Bahn:Je länger, je lieber?

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Der Text "München-Berlin - ein Traum" kam Lesern so vor, als wolle man die Bahn jetzt auch noch dafür loben, dass sie für den Ausbau der Bahntrasse München-Berlin 25 Jahre gebraucht hat. Eine Leserin sieht darin nichts Gutes.

"München-Berlin - ein Traum" vom 24./25. Juni:

"Gewiss, die Bauzeit war mit mehr als 25 Jahren extrem lang...", heißt es in oben genanntem Artikel. Es ist nicht zu glauben: Während sich die Medien seit Jahren am BERliner Flughafen-Debakel abarbeiten, hat die Deutsche Bahn anscheinend Narrenfreiheit und darf sich vom Autor feiern und loben lassen. Das nennt man neuerdings das "Elphi-Syndrom". Eine Baustelle muss nur lang genug über der Zeit und weit über den anfangs veranschlagten Kosten liegen - ist sie erst einmal fertig, geht jede frühere Kritik im Jubel unter. Schwamm drüber! Natürlich: Auch ich freue mich als langjähriger Pendler über zwei Stunden weniger Fahrzeit. Aber der Deutschen Bahn muss man für Kostenexplosion, "versandelte" Bauzeiten und unsägliche Strecken-Politik nicht auch noch Kränze winden! Stefan Krause, Berlin

Schlechter als vor 20 Jahren

Darauf kann ich nur antworten: München-Berlin ein Albtraum. Immer mehr Orte, zum Beispiel Weimar (65 000 Einwohner) werden willkürlich vom deutschen Bahnnetz genommen. Das Großprojekt Berlin-München dient allein den Geschäftsreisenden. Der Normalo, der gute Verbindungen braucht zwischen den mittelgroßen und kleinen Städten, wird vom Netz abgehängt. Die Bahn bedient die Oberen, die anderen bleiben auf der Strecke. Für Weimar bedeutet das, bei jeder Fahrt nach Frankfurt in Erfurt umsteigen zu müssen.

Die Verbindung Berlin-München ist nur der Ausdruck eines Größenwahns - immer schneller, immer größer, den wir auch in anderen Bereichen sehen, wie der Kreuzschifffahrt, den Monsterflugzeugen und den Riesenlastern. Sie dienen dem Zweck der Technikbesessenen, die keine Grenzen sehen, auch nicht in der Umweltzerstörung. Heute ist die Bahn schlechter als vor 20 Jahren - ungerechte, widersinnige Preisgestaltung, weniger Verbindungen für ländliche Regionen, Abbau des Personals und somit der Serviceleistung, Wartezeiten an wenigen Schaltern, zum Teil vollkommen verödete Bahnhöfe ohne einen Menschen, den man ansprechen kann. Dazu noch der Konsumtempel Bahnhof statt Auskunft und Sitzplätze zum Warten.

Die Reisenden brauchen kein Schnellstreckennetz, sondern eine Bahn, die Berufstätige und Reisende (auch Rentner) sicher, ohne Verspätung und grässliches Umsteigen zu einem vertretbaren Preis befördert. Schön wäre auch, wenn der Service nicht abgebaut, sondern erweitert würde. Menschen aus dem Ausland würden sich freuen, wenn sie einen vorfinden würden, der ihnen, hilft die Fahrkartenautomaten und Fahrpläne zu entziffern.

Früher war die Bahn ein Vorzeigebetrieb. Heute haben die Macher das sagen. Sie sorgen für Gewinne (das einzige, was sie interessiert), die unter anderem ihre hohen Gehälter generieren. Monika Utermann, Weimar

© SZ vom 03.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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