Weiterbildung:Master fallen nicht vom Himmel

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Weiterbildung (13): Für den Mittelstands-MBA büffeln angehende Unternehmer 20 Monate lang neben dem Job.

Christine Demmer

In tausenden Familienbetrieben halten die Unternehmer nur deshalb bis ins hohe Alter durch, weil weit und breit kein Nachfolger in Sicht ist. Eines Tages sind sie dann doch ermattet - und es bleiben nur das Schachspiel und die Erinnerungen an die gute alte Zeit.

Eine Chinareise ist im Studiengang "Unternehmens- führung in der mittelständischen Wirtschaft" Pflicht. Dieter Grittern von der Spezialzucker-Raffinerie hat das Studium mit Nachfolgerin Gerda Kunert absolviert. (Foto: Foto: privat)

So weit wollte es Dieter Grittern, Chemotechniker und Geschäftsführer der mittelständischen Spezialzucker-Raffinerie im nordrhein-westfälischen Lage, nicht kommen lassen. Mit 60 Jahren beschloss er, noch genau drei Jahre lang Chef zu bleiben und sich selbst um die Nachfolge zu kümmern. Seine langjährige Mitarbeiterin Gerda Kunert, von Hause aus Wirtschaftsingenieurin, schien für den Posten bestens geeignet zu sein.

Doch um den Gesellschaftern der Raffinerie eine rundum kompetente Nachfolgerin zu präsentieren, beschloss er, sich zusammen mit Gerda Kunert in den berufsbegleitenden Studiengang "Unternehmensführung in der mittelständischen Wirtschaft" an der Fachhochschule des Mittelstands (FHM) in Bielefeld einzuschreiben.

Kunert wird es mit dem MBA-Examen abschließen, Grittern, da er die formalen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt, mit dem Titel "General Manager (FHM)". Der besondere Reiz daran: Das Programm ist zwar eigens für Führungskräfte der mittelständischen Wirtschaft ausgelegt, beschränkt sich aber dennoch nicht auf das Aushandeln von Rabattvorteilen im Einkauf und die solide Führung von Kassenbüchern.

Führungskräfte für die heimische Wirtschaft weiterbilden

"Unser Ziel ist es, Führungskräfte für die heimische Wirtschaft weiterzubilden, die unsere vor Ort ansässigen Unternehmen auch im Ausland repräsentieren können", erklärt Professor Volker Wittberg die Geschäftsidee. Er leitet das Institut für den Mittelstand in Lippe (IML) an der Fachhochschule und führt dieses Spezialprogramm nun schon im fünften Jahrgang durch. Und jedes Mal gab es mehr Anmeldungen. Im Jahrgang von Grittern und Kunert waren es 18 Kandidaten - für Normalstudenten ein Traum.

Gleichwertig neben den Unterrichtsmodulen General Management, Management mittelständischer Unternehmen sowie Führung und Kommunikation steht das Internationale Management. Und zwar in Theorie und in Praxis: Teil des von der Internationalen Agentur zur Qualitätssicherung und Akkreditierung von Studiengängen und Institutionen (FIBAA) anerkannten Programms sind Exkursionen nach Polen, in die USA und nach China.

Ein reiner Spaß ist das Studium deshalb noch lange nicht. Immerhin geht für die auf fünf Trimester verteilten Seminare, zum Teil in englischer Sprache, jedes zweite Wochenende drauf. Hinzu kommen Hausarbeiten, Referate und Klausuren. Weil die Teilnehmer im Durchschnitt 37 Jahre alt sind, müssen viele erst wieder lernen, wissenschaftlich zu arbeiten.

Vor Studienbeginn lag Dieter Gritterns letzte Prüfung mehr als 30 Jahre zurück. Mit Gerda Kunert gewann er eine gute Lernpartnerin, weil sie sich während ihres Berufslebens ständig weiterqualifiziert hatte. Wenn es mal im Betrieb brannte, konnten sich die beiden gegenseitig in den Vorlesungen vertreten.

Frischer Wind im Betrieb

Und nach einiger Zeit witterten die Mitarbeiter in der Raffinerie schon den frischen Wind, der Montagmorgens durch den Betrieb wehen sollte. "Viele Dinge, die wir am Wochenende gelernt haben, konnten wir tags darauf in der Firma anwenden", erinnert sich Grittern.

Planmäßig schrieb er in diesem Sommer seine Abschlussarbeit über die Auswirkungen der Liberalisierung der Zuckermarktordnung, planmäßig scheidet er zum Jahresende aus dem Unternehmen aus, und planmäßig übernahm Gerda Kunert im Juli die Geschäftsführung. Sie hatte in dieser Zeit ebenfalls eine Menge um die Ohren. In ihrer Master-Arbeit ging es theoretisch um das, was sie und Dieter Grittern praktisch in die Tat umsetzten: den Vollzug der Führungsnachfolge.

Im August werden der alte Chef und die neue Chefin ihre Urkunden erhalten. Für beide war es eine anstrengende, aber gewinnbringende Zeit. Dieter Grittern kann mit dem Titel seine Beratungskompetenz unterstreichen. Gerda Kunert weiß nun nicht nur alles über die Zuckerraffinerie, sondern kennt jetzt auch die Raffinesse von Geschäftszahlen. Und das wird ganz bestimmt auch den Gesellschaftern gefallen.

© SZ vom 26.7.2008/mei - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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