Zulassung zum Medizin-Studium:Ärztin ohne Abi

Auf einen Studienplatz für Medizin durften früher nur Abiturienten hoffen. Das hat sich geändert, inzwischen zählt auch Berufserfahrung. Eine der ersten Ärztinnen ohne Abitur in Bayern ist Eva Scheerer aus Regensburg.

Nicolas Zeitler

Auf einen Studienplatz für Medizin durften früher nur Abiturienten hoffen. Das hat sich geändert. Immer mehr Bundesländer öffnen den Hochschulzugang unter anderem für Absolventen von Fachschulen und für Berufstätige, die eine fachverwandte Ausbildung und mehrere Jahre Praxiserfahrung mitbringen. Eine der ersten Ärztinnen ohne Abitur in Bayern ist Eva Scheerer. Die 34-Jährige hat im Mai in Regensburg ihr zweites Staatsexamen abgelegt.

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An der Universität Würzburg erhielten Studenten schon für Arbeiten von nur 35 Seiten einen Doktortitel. Das hat jetzt Konsequenzen.

(Foto: ag.ddp)

SZ: Wie sind Sie ohne Abitur zu einem Medizin-Studienplatz gekommen?

Eva Scheerer: Ich bin Krankenpflegerin und habe eine zweijährige Fachweiterbildung für Anästhesie und Intensivmedizin gemacht. Mit der Qualifikation konnte ich mich, zunächst an der Uni Göttingen, für Medizin bewerben.

SZ: Und was mussten Sie vorweisen?

Scheerer: Ich musste der Uni alle meine Zeugnisse vorlegen: mittlere Reife, Krankenpflege-Examen, Fachweiterbildung. Dann habe ich eine Bestätigung für die ZVS, die Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen, erhalten. Als Hochschulzugangsnote zählte die Note meiner Weiterbildung - eine 1,0. Damit habe ich einen Studienplatz bekommen.

SZ: Kamen Sie ohne die Kenntnisse in Naturwissenschaften, die man am Gymnasium erwirbt, im Studium mit?

Scheerer: Auf der Realschule war ich im technischen Zweig mit Physik und Chemie. Das war schon eine Weile her, trotzdem wusste ich noch viel. Ich habe mich fast besser geschlagen als manche Kommilitonen mit Abitur. Alle Prüfungen habe ich auf Anhieb bestanden.

SZ: Wurden Sie sehr streng beäugt?

Scheerer: Ich musste alle Scheine von Anatomie bis Biochemie planmäßig in den ersten zwei Semestern machen. Bedingung war auch, dass ich das Physikum in vier Semestern schaffe. Auch das hat geklappt. Das einzig Negative war eine Kommilitonin, die meinte, ich hätte es mir ja sehr einfach gemacht. Natürlich kann man sich fragen, ob meine Fachweiterbildungs-Note dem Abitur gleichwertig ist. Allerdings musste ich mich wegen der Auflagen ja besonders hineinknien. Das Physikum nach vier Semestern schafft nur ein Drittel aller Studenten.

"Im Praktischen Jahr war ich im Vorteil"

SZ: Warum haben Sie nach dem Physikum die Uni gewechselt?

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Praktische Berufserfahrung hilft den Studenten im Praktischen Jahr.

(Foto: dpa)

Scheerer: Mein Mann und ich wollten näher zu unseren Familien, auch damit die Omas öfter unsere erste Tochter hüten konnten. Sie war damals fünf. Beworben habe ich mich an mehreren bayerischen Unis. Eine hat mich abgelehnt, aber Regensburg hat zugesagt.

SZ: Mit welcher Begründung hat die andere Universität Sie abgelehnt?

Scheerer: Ich bekam einen Brief, dass ohne Abitur die Voraussetzungen nicht gegeben seien. Nach meinen Recherchen im Hochschulgesetz hätten die mich nach dem Physikum zwar aufnehmen müssen. Nach der Zusage in Regensburg habe ich das aber nicht weiterverfolgt.

SZ: Wie hat Ihnen die Erfahrung aus der Pflege im Studium geholfen?

Scheerer: In Famulaturen und im Praktischen Jahr war ich im Vorteil. Ich konnte schon Infusionsnadeln legen, kannte Klinikabläufe, hatte Erfahrung mit Sterbebegleitung. Deshalb konnte ich mich mehr auf die Theorie konzentrieren.

SZ: Im Mai haben Sie Examen gemacht. Wie geht es jetzt weiter?

Scheerer: Ich will Fachärztin für Chirurgie und Orthopädie werden. Ab September habe ich eine Stelle an einem Krankenhaus bei Ingolstadt. Bis dahin schreibe ich meine Doktorarbeit über die idiopathische Lungenfibrose fertig.

SZ: Können Sie Ihren Weg empfehlen?

Scheerer: Auf jeden Fall. Dass ich kein Abitur habe, hat in meinen bisherigen Vorstellungsgesprächen niemanden gestört. Kritischer war mein hohes Alter. Aber das kompensiere ich dadurch, dass ich die Familienplanung schon abgeschlossen habe. 2006 kam unsere zweite Tochter zur Welt. Neben dem Studium Kinder großzuziehen, war natürlich stressig. Zum Glück hat mich mein Mann durchs Studium gefüttert. Der darf dafür ab sofort Teilzeit arbeiten. Jetzt bin ich mit Geldverdienen dran.

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