Autoindustrie:Hoch lebe die Kungelei

Die Top-Manager der Autokonzerne sollen sich bei geheimen Treffen über ihre Strategie abgestimmt haben. Die Leser sagen, das System sei zum Mogeln und Paktieren gemacht. Überrascht sein könne nur der Heuchler.

Autoindustrie: In Bedrängnis: Die Top-Manager Müller (VW), Krüger (BMW) und Zetsche (Daimler, von links) sollen sich in geheimen Arbeitsgemeinschaften über Technik, Kosten, Zulieferer und die Abgasreinigung ihrer Diesel abgesprochen haben.

In Bedrängnis: Die Top-Manager Müller (VW), Krüger (BMW) und Zetsche (Daimler, von links) sollen sich in geheimen Arbeitsgemeinschaften über Technik, Kosten, Zulieferer und die Abgasreinigung ihrer Diesel abgesprochen haben.

(Foto: dpa)

"EU kennt seit Jahren Kartell-Verdacht der Autobranche" vom 27. Juli, "Kungeln statt Konkurrieren" vom 25. Juli und "Ein ungeheurer Verdacht" vom 22./23. Juli, sowie weitere Artikel zum Thema:

Giga-Gehalt fürs Tricksen

Neun Kartellsfälle und Bußgelder in Höhe von sechs Milliarden Euro. Das ist die Bilanz der Autobranche in Europa in den letzten zehn Jahren. In Deutschland gab es mal die sogenannte Abwrackprämie, die der leidenden Autoindustrie während der sogenannten Finanzkrise unter die Arme griff. Hinzu kamen die Zahlungen der Bundesagentur für Arbeit für die Kurzarbeit. Die Bundeszuschüsse für die Autoindustrie bezifferten sich insgesamt auf zirka drei Milliarden Euro. Sechs Milliarden Euro Kartellbuße stehen drei Milliarden Euro Steuersubventionen gegenüber. Die Steuerzahler haben also die Hälfte der Strafe einer kriminellen Vereinigung bezahlt. Jetzt verstehe ich die gigantischen Managergehälter in dieser Industrie: Wer innovativ handelt, muss gut bezahlt werden.

Detlef Motl, Berlin

Tränen der Wut

Mir kommen die Tränen, möglicherweise solche der Wut. Kaum stinken bei der Autoindustrie der Abgasskandal (wörtlich) und Kartellverstöße (übertragen) zum Himmel, wird der Sprechblasen-Generator zum Zwecke der Beschwichtigung angeworfen. Es gilt für den Präsidenten des VDA, Matthias Wissmann, einen "Teil des Deutschlandbildes" zu schützen. Auch eine "kulturelle Neudefinition" wird propagiert. Ja, man wolle "mehr Selbstreflexion üben". Aber bitte "keine Vorverurteilungen und kein Pauschalurteil" über die gesamte Branche. Soll uns mit feinen Worten weisgemacht werden, die ehemaligen und gegenwärtigen Verkehrsminister hätten nichts gewusst?

Augustin Lay, München

Drei Taubstumme

Ein Schelm, wer glaubt, ohne die bevorstehende Wahl würde sich auch nur ein Politiker um Diesel- und Kartellskandale kümmern. Im Gegenteil: Auch aktuell würde das Gesetz der drei Affen, wie bislang, gelten: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Lukrative Beraterjobs in der Autoindustrie locken auch weiterhin. Hoch lebe die Kungelei, der Steuerzahler wird's wohl richten.

Norbert Kemp, Regenstauf

Welchen Saudi interessiert's?

Bei aller Empörung hierzulande wird offensichtlich übersehen, dass es sich bei BMW, Daimler und VW um einen globalen Monopolisten außer Konkurrenz handelt. Was interessieren einen reichen Saudi, Chinesen oder Amerikaner ein "deutsches Autokartell" oder ein Abgasskandal? Er möchte das technologisch beste (Luxus-)Auto.

Dr. Paul Fischer, Augsburg

Von Strafe freigekauft

Schlimm genug, dass die Autokonzerne die Käufer bei den Abgaswerten betrügen und dafür rechtlich nicht belangt werden. Dass sie durch solche Selbstanzeigen, wie im Fall von Daimler, dann auch noch Straffreiheit für Kartellabsprachen erlangen, ist hanebüchen. Wenn die staatlichen Organe durch ihr Versagen es nicht schaffen, solche Machenschaften aufzudecken, und deshalb auf das Instrument Selbstanzeige verfallen, sollte es, wenn überhaupt, eine Milderung von zehn bis 20 Prozent der zu erwarteten Strafe geben. Denn sicherlich ist die Anzeige erst aufgrund einer erwarteten Aufdeckung zuvor gekommen.

Michael Beck, Wolfenbüttel

Vermeintliche Gewinner

"Am Automobilmarkt herrscht Krieg, und ich will diesen Krieg gewinnen." An diese Aussage von Ferdinand Piëch musste ich bei den neuesten Vorwürfen denken. Technische Innovationen entstehen durch geistige Konkurrenz. Sollen diese Erfindungen ins echte Leben überführt werden, darf es aber nicht auf gruppenegoistische Interessen beschränkt bleiben. Die Kriegsideologie des Wirtschaftens hat uns in Deutschland relativen Wohlstand beschert. Aber der Gemeinwohlaspekt kommt zu kurz. Noch ist es bequemer, mit der "Sportidee" weiterzumachen, Gewinner und Verlierer zu produzieren. Dass die vermeintlichen "Gewinner" unlautere Mittel benutzt haben, darf dann aber nicht aufregen.

Michael Munk, Kassel

Tut doch nicht so

Die Aufregung über die Skandale in der deutschen Autoindustrie grenzt gleich dreifach an Heuchelei. Die Tatsache, dass in einer oligopolistischen Anbieterstruktur gekungelt wird, ist systemimmanent. Das wusste schon Karl Marx. Zweitens: Der Cheflobbyist Wissmann verhindert seit Jahren klare Regeln und Kontrollen, und die politisch Verantwortlichen fügen sich seiner Regie. Scheinbar ist "too big to fail" seit der Finanzkrise immer noch ein Argument. Drittens scheint mir die Rolle des Landes Niedersachsen bei VW die des Schlafwandlers zu sein. Man sitzt im Kontrollgremium und ruft publikumswirksam nach Aufklärung. Nachdem schon Martin Winterkorn nichts gewusst hatte, sollte man mit den Vertretern des Landes natürlich nicht allzu hart ins Gericht gehen. Wenn jetzt noch die Abwrackprämie ins Spiel gebracht wird, um der "notleidenden" Autoindustrie unter die Arme zu greifen, dann ist der Ehrliche wirklich der Dumme.

Jürgen Rohlfshagen, Quickborn

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