Australien spart
von Urs Wälterlin Wer wissen will, wie der Australier tickt, geht zu Harvey Norman. Die größte Elektronikhandelskette des Landes ist ein Barometer der Befindlichkeit, ein Thermometer der Lust - der Lust am Konsum. Über Jahre haben die Firma Harvey Norman und ihre Aktionäre von der Hausse gelebt, vom Rohstoffboom, von dem direkt oder indirekt das ganze Land profitiert hat - zehn Jahre konstantes Wirtschaftswachstum.
Wenn Australier Geld haben, geben sie es aus: Sie gehören eigentlich zu den schlechtesten Sparern der westlichen Welt. Zum Höhepunkt der Rohstoffmanie war die Lust aufs Kaufen so groß, dass Harvey Norman einen Lastwagen in die abgelegene nordaustralische Minenstadt Mount Isa geschickt haben soll, vollgeladen mit Plasmafernsehern, 5000 Euro das Stück. Die Geräte seien nach 20 Minuten verkauft gewesen, so die Legende. Doch der Boom ist vorbei. Seit dem vergangenen Jahr braucht China kaum noch Kohle und Eisenerz aus australischen Minen. Von Orten wie Mount Isa ziehen die entlassenen Kumpel wieder in Richtung Süden, nach Sydney und Melbourne. Und bei Harvey Norman dreht das Personal Daumen. "Die Verkäufe sind drastisch zurückgegangen", sagt ein Angestellter in einer Zweigstelle südlich von Sydney, während er gelangweilt einen Computer auseinandernimmt. Die Finanzkrise scheint in Australien zu einem fundamentalen Wandel geführt zu haben. Denn immer mehr Menschen scheinen das Sparen zu entdecken. Es sei weniger der Verlust des Arbeitsplatzes als die Angst davor, die zum Geldhorten geführt habe, sagen die Wirtschaftsexperten. Denn die Arbeitslosenrate liegt nach wie vor bei vergleichsweise niedrigen 5,7 Prozent. Für Firmen wie Harvey Norman ist der Trend schmerzlich. Nicht einmal eine einmalige Stimulierungszahlung von etwa 400 Euro, die Premier Kevin Rudd fast jedem Bürger schenkte, war da eine Hilfe. Anstatt das Geld in einen neuen I-Pod zu investieren, wie Rudd eigentlich wollte, bleibt es auf dem Bankkonto liegen. Bis zum nächsten Boom.
Bild: ap