Bahn:Prinzip Banane

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Die Bahn reift neuerdings beim Kunden, kritisiert ein Leser. Ein anderer sieht bei dem Zwitterwesen - Monopolist und AG - kaum noch Spielraum zur Einbindung in ein Verkehrskonzept der Zukunft.

SZ-Zeichnung: Michael Holtschulte (Foto: Michael Holtschulte)

"Die Gelegenheit wäre gut" vom 13. Dezember und "Die mal wieder" vom 11. Dezember:

Der Zug reift beim Kunden

Die "Pannen" an der Neubaustrecke Ebensfeld-Erfurt sind ja keine Strecken-"Pannen", sondern "Pannen" der modifizierten ICE-3-Zuggarnituren, bei denen man mit Redesign und Einbau des ETCS leider zu wenig Zeit hatte, diese Züge in einem Vorlaufbetrieb so lange einzufahren, bis alle Komponenten auch reibungslos zusammenspielen. Das ist die "neue Zeit", die Hektik unserer Tage, wo Termine viel zu eng gesetzt werden. Dann kommt es eben zu "Pannen". In der Automobilindustrie hat man mit neuen Modellen das sogenannte Banane-Prinzip, was heißt: "Reift beim Kunden!" Und das ist nun leider auch bei der Bahn so - während man sich früher beim Versuchsamt der Deutschen Bundesbahn (VersA) mehr Zeit nahm und neue, beziehungsweise technisch überarbeitete Triebfahrzeuge erst sehr sorgfältig in nahezu jeder Hinsicht überprüfte und zahlreiche Einstellfahrten unternahm, bevor es "Streckenfreigabe" gab. Manfred Knappe, München

Ärger, purer Ärger

Ich bin mir nicht sicher, ob es Häme ist, wenn Kunden über die Unvollkommenheiten der Bahn schimpfen. Mein Beweggrund ist Ärger. Ich bin betroffen, wenn meine Bahnfahrt anders verläuft als beworben, gebucht und bezahlt. Und wir sind, als Kunden, noch viel zu nachsichtig mit dem Unternehmen Deutsche Bahn AG. Schauen wir doch mal in den Alltag: Störung im Betriebsablauf, Schnee und Eis, Signalstörung, Weichenstörung, Störung an einem Bahnübergang, Verspätung aus vorhergehender Fahrt. Defekte WCs und Türen. Technische Störung am Zug. Das alles liegt innerhalb der Wirkungsbereiche der Deutsche Bahn AG. Es ist deren Entscheidung, jedes Gerät, das zum reibungslosen Betrieb eines fahrplanmäßigen Zuges erforderlich ist, zu inspizieren, zu warten, zu reparieren.

Das wird derzeit, vielleicht regional unterschiedlich, nicht als Kompetenz der Bahn wahrgenommen.

Ziel der Bahn muss es sein, dass es als eine Ausnahme, dass es als ungewöhnlich betrachtet wird, wenn etwas schiefgeht. Die Katastrophe in der Wahrnehmung des Unternehmens liegt darin, dass Bahnkunden sich gegenseitig ihr Leid klagen können. Ich würde mich freuen, wenn ich eine Verspätung als ungewöhnlich wahrnehmen könnte, wenn ich mich nicht darüber ärgern müsste, dass ein WC nicht funktioniert, sondern mich darüber mit großen Augen wundern würde. Michael Odenthal, Kiel

Probier's mal mit Gelassenheit

Reiht sich nun auch noch die SZ in die Phalanx derer ein, die jetzt nahezu stündlich Wasserstandsmeldungen über den Betrieb auf der neuen Strecke abgeben? Es ist doch wohl nicht so ganz ungewöhnlich, dass sich so ein völlig neues technisches System wie die Zugsicherung ETCS in Verbindung mit ebenso neuen Zuggarnituren erst einmal "warmlaufen" und stabilisieren muss. Und zwar im kommerziellen Tageseinsatz, nicht nur in Testläufen. Beim ICE 1 war das seinerzeit auf der Schnellfahrstrecke Hannover-Würzburg auch nicht anders. Irgendwann hatte sich das eingespielt, und es wird auch nach Berlin so kommen. Ein wenig Gelassenheit stünde auch den Deutschen gut an. Nikolaus Jöckel, Offenbach am Main

Zwei Stunden früher fahren

"Dreifünfundfünfzig" vom 9./10. Dezember: Was für ein großartiges Gespür für den wunden Punkt. Gratulation und Dank für diesen Text. Für mich berührt dieser grandiose Artikel drei Punkte. Als Jenenser, den es vor 55 Jahren nach München gebracht hat, die Sentimentalität. Als Freund der Berliner Philharmoniker und passionierter Bahnfahrer bin ich öfter auf dem Weg nach Berlin. Als Steuerzahler bin ich stinksauer. Für viele Milliarden Steuergeld haben nun Leute, die sich ungeheuer wichtig vorkommen, zwei Stunden Zeit gespart, wenn sie von München nach Berlin kommen wollen. Was außer der Tatsache, dass wir so etwas nun nach dreißigjähriger Verspätung auch können (Japan, Frankreich), ist denn bewiesen?

