AfD:Hetze mit Kalkül

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Sind die ausländerfeindlichen Tweets der AfD-Politikerinnen Beatrix von Storch und Alice Weidel ein Fall für das Strafrecht? Ja, meint eine Leserin und begründet das mit Deutschlands unseliger Vergangenheit.

SZ-Zeichnung: Denis Metz (Foto: N/A)

Zu den Artikeln "Kein Fall für das Strafrecht" vom 4. Januar sowie "Wenn Twitter löscht" und "Was kriminell ist" vom 3. Januar über die Tweets der beiden AfD-Politikerinnen Beatrix von Storch und Alice Weidel:

Minderheiten schützen

Die (in der Tat kalkulierten) Ausfälle von Beatrix von Storch und die fast noch schlimmere Beipflichtung von Alice Weidel sind sehr wohl ein Fall für das Strafrecht! Ich bin nicht der Meinung, dass wir uns die Ausfälle Storchs schönreden müssen, damit nur ja kein Straftatbestand erfüllt ist. Entscheidend ist nicht, wie man die Äußerungen mit allerlei verbalen Klimmzügen interpretieren könnte, sondern wie sie gemeint waren.

Das Bundesverfassungsgericht befasste sich mit Fällen, in denen der jeweilige (in der Regel ebenfalls nicht zimperliche) politische Gegner verunglimpft wurde, und nicht mit Fällen, in denen Minderheiten verbal ihre Würde genommen wird. Minderheiten und Schwächere zu entmenschlichen hat nichts mit "politischem Meinungskampf" zu tun. Die Flüchtlingspolitik kann man auch sachlich kritisieren.

Ich bin auch nicht der Auffassung, dass wir uns bei Hetze gegen Minderheiten ein "dickeres Fell" zulegen müssen. Unsere eigene Geschichte zeigt, dass der Hetze gegen Minderheiten auch Taten folgen, dass die Hemmungen, diese auch tätlich anzugreifen oder Menschenrechtsverletzungen hinzunehmen, sinken, wenn ihnen vorher durch Hetze die Würde genommen wurde. Der Massenmord an Juden im Dritten Reich begann mit Schildern wie "Kauft nicht bei Juden" oder Filmen wie "Jud Süß" und endete mit den Gaskammern, ohne dass es die meisten Deutschen gekümmert hat, da sie Juden nach der Hetze nicht mehr als Menschen betrachtet haben.

Wie der Aufstieg der AfD und die Wahl Donald Trumps zeigen, ist auch unsere Demokratie nicht stabil genug, als dass man sie und unsere Rechtsordnung nicht verteidigen muss. Nicole Meyer, Haßfurt

Furchtbare arabische Getränke

Ich habe volles Verständnis für Beatrix von Storchs Probleme mit der arabischen Sprache und möchte ihr gerne noch zusätzliche Gefahrenherde aufweisen, die sie in Zukunft besser meiden sollte: Sie wäre gut beraten, in Zukunft ihre Buchführung und was sonst noch in ihrem Leben mit Zahlen zu tun hat, auf römische Ziffern umzustellen. Das wäre vermutlich um einiges umständlicher als das Rechnen mit den sonst bei uns üblichen Zahlen - aber es würde dieser AfD-Politikerin die Peinlichkeit ersparen, mit "arabischen Zahlen" zu arbeiten. Zeitungen sollte sie besser nicht mehr an einem "Kiosk" kaufen - weil das ein arabisch-türkisches Wort ist. Und "Kaffee" trinken oder gar "Mokka" sollte sie besser bleiben lassen, weil das ebenfalls furchtbare arabische Getränke sind. Eine "Tasse Kaffee" zu bestellen, ist sogar doppelt gefährlich - ist doch auch "Tasse", leider, ein Wort arabischen Ursprungs. Und "Marzipan" dazu schnabulieren? Igitt! - das ist leider auch was "Arabisches". Ein Blick in den nächtlichen Sternenhimmel? Tabu für AfDler, denn dort wimmelt es nur so von Sternen mit arabischen Namen wie "Altair" und "Beteigeuze" (beide im Sternbild des Orion - der zum Glück von den Griechen benannt wurde). Auf keinen Fall sollte Beatrix von Storch - oder sonst jemand von den arabophoben AfDlern - in Zukunft zum Arzt gehen. Denn sie kann nie sicher sein, ob sie da nicht mit Wissen und Methoden behandelt wird, welche einst die arabischen Mediziner entwickelt haben, während das christliche Abendland in öder Unwissenheit dahindämmerte. Sicherheitshalber sollte die Dame sich das "Kleine Lexikon deutscher Wörter arabischer Herkunft" von Nabil Osman besorgen (1982 im Beck-Verlag erschienen). Dr. Jürgen vom Scheidt, München

Ein Skandal muss her

Die Twitter-Kommentare Storchs zeigen alte und neue Verhaltensweisen der AfD auf: Alt ist die Hetze gegen Ausländer, alt ist die Methode der Skandalisierung, alt ist das Suchen der Opferrolle. Neu ist ihre Position als Bundestagsabgeordnete (wie wirkt die Drohung der Aufhebung ihrer Immunität durch Strafanzeigen?), neu ist das Austesten des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, neu ist auch das Ausmaß des geposteten Blödsinns. Die Kölner Polizei hat mit ihrem besonnenen Vorgehen in der Silvesternacht für eine fröhlich-friedliche Feier gesorgt. Das Posten eines Tweets in arabischer Sprache war ein Teil dieses Vorgehens. Natürlich wäre es Storch lieber gewesen, wenn es tatsächlich zu Übergriffen und sexuellen Belästigungen von Ausländern gegen deutsche Frauen gekommen wäre, doch ein besonnenes, erfolgreiches Vorgehen der Polizei zum Skandal zu machen scheint ihr lieber zu sein, als auf eine Skandalisierung zu verzichten. Holger Sievers, Northeim

© SZ vom 13.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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