Vergleichsportale für Jobsuchende:Wer im Glashaus sitzt

Durch Glassdoor oder Kununu können potenzielle Angestellte Informationen über Firmen herausfinden, an die sie früher kaum herankamen. Die Online-Portale schaffen mehr Transparenz - und helfen Jobsuchern, mit Arbeitgebern selbstbewusst zu verhandeln.

Von Thomas Öchsner

"Es tut mir leid, aber meine Recherchen in diversen Internetportalen haben ergeben, dass ich die Stelle bei Ihnen nicht übernehmen will. Das Arbeitsklima soll, um es zurückhaltend zu formulieren, ausbaufähig sein. Ihre flexiblen Arbeitszeitmodelle reichen für mich als jungen Vater nicht aus, um mich, so wie ich es mir wünsche, um meine Kinder kümmern zu können. Sollten Sie in Zukunft in diesen Bereichen besser werden, können Sie mich gerne anschreiben."

Das Schreiben ist, nun gut, erfunden. Aber es zeigt, wohin sich der Arbeitsmarkt im Zeitalter der Digitalisierung entwickeln könnte, zumindest bei bestimmten Berufen, in denen Fachkräfte fehlen: Im Kampf um die besten Köpfe können Arbeitgeber Talente nicht mehr als Bittsteller antreten lassen. Sie müssen sich selbst mehr auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter einstellen. "Es gibt eine Machtverschiebung hin zu den Arbeitnehmern", beschreibt Ingo Schäfer, Arbeitsmarktexperte des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) diesen Wandel. Diesen könnten Internetportale wie Glassdoor oder Kununu, in denen jeder Unternehmen quasi ein Zeugnis ausstellen kann, noch verstärken.

Bei der Frage, was der eine über den anderen weiß, gab es bislang eine gewisse Balance: Die Arbeitgeber kennen ihren Bewerber ganz gut, nicht zuletzt, weil sie die Kandidaten googeln können und womöglich private Einträge bei Facebook finden. Umgekehrt haben Bewerber die Chance, sich über eine Firma in den Medien oder vielleicht auch bei Mitarbeitern zu erkundigen, die dort schon ihr Geld verdienen.

Verhandeln auf Augenhöhe

Diese Balance verändert sich nun: "Durch die Bewertungsportale können sie Informationen über Arbeitgeber erhalten, an die sie vorher gar nicht herangekommen wären - zumindest sofern die dort eingestellten Angaben stimmen", sagt Schäfer. So sieht es auch Thomas Sattelberger, früher Personalvorstand der Deutschen Telekom: "Diese Informationsbörsen können dazu beitragen, dass Bewerber mit Unternehmen eher auf Augenhöhe verhandeln können." Firmen, die zur Geheimniskrämerei neigen, hätten es dadurch künftig schwerer.

Für den IW-Experten Schäfer ist diese neue Form der Transparenz nicht nur Folge neuer technischer Möglichkeiten durch das Internet. Gäbe es Massenarbeitslosigkeit, würden die Portale wohl nicht so aufblühen, vermutet er. "In Zeiten, in denen für Berufsanfänger Jobs rar sind, sind diese schon froh, wenn sie eine Stelle mit einem guten Gehalt und ohne langen Anfahrtsweg ergattern können."

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Kaum Einfluss auf das Gehaltsniveau

Doch die Lage auf dem Arbeitsmarkt wandelt sich gerade: Noch nie hatten in Deutschland so viele Menschen einen Job. Die Bundesagentur für Arbeit sieht zwar noch "keinen flächendeckenden Fachkräftemangel". In 19 Berufen sind Fachleute aber bereits dringend gesucht. Es fehlen bestimmte Ingenieure (Metallbau, Maschinen- und Fahrzeugtechnik), Klempner, Heizungsbauer und Klimatechniker, es gibt zu wenig Meister in der Orthopädie-, Rehatechnik oder für Hörgeräteakustik - und natürlich mangelt es an Fachkräften in der Altenpflege.

Das liegt nicht nur daran, dass die Gesellschaft altert und wegen niedriger Geburtenraten zu wenig Junge nachrücken. Manche Berufe finden junge Leute einfach unattraktiv oder zu schlecht bezahlt. Oder es gab wie bei den Ingenieuren zu wenig Abiturienten, die nach der schweren Rezession 1993/94 ein Studium anfingen, weshalb heute Ingenieure zwischen 35 und 45 fehlen. Andere Berufe dürften in Zukunft dazukommen, wenn die Zahl der Schulabgänger weiter abnimmt. Viele kleine Handwerksbetriebe suchen schon jetzt vergeblich geeignete Auszubildende.

Die Bewertungsportale könnten dabei helfen, dass diejenigen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die zueinanderpassen, besser zueinanderfinden. Das Gehaltsniveau dürften sie jedoch kaum beeinflussen, jedenfalls nicht in Deutschland. Dort werden fast 60 Prozent der Beschäftigten nach einem Branchen- oder Firmentarifvertrag bezahlt, über den Gewerkschaften mit Arbeitgeberverbänden verhandeln. Zumindest auf die Höhe ihres Grundgehalts haben die Arbeitnehmer keinen direkten Einfluss. Und Leistungsprämien werden weiter von der Leistung abhängen. "Da nützt der Hinweis auf irgendwelche Zahlen in Portalen gar nichts", sagt Sattelberger.

Gehaltsverhandlungen sind für ihn letztlich eine Machtfrage. Er verweist auf die Ingenieure in den MINT-Berufen - Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Dort seien die Gehälter in den vergangenen Jahren bereits überproportional stark gestiegen. Der frühere Telekom-Vorstand kann sich gut vorstellen, dass dies auch in nichtakademischen Mangelberufen irgendwann so kommen könnte - nicht weil die Portale mehr Durchblick bei den Vergütungsniveaus liefern. "Es geht hier schlicht um Angebot und Nachfrage, die sich im Lohn widerspiegelt."

Arbeitslose können davon indes nur träumen: Schlägt ihnen ihr Vermittler vor, sich in einer Firma vorzustellen, müssen sie das tun, sonst wird ihnen das Arbeitslosengeld gestrichen oder gekürzt. "Niemand darf so einen Vermittlungsvorschlag einfach ablehnen, nur weil er eine schlechte Bewertung der Firma im Internet gefunden hat", sagt eine Sprecherin der Bundesagentur.

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