Verhalten im Büro:"Authentizität ist unprofessionell"

Strategische Spielchen im Job sind wichtig für die Karriere. Aber was ist, wenn uns solches Machtgehabe widerstrebt? Ein Coach erklärt, warum Führungskräfte keine Angst vor politischem Taktieren haben dürfen und wann es hilft, in eine Rolle zu schlüpfen.

Anne-Ev Ustorf

Wer erfolgreich sein will, muss seine berufliche Rolle von der Privatperson trennen. Und er muss strategisch vorgehen, meint Jürgen Kugele. Der Berliner Psychoanalytiker und Organisationsberater zeigt Managern, wie sie mit Macht richtig umgehen.

Mann hält Vortrag

Zeit für den Auftritt: Wer seine Karriere strategisch vorantreibt, muss oftmals in eine Rolle schlüpfen.

(Foto: iStockphoto)

SZ: Ist es unmoralisch, im Job machtpolitische Strategien anzuwenden?

Kugele: Überhaupt nicht. Gerade für Führungskräfte sind machtpolitische Taktiken ein wichtiges Mittel, um Einfluss auszuüben. Viele meiner Coaches fühlen sich bei diesem Gedanken aber unwohl. Dahinter steckt häufig ein gespaltenes Verhältnis zur Macht. Das ist problematisch, denn als Führungskraft muss man bereit sein, Macht auszuüben.

SZ: Bewährte Taktiken wie Anbiederei oder Mobbing sind aber unangenehm.

Kugele: Das stimmt. Wer diese Strategien anwendet, verhält sich allerdings nicht unmoralisch, sondern unprofessionell. Er nutzt seine Rolle als Führungskraft für seine persönlichen Bedürfnisse und inszeniert sich darin selbst. Das ist schlichtweg Machtmissbrauch.

SZ: Machtpolitische Taktiken sind also nur dann in Ordnung, wenn sie der beruflichen Rolle entsprechen?

Kugele: So ist es. Jede Führungskraft ist in einer Rolle unterwegs, die sie mit bestimmten Anteilen ihrer Persönlichkeit ausfüllen muss. Der Rolle entsprechend darf sie sich machtpolitischer Strategien bedienen, etwa Allianzen schmieden, Netzwerke nutzen oder sich selbst positionieren. Das muss sie sogar, um in ihrem Job wirksam zu sein. Ein Vertriebsleiter zum Beispiel sollte gezielt gute Kontakte zu seinen Vorgesetzten und Kunden pflegen, also die Machtquelle "Verbindungen" nutzen. Dann handelt er gemäß seiner Rollenerwartung, bringt das Unternehmen und auch sich persönlich voran.

Wo bleibt die Authentizität?

SZ: Wenn wir alle eine Rolle spielen müssen, wo bleibt da die Authentizität?

Kugele: Ob es Authentizität überhaupt gibt, darüber könnte man streiten. Wir sind ja alle ständig in verschiedenen Rollen unterwegs, als Ehemann, Vater, Kollege. Und bei jeder dieser Rollen gibt es eine gewisse Schnittmenge zwischen dem, was wir als Mensch sind, und dem, was die Rolle von uns fordert. Im Beruf ist vollkommene Authentizität überhaupt nicht erstrebenswert. Denn das Bemühen, möglichst authentisch zu sein, führt leicht zu einer Verschmelzung mit der Rolle. Wir sind dann zu identifiziert mit unserem Beruf und nehmen Dinge persönlich, die eigentlich auf organisatorischer Ebene gelöst werden müssten. Und nicht alles, was echt ist, ist professionell. Die meisten Probleme in Firmen sind weniger auf fehlende fachliche Expertise als auf mangelnde Rollendistanz, das heißt auf mangelnde Grenzziehung zwischen der eigenen Person und der Rolle, die man einnimmt, zurückzuführen.

SZ: Aber ist es nicht anstrengend, den ganzen Tag eine Rolle zu spielen?

Kugele: Überhaupt nicht. In der Regel suchen sich Menschen ihre Berufe ja so aus, dass sie aufgrund ihrer persönlichen Präferenzen, ihres Typus, die Rollenerwartungen gut bedienen können. Wenn meine Coaches das Konzept der Rollenerwartung erst mal verinnerlicht haben, fühlen sie sich übrigens meist entlastet. Wer eine gewisse professionelle Distanz zu seiner beruflichen Rolle hat, ist nämlich nicht nur konfliktfähiger, sondern kann auch besser mikropolitisch und machttaktisch denken, ohne schlechtes Gewissen also. Außerdem bildet diese Rollendistanz auch die Basis für eine gesunde Work-Life-Balance und damit eine wirksame Burn-out-Prävention.

SZ: Wo ziehen Sie eine ethische Grenze beim machtpolitischen Taktieren?

Kugele: Immer da, wo es nicht um eine sachliche Auseinandersetzung geht, sondern um einen Angriff auf Menschen. Mobbing zum Beispiel muss sofort unterbunden werden. Harte Auseinandersetzungen mit machtpolitischen Taktiken dürfen stets nur auf der Sachebene mit dem klaren Fokus auf die gemeinsamen Interessen, Ziele und Erfordernissen der Gesamtorganisation geführt werden.

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