Weiterbildung:Pauken und plaudern

Oxford Dictionary of English

Wer eine Fremdsprache lernen möchte, kann auf viele Hilfsmittel zurückgreifen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Es gibt viele verschiedene Methoden, eine neue Sprache zu lernen. Der Student Lars Ulbricht hat die meisten ausprobiert und weiß, was in welcher Situation am besten funktioniert.

Von Juliane von Wedemeyer

Die gute Nachricht: Alle können Sprachen lernen. Davon ist die Sprachforscherin Britta Hufeisen jedenfalls fest überzeugt. Das gelte selbst für jene Menschen, die in der Schule wenig Talent für Sprachen gezeigt haben. Denn Talent sei nicht unbedingt nötig, sagt Hufeisen, die an der Technischen Universität Darmstadt als Professorin das Fachgebiet Sprachwissenschaft/Mehrsprachigkeit leitet. Es käme vor allem auf die Motivation an. Schließlich sei unser Gehirn nur bereit, sich etwas Neues zu merken, wenn es für uns wirklich von Interesse ist. Je konkreter also der Grund für die neue Sprache, desto größer die Erfolgschancen.

Fremdsprachen zu beherrschen, war im Berufsleben schon immer von Vorteil, in vielen Unternehmen ist es mittlerweile sogar Einstellungsvoraussetzung, zumindest fließendes Englisch. Aber auch private Interessen oder Beziehungen können ein gutes Motiv sein. Hufeisen empfiehlt, sich bewusst zu machen, wie man am besten lernt - eher durchs Hören, durchs Sehen oder durchs Anwenden? Verschiedene Online-Portale bieten kostenfreie Lerntypentests an. Die können bei der eigenen Einschätzung und bei der Suche nach der passenden Methode, eine Sprache zu lernen, helfen: ein Kurs vielleicht, Apps oder Sprachreisen, die Immersionsmethode oder der Besuch eines Sprachencafés?

Einer, der fast alle ausprobiert hat, ist Lars Ulbricht, Jahrgang 1994. Er studiert gerade an der Technischen Universität München Management & Technology und spricht und schreibt fließend Japanisch. Vor sechs Jahren saß er in seiner ersten Japanisch-Stunde in einer Volkshochschule, weil er mit dem Jugendaustauschprogramm seines Fußballvereins in die japanische Präfektur Iwate reisen wollte. Heute beherrscht er genauso viele Schriftzeichen wie ein japanischer Schulabgänger.

Sprachkurs

Ob Einzel- oder Gruppenunterricht - laut Hufeisen ist es auf jeden Fall sinnvoll, sich beim Grundlagenerwerb von einem Lehrer oder einer Lehrerin helfen zu lassen. Vor internationalen Projekten oder Auslandsaufenthalten bieten Firmen dies ihren Mitarbeitern oft an. Gute Pädagogen stellen ihren Schülern strukturiertes Material zur Verfügung, lehren Grammatik und Vokabeln wohldosiert und abgestimmt auf die ersten einfachen Sprechakte.

Das hat auch Lars Ulbricht an seinem ersten Kurs an der Volkshochschule (VHS) geschätzt. "Sonst hätte ich wahrscheinlich gar nicht gewusst, wo ich beginnen soll", sagt er. Und auch die Hausaufgaben, die er von Woche zu Woche bekam, haben ihn motiviert, überhaupt dranzubleiben. Doch als er dann ein Jahr später in seiner japanischen Gastfamilie ankam, wurde ihm klar, dass einmal Unterricht pro Woche nicht ausreicht, um eine Sprache zu lernen. "Unsere Lehrerin war zwar Native Speaker, aber wir haben im Kurs trotzdem immer die gleichen Wörter und Redewendungen benutzt, leider ganz andere als meine Gastgeber in Japan." Die Verständigung war schwierig.

VHS-Kenntnisse reichten sicher aus, um sie auf einer Urlaubsreise anwenden zu können, sagt auch Britta Hufeisen. Wer eine Sprache ernsthaft beherrschen möchte, müsse sich danach aber selbständig weiterbilden. Ulbricht hat das zunächst mit Lehrbüchern getan. Täglich las er darin, übte Schriftzeichen und Grammatikformen. "Während wir im VHS-Kurs ein Jahr für ein Buch gebraucht hatten, dauerte es jetzt nur zwei, drei Wochen." Vor allem wohl, weil die japanische Sprache während des einmonatigen Aufenthalts Teil seiner echten Lebenswelt geworden war. Sie war nun nicht mehr nur reine Theorie.

"Den Lernprozess eines Kindes kann man nicht imitieren"

Immersionsmethode

Während seiner ersten Japanreise konnte sich Ulbricht oft nur mithilfe von Übersetzungsapps verständigen. Um wirklich in eine Sprache eintauchen zu können, wie es die sogenannte Immersionsmethode vorsieht, sind Vorkenntnisse nötig. Hufeisen kann sich jedenfalls nicht vorstellen, dass ein Erwachsener eine Fremdsprache erwerben kann wie ein Kind seine Muttersprache - nur vom Hören, ohne grammatikalisches Regelwerk zur Hand. "Den Lernprozess eines Kindes kann man nicht imitieren." Ein Erwachsener habe stets so viel im Kopf, so viel zu bedenken, er kann sich gar nicht so auf den Spracherwerb konzentrieren wie ein Kleinkind, dass den Druck verspürt, endlich seine dringendsten Bedürfnisse artikulieren zu können.

