Virtuelles Klassenzimmer:Mehr Freiheit

Virtuelles Klassenzimmer: Steht ein Ortswechsel an, etwa nach Italien? Sprachen lernen kann man auch im virtuellen Klassenzimmer. Das Foto zeigt die Spanische Treppe in Rom.

Steht ein Ortswechsel an, etwa nach Italien? Sprachen lernen kann man auch im virtuellen Klassenzimmer. Das Foto zeigt die Spanische Treppe in Rom.

(Foto: Alberto Pizzoli/AFP)

Online-Sprachkurse kann man weitgehend unabhängig von Ort und Zeit absolvieren, auch während einer Geschäftsreise oder im Urlaub. Persönlicher Kontakt zum Lehrer ist möglich.

Von Bianca Bär

Fabiana Müller betritt das virtuelle Klassenzimmer der Münchner DESK-Sprachkurse GmbH per Mausklick. Nun beginnt die Unterrichtsstunde für die gebürtige Brasilianerin. Müller stellt das Mikrofon ihres PCs an und begrüßt ihre Deutschlehrerin Karolina Frenzel. Bevor es mit der nächsten Lektion weitergeht, muss Müller die Hausaufgaben in eine Art Word-Dokument am linken Rand des Bildschirms einfügen. Frenzel wird die Arbeit zusammen mit ihr durchgehen und Fehler im Text korrigieren. Ihre Schülerin ist schon lange keine Anfängerin mehr, deshalb findet der Unterricht auf Deutsch statt. Geht es um abstrakte Begriffe, behilft sich ihre Lehrerin mit Englisch. Karolina Frenzel sagt dann zum Beispiel "Ich ,negotiate', um ein Haus zu kaufen. Wie sage ich ,negotiate' auf Deutsch?" Anschließend steht Bildbeschreibung auf dem Stundenplan. In der Bildschirmmitte liegen bereits zwei Fotos: eine Familie beim Abendessen und ein Badezimmer. Später wird Müller ihre Gedanken direkt ins Bild schreiben. Während der Unterrichtsstunde braucht sie weder Stift noch Block, denn am Ende wird ihre Lehrerin alle Dokumente speichern und sie ihr per E-Mail schicken. Apropos Bilder - falls eine der beiden Frauen einen englischen Begriff nicht kennt und der Unterricht ins Stocken kommt, können sie im Internet ein passendes Bild suchen, einander schicken und sich auf diese Weise verständigen.

Seit Juli 2014 treffen sich Müller und ihre Lehrerin Frenzel zweimal pro Woche eine Stunde im virtuellen Klassenzimmer der Münchner Sprachschule DESK-Sprachkurse GmbH. Die gelernte Ingenieurin ist derzeit schwanger und nutzt die Zeit, in der sie nicht erwerbstätig ist, um an ihren Deutsch-Kenntnissen zu feilen. Alltagskommunikation mit Freunden bereitet ihr inzwischen kaum noch Schwierigkeiten. Mit Blick auf die Arbeitswelt will sie ihr Deutsch verbessern. "Es gibt zwar in meinem Bereich auch viele Jobs, in denen man mit Englisch gut durchkommt. Aber ich denke, dass ich mit guten Deutschkenntnissen bessere Chancen habe, wenn ich in einiger Zeit wieder arbeiten gehen will", erklärt die 33-Jährige. Zuerst habe sie sich für Präsenzkurse bei DESK interessiert. "Aber ich habe einen 18 Monate alten Sohn. Online-Kurse sind praktischer, da ich von zu Hause aus lernen und gleichzeitig mein Kind betreuen kann", so Müller.

"Die zeitliche und örtliche Flexibilität ist der entscheidende Vorteil bei Online-Kursen. Die meisten unserer Kunden sind Geschäftsleute, die die Sprachkurse für ihre berufliche Weiterbildung brauchen", sagt Erwin Schmidt-Achert, Geschäftsführer der DESK-Sprachkurse GmbH, die neben Deutschkursen unter anderem auch Englisch, Französisch und Portugiesisch anbietet. Dank des Online-Modells können die Kunden jederzeit und überall lernen, auch im Urlaub oder auf Geschäftsreise. Auch wer viel unterwegs sei, müsse nicht auf eine langfristige Bindung zu einer Lehrkraft verzichten, ergänzt Frenzel.

Aufgrund der intensiven Einzelbetreuung sei gegenseitige Sympathie unerlässlich, sagt Müller. Sie habe ein gutes Verhältnis zu ihrer Lehrerin, vermisse es allerdings hin und wieder, eine richtige Klassengemeinschaft zu haben: "An Ort und Stelle würde ich mehr Leute kennenlernen. Und manchmal fällt es uns schwer, nur zu zweit eine richtige Diskussion zu einem Thema zu führen." Ihre Lehrerin sieht hier eher einen Unterschied zwischen Einzel- und Gruppenkursen als zwischen Online- und Präsenzkursen. Für Online-Kurse sei Frenzels Meinung nach Einzelunterricht ideal, die Koordination einer Gruppe über das Internet gestalte sich eher schwierig.

Aus didaktischer Sicht stehen Einzel-Fernkurse den entsprechenden Präsenzkursen jedoch in nichts nach, sagt die Deutschlehrerin. "Beide sind geprägt vom Kontakt zwischen Lehrer und Schüler. In beiden Fällen wird der grobe Ablauf von einem Buch vorgegeben." Die Kommunikation zwischen Lehrer und Schüler läuft über ein Skype-ähnliches Internettelefonat mithilfe des Programms Adobe Connect. Dabei sei gerade ein funktionierender Audio-Kanal sehr wichtig. "Nur so kann ich die Aussprache korrigieren", sagt Frenzel. Sollte der Ton trotzdem mal ausfallen, können die beiden auf einen Chat ausweichen.

Auf den Video-Kanal verzichtet Müller meistens, da sie die Kommunikation per Webcam unangenehm findet. Diese Entscheidung erschwere jedoch manchmal das Lernen, stellt sie fest: "Ab und zu ist es schwierig, die Aussprache zu trainieren. Wenn ich sehen würde, was Frau Frenzels Mund macht, könnte ich mich vielleicht leichter verbessern." Ansonsten komme sie aber gut zurecht mit den Modalitäten des Online-Kurses. Eine gewisse Affinität zu virtuellen Lernmethoden sei eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Online-Kurs, betont Schmidt-Achert. "Manche bevorzugen dagegen Präsenzkurse, weil sie diese Art des Lernens von der Schule her gewöhnt sind", sagt er.

Jedenfalls findet sich im Internet ein breites Angebot von virtuellen Sprachlernprogrammen für PC, Tablet und Smartphone, die sich zum Teil erheblich von dem Fernkurs-Modell à la DESK unterscheiden. So buchen die Kunden von Anbietern wie Babbel oder Rosetta Stone kein Paket an Unterrichtsstunden mit Eins-zu-Eins-Betreuung, sondern erhalten einen zeitlich befristeten Zugang zu bereits vorgefertigten interaktiven Lektionen.

Mindestens 200 Euro kostet eine einjährige Lizenz bei Rosetta Stone. Bei Babbel liegt der Preis für den gleichen Zeitraum bei 60 Euro. So viel kostet bei den DESK-Fernkursen eine einzige Unterrichtsstunde à 60 Minuten - dafür erhalten die Kunden dort eine intensive Einzelbetreuung durch einen Lehrer, der sie über einen längeren Zeitraum begleitet.

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