Vergütung:Gemeinsam sind wir stark

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Besonders gute Mitarbeiter sollen mit Extra-Geld angespornt werden - so das Grundprinzip von Boni. Doch dieses Konzept wackelt. Der Bosch-Konzern belohnt künftig lieber Teamleistungen.

Von Wolf von Dewitz/dpa

Kollektivgedanke statt Ego-Erfolg - so lässt sich ein Trend in der deutschen Wirtschaft zusammenfassen, der nach Expertenmeinung die bisherige Praxis der Boni-Systeme verändern könnte. Statt bei der Sondervergütung auf individuelle Ziele zu setzen, werden Extrazahlungen an einer Gemeinschaftsleistung gemessen. Dies kann ein Geschäftsbereich sein oder die gesamte Firma. Der Technologiekonzern Bosch geht hier als erster deutscher Großkonzern voran, Ende des Jahres werden dort individuelle Boni für Führungskräfte abgeschafft.

Bei der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) sieht man beim Thema Vergütung von Fach- und Führungskräften seit einigen Jahren einen Trend vom Individuellen zum Kollektiven. "Großunternehmen und Mittelständler denken über die Weiterentwicklung ihrer Vergütungssysteme nach. Sie merken, dass die herkömmlichen Systeme Grenzen haben", sagt DGFP-Gesellschaftsführerin Katharina Heuer. Vergütung sei zwar die Grundlage für gute Mitarbeit und Zusammenarbeit, "aber mehr Geld führt nicht unbedingt zu mehr Motivation und Leistung", sagte Heuer.

Die Zeiten, in denen Mitarbeiter ihren beruflichen Erfolg über Geld und Karriere definierten, seien längst vorbei. "Heute wollen Mitarbeiter erfahren, dass ihre Arbeit Sinn macht, nachhaltig ist und wertgeschätzt wird", sagt Heuer. In einer digitalen und virtuellen Arbeitswelt werde die Messung der individuellen Leistung und damit des individuellen Erfolgs immer schwieriger. Die Leistung von Teams, Bereichen und des gesamten Unternehmens sei hingegen leichter messbar - zum Beispiel an fertigen Produkten, Verkaufszahlen und schließlich dem damit erbrachten Umsatz.

Dennoch bleibt die alte Praxis einzelner Extrazahlungen dominant. Laut einer Umfrage des Beratungsunternehmens Ernst & Young unter 2200 Arbeitnehmern in Deutschland liegt der Anteil von Mitarbeitern mit teilweise erfolgsabhängiger persönlicher Bezahlung in den Branchen Banken, Energie und IT bei etwa der Hälfte, im Bau, Maschinenbau und in der Autobranche bei etwa einem Drittel. Und auf allzu viel Unmut stößt das Thema nicht. Auf die Frage, wie sie leistungsabhängige Bezahlung fänden, antworten etwa drei Viertel der Befragten "sehr gut" oder "eher gut". Nur ein Viertel ist prinzipiell nicht begeistert.

Trotz dieser Zahlen sind Fachleute überzeugt davon, dass sich die noch eher schwache Boni-Entwicklung hin zum Kollektiven verstärken wird. Studien belegen, dass die Bezahlung bei der Jobzufriedenheit von hochqualifizierten Mitarbeitern eine weniger wichtige Rolle spielt als noch vor einigen Jahrzehnten. Die Befragten legen größeren Wert auf weiche Faktoren wie etwa einen Betriebskindergarten oder flexiblere und damit familienfreundlichere Arbeitszeiten. Auch mehr Eigenverantwortung für Führungskräfte steht hoch im Kurs.

Boschs Abschied vom "Extrageld für Einzelerfolg" ist letztlich Teil dieser Entwicklung, in der rein materiell motivierte Egoismen hintenangestellt werden. Mit der Umstellung beim schwäbischen Technologiekonzern geht es um mehr als bloß einen neuen Maßstab für die Bemessung von Boni. "Wir müssen die Menschen in einer modernen Welt anders führen, nämlich über den Sinn", sagt Bosch-Chef Volkmar Denner. Sie müssten das Gefühl haben, Nutzen zu stiften. "Dann setzen wir viel größere Kräfte frei als mit Geld." Individuelle Finanzboni sind da aus Denners Sicht eher ein Hemmschuh.

Die Boni-Umstellung bei Bosch findet unter Fachleuten Zustimmung. "Geld kann ein Motivationsfaktor sein, aber er läuft sich schnell tot", sagt die Arbeitssoziologin Sabine Pfeiffer von der Universität Hohenheim. Dass die bisher bei Bosch bezahlten Einzelboni für Führungskräfte etwas gebracht haben, bezweifelt Pfeiffer. "Ein ohnehin schon gut bezahlter Ingenieur lässt sich mit noch mehr Geld nicht zu noch besserer Leistung anstacheln. Zudem weist die Professorin auf Risiken bei finanziellen Boni hin. "Ein Bonus wird für Mitarbeiter schnell zur Selbstverständlichkeit. Wenn der dann in einem Jahr nicht kommt, sind sie demotiviert."

Aber lädt man nicht zum Däumchendrehen ein, wenn Bonus-Einzelziele wegfallen und ein Mitarbeiter sich im Gesamtkollektiv verstecken kann? Nicht unbedingt, schließlich könne etwa durch Teamgeist die Motivation hochgehalten werden, sagt Henning Curti von Ernst & Young, der ebenfalls ein gewisses Umdenken bei Firmen bezüglich ihres Bonussystems sieht. Chefs seien hierbei besonders gefordert. "Man darf mit einem kollektiven Bonus nicht den Eindruck entstehen lassen, man kümmere sich nicht mehr um die individuelle Leistung." Gegebenenfalls müsse man häufiger Mitarbeitergespräche führen - sogar bis zu einmal im Monat statt einmal im Jahr wäre denkbar.

© SZ vom 21.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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