Wissenschaftler Malik:Unerfüllter Karrierewunsch

Wissenschaftler Malik: Fredmund Malik ist Professor für Unternehmensführung in St. Gallen.

Fredmund Malik ist Professor für Unternehmensführung in St. Gallen.

(Foto: privat)

Wie Führungskräfte mit geplatzen Träumen umgehen, verrät der Wissenschaftler Fredmund Malik.

Interview von christine demmer

Fredmund Malik ist Wirtschaftswissenschaftler, Management-Vordenker und Leiter eines Beratungsunternehmens in St. Gallen. Der vielfach ausgezeichnete Führungsexperte lehrte an der Universität St. Gallen und ist Special und Honorary Professor an drei chinesischen Hochschulen.

SZ: Wie geht man als Führungskraft mit dem inneren und äußeren Druck um, wenn man zwei Jahrzehnte vor der Rente weiß, dass man es niemals bis zum Gipfel schaffen wird?

Fredmund Malik: Die meisten lernen rasch, es zu ertragen. So schwer ist das nicht, denn es zeichnet sich früh ab, ob man Chancen hat oder nicht. Man kann sich also rechtzeitig darauf einstellen.

Kann man sich seine Rolle als in die Jahre gekommene Führungskraft selbst aussuchen oder wird die einem vom beruflichen Umfeld auf den Leib geschneidert?

Sowohl als auch. Wer Fach- und auch Managementkompetenz hat, wird unabhängig von Alter und Stellung respektiert und oft geschätzt. Wem eines von beiden fehlt, der wird auch dann nicht respektiert, wenn er oder sie eine höhere Position errungen hat. Man kann also selbst viel dazu beitragen, wie man von anderen eingeschätzt wird.

Was mache ich als ältere Führungskraft, wenn mir die mir zugewiesenen Aufgaben nicht gefallen? Kann ich sie verändern, und wie stelle ich das an?

Fast alles hängt von der eigenen Einstellung ab - und diese kann man fast immer ändern. Fachlich kann man zumeist bis ans Ende seiner aktiven Karriere noch besser werden, indem man an sich arbeitet. Man kann sich fit halten, neugierig, weltoffen bleiben. Die Menschen um einen herum merken das - unabhängig davon, wie die Altersstrukturen sind.

Eine knifflige Situation: Der neue, junge Chef zeigt deutlich, wer nun in der Firma das Sagen hat. Wie kann man ihn als Älterer "von unten" führen?

Seine Enttäuschungen wegstecken - das braucht Zeit! - und herausfinden, was das für ein Mensch ist, für den man nun arbeiten soll. Ist das zum Beispiel jemand, der die Dinge lieber mündlich erfährt als schriftlich? Manch einer neigt eher zum Ohr, ein anderer zum Auge. Das kann man herausfinden. Und wenn er ein Augenmensch ist: Möchte er lieber lange, schriftliche Ausarbeitungen oder kurze, auf den Punkt gebrachte Zusammenfassungen? Ist er jemand, der lieber im Zweiergespräch arbeitet oder beruft er sofort eine Sitzung ein? Zusammengefasst: Wie kann ich ihm auf eine für ihn komfortable Art und Weise helfen, wirksam zu sein? Die richtige Antwort sichert meine Zukunft. Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit bekomme ich dann einen Chef, der zu mir kommt und fragt, ob ich ihm helfen kann.

Psychologen raten, sich bei unerfüllten Karriereträumen private Ausweichfelder zu suchen. Nun kann und will aber nicht jeder Präsident des Golfvereins oder Chef des Lions Club werden. Haben Sie Alternativempfehlungen?

Für jeden Menschen stellt sich irgendwann die Frage nach dem Lebenssinn - zumeist sogar schon früh im Leben, nicht erst im Alter. Viele können damit aber nur schwer umgehen und finden vielleicht nie eine Antwort. Dies ist einer der Hauptgründe für Unzufriedenheit. Sich einer Aufgabe zu widmen, ist für die meisten einer der wichtigsten Wege, ihren Lebenssinn zu finden. Es gibt dermaßen viele Aufgaben, dass jede und jeder seinen Sinn finden kann. Lebenssinn ist die vielleicht wichtigste und stärkste Kraft des Menschen.

Perspektivenwechsel: Ich bin junge Top-Führungskraft und habe unter meinen direkten Untergebenen einige, die mir an Lebens- und Berufsjahren weit voraus sind. Wie sichere ich mir als Chef deren Loyalität? Oder sollte ich die sofort auswechseln?

Das Dümmste ist, sich als Boss aufzuführen und am Tag nach der Ernennung allen zu sagen, wo es langgeht. Damit macht man sich innerhalb von wenigen Tagen lächerlich und kommt aus dieser Falle kaum noch heraus. Jedem neuen Chef, egal ob jünger oder älter, geben die Menschen in der Regel die berühmten hundert Tage Schonfrist - mehr aber auch nicht. Dies ist die entscheidende Zeit der Bewährung eines Chefs. Diese Zeit nutzt man, um mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu sprechen, ihnen zuzuhören, ihre Aufgaben kennenzulernen. Man hält sich zurück mit eigenen Meinungen und trifft noch keine Beschlüsse. Danach sollte man aber durch kluge Entscheidungen ein paar Dinge ändern - nicht so weitermachen wie der Vorgänger, einige Zeichen setzen. Meistens ist es klug, nicht im Alleingang zu handeln, sondern zuerst die Meinungen der anderen einzuholen, aber dann nach der Meinungsbildung seine eigene Entscheidung zu treffen, und diese auch zu begründen.

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