Werbe- und Filmbranche:Das Klischee lebt

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Software-Entwickler Niklas Dorn hat die Geschlechterverteilung in der Filmbranche genauer untersucht.

Interview von Annika Brohm

Mit seinem Stuttgarter Start-up Filestage entwickelt Niklas Dorn, 31, Softwareanwendungen für Werbeagenturen und Filmproduktionsfirmen. Immer wieder kommt er dabei in Kontakt mit der Geschäftsführung - auf Frauen trifft er dabei jedoch nur selten. Für Dorn und sein Team war das ein ausschlaggebender Grund, "ein bisschen tiefer zu graben" und die Geschlechterverteilung in der Kreativbranche zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen: Auch in den Führungsetagen einer vermeintlichen Frauendomäne herrscht ein Ungleichgewicht.

An Filmhochschulen ist das Verhältnis von Frauen und Männern ausgewogen, Anstellungen in Kino- oder Filmproduktionen werden jedoch zu 85 Prozent an Männer vergeben. Woran liegt das?

Niklas Dorn: Es ist grundsätzlich so, dass die Geschlechterverteilung in der Filmbranche relativ ausgewogen ist. Das gilt auch für die Werbewirtschaft. Die Unterschiede werden erst in der Führungsebene sichtbar: Im Werbebereich sind lediglich 21 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt, im Filmbereich sind es nur 17 Prozent. Mögliche Gründe dafür sind gängige Klischees, die unverändert in den Köpfen verankert sind: Frauen wird auch heute noch unterstellt, dass sie sich nicht gut durchsetzen können. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie spielt nach wie vor eine große Rolle - verbunden mit der Annahme, dass sich Frauen im Endeffekt doch lieber für die Familie entscheiden.

Trägt der hohe Männeranteil in der Film- und Werbebranche zu einseitiger, maskuliner Werbung und Filmen bei?

Nein, das Gefühl habe ich nicht. Gute Werbung ist ja immer so gestaltet, dass sie der Zielgruppe gefällt. Zudem werden etwa 80 Prozent der Konsumentscheidungen von Frauen gefällt. Werbung müsste also eher frauenorientiert sein, um erfolgreich zu sein. Generell ist die Arbeit bei Filmproduktionen allerdings eher männlich geprägt: Es geht relativ hart zur Sache, es sind sehr lange Schichten; man ist mitunter drei, vier Wochen rund um die Uhr mit den Dreharbeiten beschäftigt. Auf die Endprodukte hat das aber keinen Einfluss.

In der Geschäftsführung von Werbeagenturen verdienen Frauen im Durchschnitt 37 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Fordern Frauen nicht genug?

Das ist sicherlich auch ein Grund. Die Unterschiede bei der Bezahlung sind leider zur Gewohnheit geworden. Schließlich ist es schon seit Langem so, dass Frauen in bestimmten Branchen weniger verdienen. Wegen dieser Erwartungshaltung wird die Gehaltsmarke bei Verhandlungen häufig direkt niedriger angesetzt - sowohl von Arbeitgeber- als auch von Arbeitnehmerseite.

In Stuttgarter Werbeagenturen ist lediglich jede sechste Führungsposition mit einer Frau besetzt, in Köln sind es mit 28 Prozent deutlich mehr. Wie lassen sich die zum Teil sehr großen regionalen Unterschiede erklären?

Meiner Einschätzung nach liegt das daran, dass die Regionen unterschiedlich aufgestellt sind. Besonders im Werbebereich sieht man das ganz deutlich: In Stuttgart sind traditionell männliche Themen wie Maschinenbau und Autos sehr präsent, in Köln ist dagegen die Medienbranche sehr stark vertreten. Diese Themen müssen die Werbeagenturen an den verschiedenen Standorten natürlich auch bedienen - und das zieht je nach Ausrichtung eben mehr Frauen oder mehr Männer an.

Was könnten Werbeagenturen und Filmproduktionsfirmen tun, um den Frauenanteil zu fördern?

Man sollte sein eigenes Verhalten im Umgang mit den Mitarbeitern immer sehr kritisch hinterfragen: Macht man instinktiv vielleicht Unterschiede, wenn eine Frau ein Projekt leitet? Da sollte man einfach sicherstellen, dass man allen Mitarbeitern die gleichen Chancen gibt. Besonders bei der Vergabe von Stellen sollte man sich überlegen, ob man faktenbasiert vorgeht: Suche ich mir die Person aus, die tatsächlich am besten geeignet ist, oder bevorzuge ich instinktiv doch eher jemanden, der mir ähnlich ist - als männliche Führungsperson also einen Mann?

Insgesamt zeichnet die Studie ein negatives Bild. Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung ein?

Das Verhältnis wird sich in jedem Fall grundlegend ändern. Zum einen denke ich, dass es der Gesellschaft mittlerweile stärker bewusst ist, dass Frauen in Führungspositionen gezielt gefördert werden müssen - schlichtweg, weil sie objektiv betrachtet mindestens genauso gut sind wie die männlichen Kollegen. Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass es sehr sinnvoll ist, wenn ein Team aus ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten zusammengesetzt ist. Dazu kommt noch der Fachkräftemangel. Kein Unternehmen kann es sich heute mehr erlauben, ausschließlich Männer für eine Position in Betracht zu ziehen.

© SZ vom 14.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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