Weiterbildungsexperte:"Die Unterschiede in der Qualität sind enorm"

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Allein der MBA mache aus einem Mediziner keinen besseren Arzt, meint Rolf Rosenbrock. Aber das Studium helfe, Prozesse besser zu verstehen.

(Foto: Der paritätische Gesamtverband)

Wer Gesundheitsökonomie studieren will, sollte seinen künftigen Dozenten auf den Zahn fühlen und Alumni zu Rate ziehen, sagt Rolf Rosenbrock und gibt Tipps, auf welche Kriterien es bei der Auswahl der Dozenten ankommt.

Interview von Christine Demmer

Professor Rolf Rosenbrock leitete viele Jahre die Forschungsgruppe Public Health im Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). Heute ist er Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in Berlin, zu dem sich mehr als 10 000 eigenständige Organisationen, Einrichtungen und Gruppierungen im Sozial- und Gesundheitsbereich zusammengeschlossen haben.

SZ: Wie unterscheiden sich die MBA-Angebote an staatlichen und privaten Hochschulen?

Rolf Rosenbrock: Die Unterschiede in der Qualität sind enorm. Es gibt sowohl bei den privaten als auch bei den öffentlichen Weiterbildungsanbietern sehr gute und sehr schlechte Programme. Der Preis ist kein sicherer Anhaltspunkt für die Qualität. Interessenten tun gut daran, die Dozenten zu googeln und die Meinung ehemaliger Studierender einzuholen.

Worauf sollte man im Hinblick auf die Dozenten achten?

Ich würde vor allem prüfen, was und wo sie veröffentlicht haben. Wer Betriebswirtschaftslehre für die Gesundheitswirtschaft unterrichtet, sollte auch Fachaufsätze in sozial-, genauer noch, in gesundheitswissenschaftlichen Zeitschriften geschrieben haben. Also nicht nur in Wirtschaftspublikationen.

Sie stehen dem Gesundheits-MBA kritisch gegenüber. Warum?

In der betriebswirtschaftlichen Ausbildung wird das Besondere des Gesundheitswesens durchgehend vernachlässigt. Das Endprodukt ist hier nämlich eine Dienstleistung, deren Qualität entscheidend von der menschlichen Zusammenarbeit abhängig ist. Ebenso wie andere Unternehmen auch achten die guten Betriebe der Gesundheitswirtschaft auf die Qualität des Outputs. Aber eben auch darauf, dass die Patienten mit Ärzten und Pflegekräften unter guten Rahmenbedingungen interagieren. Dieses Zusammenspiel kommt in den MBA-Kursen zu kurz.

Wird das von den Arbeitgebern nicht genügend nachgefragt?

Könnte gut sein. Ich habe ein etwas anderes Verständnis von der Aus- und Weiterbildung von Führungskräften. Sie sollen nicht nur auf Bilanzen starren, sondern die Organisationen positiv weiterentwickeln. Dafür werden sie aber nicht ausgebildet.

Was wäre für Sie das ideale Lernziel des MBA Health Care Management?

Nicht nur das Gesundheitswesen selbst ist Gegenstand dauernder und vielschichtiger politischer Auseinandersetzungen. Auch die Gestaltung und Entwicklung von Gesundheitseinrichtungen ist ein fortwährender Prozess. Zukünftige Manager müssen sich als Motoren der Veränderung, als Change Agents verstehen. Dieser Aspekt der innerbetrieblichen Politik kommt in der Ausbildung viel zu kurz. Die Welt wird dort eher als ein Zahlen- und Kurvenspiel wahrgenommen denn als das, was sie wirklich ist: eine soziale Veranstaltung, die von Interessen und Macht geprägt ist.

Wie sinnvoll ist der MBA für Mediziner?

Ein Mediziner wird damit kein besserer Arzt. Dank seines Studiums gewinnt er aber ein besseres Verständnis der Prozesse, die sein Handeln bestimmen. Wenn er seine ärztliche Tätigkeit zusätzlich theoretisch untermauern will, wäre ein Zusatzstudium Public Health oder Psychologie womöglich sinnvoller.

Werden BWL-Kurse im Medizinstudium künftig Pflichtveranstaltungen?

Die Entwicklung läuft meiner Ansicht nach in diese Richtung. Aber da das Medizinstudium ja von der Anzahl der Unterrichtsstunden her begrenzt ist, wird das auf Kosten von medizinischen, psychologischen und sozialwissenschaftlichen Inhalten gehen. Damit erziehen wir uns kalte Technokraten.

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