Bundeshaushalt:Der maßlose Staat

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Schwimmt der deutsche Staat im Geld, wie es jüngst in der SZ hieß? Leser halten das angesichts des hohen Schuldenstandes für übertrieben. Ein Leser wünscht sich weniger dirigistische Eingriffe des Staates.

"Die 24-Milliarden-Frage" und "Der Staat schwimmt im Geld" vom 24. Februar:

Wenn nicht die Schulden wären...

Seit wann schwimmen wir im Geld - mit fast 2,3 Billionen Euro Schulden und stetig steigendem Schuldenstand? Haben wir schon vergessen, dass im Geld schwimmt, wer ein hohes Guthaben hat? Hätten wir keine Schulden, so könnten wir mit dem Betrag der Schuldenzinsen vorzüglich Investitionen tätigen. Jochen Renfordt, Hagen

Tropfen auf den heißen Stein

24 Milliarden Euro hört sich zunächst mal nach viel an. Der Staat sind wir, alle 80 Millionen. Das wären dann 300 Euro pro Nase: Damit kriege ich meine Badewanne nicht voll. Vollends absurd empfinde ich die Überschrift des Artikels "Der Staat schwimmt im Geld", wenn ich mir den Hintergrund der Überschüsse vor Augen führe: Wir leben in einem Staat, der über viele Jahrzehnte hinweg einen immensen Schuldenberg angehäuft hat. Der ist so hoch, dass es an der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank hängt, ob unser Staat einen Rekordüberschuss oder ein Defizit erwirtschaftet. In "Die 24-Milliarden-Frage" von Marc Beise kann man nachlesen, dass dieser Einfluss auf etwa 50 Milliarden Euro geschätzt wird. Wenn wir jahrzehnte-, vielleicht sogar jahrhundertelang diese Rekordüberschüsse erzielen könnten und die komplett in den Schuldenabbau stecken würden, könnten vielleicht unsere Ur...enkel einen Staat erleben, der selbst über das Geld verfügen kann, das er heute für Zinszahlungen ausgibt. Ihre Überschrift suggeriert, dass der Staat wie Dagobert Duck genügend Geld hätte, um alle durch Geldmangel verursachten Probleme lösen zu können - gefährlich, weil sich dieses gefühlte Wissen in weitreichenden Fehlentscheidungen manifestieren kann. "Ein Tropfen auf einem heißen Stein" fände ich treffender. Albrecht Müller, München

Zu viele Eingriffe

Die Haushaltsüberschüsse sind nicht nur auf die gegenwärtige Stärke der deutschen Wirtschaft zurückzuführen, der Staat sorgt schon auch mit seinem Recht, dass sich die Kassen kräftig füllen. Die Rechtsansprüche des Staates sind nicht selten maßlos, trotz Gewaltenteilung und Rechtsschutzgarantie unterliegt dann im Rechtsstreit meist der klagende Bürger. Der angestrebte Wohlfahrtsstaat, wie ihn Marc Beise jüngst beschrieb, vernichtet auf der Finanzierungsseite des Haushalts unternehmerische Existenzen.

Das beginnt bei einer Beschneidung der Freiheitsrechte: Nicht das von den Parteien des Arbeitsvertrags vereinbarte und bezahlte Arbeitsentgelt bildet die Bemessungsgrundlage für den Sozialversicherungsbeitrag, sondern der von Verwaltungsbeamten festgestellte und von den Sozialgerichten für richtig empfundene Entgeltanspruch ist Grundlage der staatlichen Beitragsforderung (das sogenannte Entstehungsprinzip). Der versicherungsrechtliche Sollanspruch steht im Gegensatz zum steuerlichen Zuflussprinzip, er stellt eine staatliche Preisregulierung dar, die im Gesetz keine Stütze findet. Nicht die tatsächliche Vergütung, sondern das, was der Staat für richtig hält, ist Bemessungsgrundlage des Sozialversicherungsbeitrags. Der Staat greift schamlos in die Privatautonomie ein.

Im Steuerrecht wird mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der "Verdeckten Gewinnausschüttung" ebenfalls in die Freiheitsrechte eingegriffen. Im Familienbetrieb etwa ist es der von den Verwaltungsjuristen erfundene Fremdvergleich, der bestimmen soll, was ein Geschäftsführer in seiner GmbH verdienen darf. Hat er nicht alles vorher rechtlich abgesichert, drohen ihm allein aus formalen Gründen (zum Beispiel fehlende oder unzureichende schriftliche Verträge) erhebliche Nachteile. Betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte zu angemessenen Faktorpreisen interessieren den Juristenstaat nicht. Stattdessen wuchert das bürokratische Übermaß, eine "gesichtslose Maschine" überrollt die freie Gesellschaft. Beamte oder Richter, die noch nie dem freien Wettbewerb ausgesetzt waren, schreiben dem Gesellschafter-Geschäftsführer schon lange vor, was seine unternehmerische Arbeit wert ist. Grundlage der bürokratischen Anmaßung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff.

Der zentralverwaltungswirtschaftliche Dirigismus bringt indes die Wirtschaft nicht voran. Die freie Marktwirtschaft braucht zwar eine ordnende Hand, aber keinen selbstherrlichen Diktator. Der Staat sollte daher in das freie Spiel der Kräfte nur mit wohlbedachtem Augenmaß eingreifen. Das ist die Botschaft, die Marc Beise vermitteln will. Wer ohne Not, nur um des politischen Einflusses willen, oder um die Staatskassen zu füllen, die bürgerlichen Freiheiten beschneidet, braucht sich nicht zu wundern, wenn sich der Staat am Ende allseits wie ein Zuchtmeister benimmt. Ernst Büchele, Oberhaching

Restesammler

Der deutsche Staat verfügt über so viel Geld wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Aber die lange verdeckte Armut tritt immer mehr zutage: Flaschensammler, Essensrestesammler in großer existenzieller Notlage. Täglich zu sehen, vor allem in den Städten, mitten unter uns. Auch Menschen, die ein Arbeitsleben lang in die Sozialkassen eingezahlt haben. Was für eine Politik; was für ein Staat! Michael Mieslinger, Eichenau

© SZ vom 10.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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