Etwa, dass man eine der wenigen Städte, die es nach der Wende geschafft haben, nun wieder ins Abseits schiebt? Warum muss man eigentlich zwei Stunden schneller in München ankommen, wenn man einen wichtigen Termin hat? Man könnte ja auch zwei Stunden früher fahren. Manfred Bischoff, München

Im Nachtzug war's am besten

"Schön schnell, aber lange nicht genug" vom 8. Dezember: Als Vielbahnfahrerin muss ich dazu leider sagen, dass die wirklich zeitsparende Möglichkeit, von München nach Berlin zu kommen, 2015 abgeschafft wurde: der echte Nachtzug mit Liege- und Schlafplätzen. Die vier Stunden im ICE gehen einem immer noch von Arbeitszeit, Freizeit oder Nachtruhe verloren, während man früher um 22 Uhr einsteigen, sich ins Bett legen und um sieben Uhr am Ziel wieder aussteigen konnte, und damit nur die normale Schlafenszeit für die Fahrt benötigt hat. Wenn man außerdem betrachtet, dass sogar Landeshauptstädte wie Potsdam oder Magdeburg über die Jahre dank neuer Hochgeschwindigkeitsstrecken praktisch komplett vom Fernverkehr abgehängt wurden und sich damit die Fahrzeiten zu vielen Zielen verlängert haben, fragt man sich, ob es wirklich der Hauptsinn der Bahn ist, nur mit Geschwindigkeit zwischen einigen Großstädten dem Flugzeug direkte Konkurrenz machen zu wollen. Sehr schade, dass diese Mobilität der Zukunft bisher mit einigen Verschlechterungen einhergeht. Monika Korte, Schwielowsee

Bequem abgezockt

Die Deutsche Bahn macht nur Fehler, besonders wegen der ewigen Nichteinhaltung des Fahrplans, die den Kunden strapazieren. Aber wenn der Kunde es sich zeitlich nicht leisten kann, den Zug zu verpassen, und im Reisecenter, wie üblich, lange Schlangen stehen, ist man gezwungen, das Ticket im Zug zu lösen. Ein einfacher elektronischer Vorgang, den sich die Bahn mit 12,50 Euro teuer und damit weit überzogen bezahlen lässt, was schon fast einer Bestrafung oder zumindest einem Bußgeld gleichkommt. Frei nach dem Motto: Was wir machen, ist unsere Sache und "du" bist nur ein Customer, den man bequem abzocken kann.

Ein kundenfreundliches Verhalten stelle ich mir jedenfalls anders vor. Ich halte diesen Vorgang für äußerst kritikwürdig und nicht nachvollziehbar, und es ist höchste Zeit, dass die Presse hier den Finger in die Wunde legt. Dr. Hans-Werner Mollenhauer, Birkenhördt

Zukunftskonzepte basteln

Caspar Busses Kommentar "Die Gelegenheit wäre gut" zur Bahn ist der perfekte Extrakt zur Situation des Unternehmens und der Bedeutung für Deutschlands Mobilität. Als Pendler kann man hasserfüllte oder humoristische Bücher mit Bahn-Anekdoten füllen - aber bei dem angesprochenen Blick in die Zukunft hilft das ja nicht. Und die eingefleischten Autostaufahrer interessiert das nicht.

Nur wenn sich die wackelnde deutsche Autoindustrie mit der Bahn und den anderen Öffentlichen an einen Tisch setzen würde, moderiert von der Politik, könnte man zukünftige Mobilitätskonzepte basteln. Ohne Defätist zu sein, fällt es schwer, an konkrete Konzepte und deren Umsetzung zu glauben. Den Optimismus hat uns die ignorante Haltung von Politik und Industrie zum Thema Klimaschutz leider längst genommen. Gregor Ortmeyer, Düsseldorf

Monopolist und AG

Der Umstand, ein Staatsunternehmen zu sein, sei das Kernproblem mit der DB, so suggeriert der Artikel von Caspar Busse. Meines Erachtens liegt dies jedoch an der Kombination, Monopolist im Fernverkehr und faktisch ein Privatunternehmen zu sein. Die DB ist privatrechtlich (Artikel 87e des Grundgesetzes) als AG organisiert, deren Börsengang nicht definitiv abgesagt, sondern nur verschoben wurde. Wesentliche Triebfeder ist das Maximieren der Rendite. Und wie für markwirtschaftlich agierende Unternehmen üblich, ist das Marktschreierische Bestandteil des Geschäfts. So wurde der Fahrplan aus Marketinggründen schon immer ausgereizt, ja überzogen und nicht erst mit den vier Stunden Berlin - München.

Dass die DB noch ein Staatsunternehmen ist, bietet die Möglichkeit, sie in eine verkehrspolitische Gesamtkonzeption für Deutschland einzubinden, wenn denn die Politik es will. Ist die DB erst einmal ein Privatunternehmen, so kann sie sich einer derartigen Verantwortung entziehen, und wir bekommen Verhältnisse, die denen in Großbritannien ähneln. Wolfgang Wendt, Berlin

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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