Das zweite Mal kam Ulbricht als Student ins Land. "Und jetzt, wo ich das Grammatikgerüst im Kopf hatte, habe ich neue Dinge ganz schnell gelernt." Das habe aber nur geklappt, weil er sich immersiv verhalten habe: Statt der angebotenen englischsprachigen Seminare für ausländische Gaststudenten besuchte er die japanischen. Und auch seine Freizeit verbrachte er hauptsächlich mit Einheimischen. Nach einer Weile konnte er sich mit ihnen unterhalten, ohne vorher die Sätze im Kopf aus dem Deutschen übersetzen zu müssen. Er begann auf Japanisch zu denken. Zum Schluss träumte er manchmal sogar in der nun nicht mehr fremden Sprache.

Sprachreise

Eine Mischung aus der Immersionsmethode und einem Sprachkurs könnte eine gut gewählte Sprachreise sein. Gut gewählt ist sie dann, wenn die Teilnehmer einzeln in Gastfamilien untergebracht sind und auch wirklich mit ihnen in der jeweiligen Landessprache kommunizieren. Professorin Hufeisen rät, bei einer Sprachreise darauf zu achten, dass tatsächlich Pädagogen unterrichten und nicht einfach jemand, der lediglich der Sprache mächtig ist.

Interessant für Arbeitnehmer: In allen Bundesländern außer in Bayern und Sachsen können sie für eine solche Reise auch Bildungsurlaub in Anspruch nehmen, sofern das Angebot zum Job passt.

Medien im Originalton

Schon vor seinem Japan-Semester hat Ulbricht japanische Filme geschaut und ist so zumindest passiv eine Weile in seine Fremdsprache eingetaucht. Ausländische Produktionen bietet jeder Streamingdienst an. Brauchte Ulbricht anfangs hin und wieder noch Untertitel, kann er darauf heute meist verzichten. Regelmäßig informiert er sich über das aktuelle Geschehen in Japan, natürlich auf japanischen Nachrichtenportalen. So bleiben ihm Redewendungen und Sprachmelodie präsent.

Apps sind nicht wirklich interaktiv

App und Online-Plattform

Ohne anstrengendes Vokabeln- und Grammatik-Pauken geht es aber nicht. Und dafür gibt es mittlerweile zu fast jeder analogen Lernmethode auch eine digitale. Zahlreiche Online-Lernportale bieten ganze Lektionen an. Ulbricht hat sich bereits vor Jahren durch die Übungen einer Plattform für Japanisch gearbeitet. Es habe ihm geholfen, die Struktur der Sprache zu erfassen. Mittlerweile büffelt er mit der App Anki täglich in der U-Bahn auf dem Weg zur Uni Vokabeln und Schriftzeichen, die er vorab auf virtuelle Karteikarten geschrieben hat. "Die Wörter, die ich noch nicht beherrsche, fragt die App öfter ab, die ich schon kann, in größeren Abständen", sagt er, "so gelangen sie ins Langzeitgedächtnis." Und er muss dafür keine Karteikartenstapel mit sich herumschleppen.

Andere Apps wie Memrise, Babbel oder Nemo trainieren spielerisch als Quiz Vokabeln und Redewendungen und sprechen so verschiedene Lerntypen an. "Für jemanden, der sowieso gern am Smartphone daddelt, könnte das eine gute Art zu lernen sein", sagt Hufeisen. Belastbare Studien zum Erfolg der Apps kennt sie nicht. Ein Kollege ließ eine Gruppe Doktoranden mithilfe einer App Grammatikregeln üben. Im Test danach schnitten sie im Vergleich zur Kontrollgruppe weder besser noch schlechter ab. Ein Manko der Apps und Online-Portale sei, dass sie nicht wirklich interaktiv seien. Dafür müsse man schon mit echten Menschen kommunizieren.

Tandem und Sprachencafé

Beliebt für die Interaktion mit Muttersprachlern ist der Tandem-Unterricht: Zwei Menschen mit verschiedenen Muttersprachen vermitteln sich gegenseitig den eigenen Wortschatz und die Diktion. Dieses Konzept funktioniere ihrer Meinung nur, sagt Britta Hufeisen, wenn beide wüssten, wie man Sprachen lernt. Um die lockere Konversation zu üben, eignet sich diese Methode aber auf jeden Fall.

Lars Ulbricht geht dafür regelmäßig ins Sprachencafé. Das International Center seiner Uni veranstaltet es seit 2014 jeden Mittwochnachmittag im Stucafé an der Hauptmensa. Hier geht es nicht nur ums Lernen, sondern auch darum, Kontakte zu knüpfen. Es gibt kostenlosen Kaffee und Kuchen, und an jedem Tisch wird eine andere Sprache gesprochen - welche, lassen die Miniflaggen auf den Tischen erkennen. Die Themen wählen die Teilnehmer selbst. Nicht nur Hochschulen organisieren Sprachencafés, sondern auch private oder ehrenamtliche Initiativen. Auf Portalen wie Meetup.com oder Sprachcafe.org finden Interessierte Cafés und Stammtische in verschiedenen Städten.

In München hat sich Lars Ulbricht an den Tisch mit der Japan-Flagge gesetzt, neben deutsche und japanische Kommilitonen und neben seinen Zwillingsbruder, der ebenfalls in München studiert. Beim Jugendaustausch 2012 war er auch dabei. Er wohnte damals bei einer anderen Gastfamilie. Das Japanfieber hat ihn aber genauso erfasst wie seinen Bruder. Der könnte sich durchaus vorstellen, nach dem Studium bei einer japanischen Firma zu arbeiten - am liebsten in Japan.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: