Niederlage" einigen Unmut gegeben haben mag, ist denkbar. So ist wohl diese sogenannte Muehlenberg-Legende auch entstanden. Wolf-Ulrich Strittmatter, Ravensburg

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen.

Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch hier in der Digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung und bei Süddeutsche.de zu veröffentlichen.

forum@sueddeutsche.de

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: