Borussia Dortmund:Verschärfte Bedingungen

Nach einem Anschlag auf ihren Mannschaftsbus durften die Fußballspieler des BVB nicht innehalten, sondern mussten gleich am nächsten Tag zu einem wichtigen Spiel antreten - das sie verloren. Leser sind darüber geteilter Meinung.

Borussia Dortmund: Stehen oder weichen? Ein Borussen-Fan nach der Absage des Hinspiels gegen AS Monaco.

Stehen oder weichen? Ein Borussen-Fan nach der Absage des Hinspiels gegen AS Monaco.

(Foto: Getty Images)

"Verstörung" vom 15./16./17. April, "Als sei der Fußball heilig" vom 13./14. April:

Raus aus der Zwickmühle

Die Anschläge drohen sich in eine zeitlose Folge von Schocks zu verwandeln, resümiert Carolin Emcke in "Verstörung". Und richtet ihren Blick auf das Dortmund-Attentat und seine Vorgänger in immer kürzeren Abständen. Ihr Kommentar skizziert ein Entweder-Oder. Zwischen Schock und Normalität. Sollen wir Medienkonsumenten uns vom Schock, vermittelt durch die Berichterstattung, erschüttern lassen? Das erfreut, so denke ich, die Täter. Das Oder: Die Täter-Aktionen als Normalität "akzeptieren" und sie damit der Verachtung, auch in den Medien, zuführen - hoffend, dass die fehlende Resonanz die Terroristen entmutigt? Oder ist auch diese "Normalität" ein Hoch für die Attentäter?

Hätten Dortmunds Spieler sofort wieder antreten sollen, um den Tätern ihren Triumph über die Normalität zu rauben? Hätte ein "Innehalten" den Attentaten eine höhere Bedeutung verschafft? Ich befürchte, und meine Fragen beinhalten ebenfalls dieses "Entweder-Oder", wir bewegen uns im Gesellschaftsspiel der "Zwickmühle". Wir müssen uns, im Interesse unseres demokratischen Gemeinwesens, für einen klaren Weg aus dem Bild dieser Zwickmühle entscheiden. Das Bild ist einfach, der Weg nicht. Bildungs(politik) zumindest in unseren Schulen, "Gegen den Hass" scheint mir ein erster notwendiger Schritt zu sein. Und wenn sich erst Dortmund und Schalke respektieren...!? Wäre dies ein Weg? Reinhard Kniepkamp, Gütersloh

Unmenschlicher Kapitalismus

Ich selbst war hin- und hergerissen bezüglich dieser Spielansetzung BVB gegen Monaco nach dem Anschlag auf den Bus. Normalität oder Innehalten? Stehen oder Weichen? Carolin Emckes Meinung hat mich in meinen Gedanken gestärkt, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Und sie hat recht: Die Opfer zu instrumentalisieren, Spielplan hin, Ökonomie her, ist ein zusätzliches Vergehen oder sogar Verbrechen, das sich so nicht wiederholen darf. Es klingt vielleicht doof, aber auch Fußballprofis sind Menschen. In diesem Fall Menschen, die nur mit viel Glück und eher zufällig schweren Verletzungen oder dem Tod entronnen sind. Diese in solcher Weise - mit einer neuerlichen Spielansetzung binnen 22 Stunden - zu nötigen, war eine Form von Unmenschlichkeit, wie wir sie leider immer öfter erleben. Hier paarte sich die unmenschliche Seite des Kapitalismus (in der Uefa) mit dem Trotz gegenüber dem Verbrechen Terror (rechts?/links?/ Islamismus?) in der Politik. Die Banalisierung sollten wir, im Sinne der Opfer und aller Betroffenen, nicht zulassen und niemals akzeptieren. Gerhard Zittel, Hamburg

Robuste Sportler

Ich gratuliere dem BVB zu seiner Entscheidung, am nächsten Tag zu spielen, ein Zeichen zu setzen, sich nicht einschüchtern zu lassen, zu zeigen, dass die Elite (Fußballelite) sich vorbildhaft (vielleicht mutig?) verhält, es dem einzelnen Spieler überlässt, sich nach dem Trauma zu entscheiden, ob er spielen kann, möchte.

Wir alle unterliegen Zwängen, Ängsten, die es zu akzeptieren, zu überwinden oder zu bekämpfen gilt. Fußball ist eine robuste, wettkämpferische Mannschaftssportart; ich setze voraus, dass alle Spieler ehrgeizig, zielstrebig, talentiert sind und in ihrer Karriere Höhen und Tiefen erlebt haben, kurzum bedeutsame Lebenserfahrung mitbringen und damit autonom, souverän entscheiden können. Dr. Klaus-Peter Zeh, Volkach

Eiskaltes Basta

Der Geschäftsführer von Borussia Dortmund, Joachim Watzke, hat sich als souveräner, besonnener und überlegener Krisenmanager geriert und feiern lassen. Tatsächlich haben sich Watzke, der sonst gerne von seiner Fürsorge für die Spieler spricht, und Reinhard Rauball als knallharte, eiskalte Unternehmer erwiesen: selbstherrlich und menschenverachtend. Sie haben der sofortigen Spielwiederholung zugestimmt, ohne vorher die unmittelbar Betroffenen (Trainer und Spieler) zu hören oder sie gar in eine Entscheidung einzubeziehen. Diese "Basta-Entscheidung" bezeichnete Watzke als alternativlos. Eine fadenscheinige Ausrede, um jede Diskussion von vorneherein abzuschneiden.

Natürlich gab es noch Alternativen. Eine - sicher nicht ideale - Lösung wäre vielleicht ein Ausscheidungsspiel auf neutralem Platz gewesen. Wie hätte man denn entschieden, wenn Spieler bei dem Anschlag ums Leben gekommen wären? Hätte es dann auch keine andere Alternative als eine Spielwiederholung tags darauf gegeben? Herbert Tröger, Esslingen

Menschen

Es ist mir schleierhaft, warum die Medien - gleich ob Print oder TV - in nahezu allen Meldungen vom Anschlag auf den Mannschaftsbus sprechen. Es war ein Anschlag auf Menschen! Nämlich auf die Spieler und Betreuer und nicht auf irgendein Objekt. Warum wundern Sie sich, dass Menschen oft nicht mit der von Medienmachern und -macherinnen benutzten Sprache einverstanden oder, wie ich in diesem Fall, ob der Gedankenlosigkeit entsetzt sind? Dr. Dieter Hölterhoff, Hamburg

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